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Peakoil Reloaded

Kapitel 27


  
Das Energieproblem schien gelöst - zumindest fast.

Die Diesellieferungen von der Biogasanlage gingen zwar immer weg wie warme Semmeln, aber wenn der Treibstoff ausverkauft war, konnten die Kunden auf einen neue Lieferung am nächsten oder spätestens übernächsten Tag hoffen. So pendelte sich wieder ein fast normaler Tankstellenbetrieb ein. Der Mittagstisch und der abendliche Getränkeausschank stellten zwar nach wie vor ein wichtiges Standbein des Betriebes dar, waren aber nicht mehr die einzige Geldquelle.

Im Keller quollen die Einmachgläser fast aus den Regalen. Alices Mutter betonte strahlend, dass sie noch nie soviel eingekocht hatte. Ein guter Teil dieses Einmachgutes sollte jedoch auch im Laden verkauft werden, war also nicht allein für die Ernährung der kleinen Familie gedacht. Alice hatte ihren Computer dazu gebracht, auf einem billigen Drucker ansprechende Etiketten auszudrucken, die den Verkauf fördern sollten. Spezielle Holzkisten bargen die reichliche Kartoffelernte. Das Holz zum Heizen war auch fast fertig gehackt.

Doch das perfekte Sicherheitsgefühl wollte sich nicht einstellen. Zu erschreckend waren schon die Nachrichten der Bauern aus der Umgebung, die mangels Landmaschinentreibstoff und Dünger nur äußerst magere Ernten eingefahren hatten. Richtig schlimm schien es aber in anderen Gegenden Deutschlands zu sein, wo die Höfe oft weit über hundert Hektar umfassten. Viele der Großbauern konnten angesichts der katastrophal mickrigen Ernte ihre Kreditraten nicht mehr bezahlen und gingen pleite. Das bedeutete, dass nicht nur in diesem Winter die Nahrungsmittel knapp werden würden, denn auch im nächsten Jahr würden wohl viele Flächen brach liegen.

Die Nachrichtenticker im Internet waren voll mit diesen Hiobsbotschaften. Im Fernsehen durften Vater und Tochter nur die Hauptnachrichten ansehen, weitere Reportagen und unerfreuliche Sendungen wurden von der Mutter abgelehnt, denn sie wollte nicht soviel Unglück ins Haus strömen lassen. Insgeheim gab Alice ihrer Mutter recht, denn schon die Neuigkeiten, die sie im Internet las, reichten ihr, um ihrer Zuversicht immer wieder einen Knick zu verpassen. Die Tagesschau am Abend setzte diesem Ungemach noch ein giftiges Sahnehäubchen auf und trotz ihrer Proteste war Alice froh, dass ihre Mutter weitere negative Sendungen verbot.

Trotz all der Vorräte im Keller schienen sich die Warnungen von Alices Vater zu bewahrheiten. Alles entwickelte sich in Richtung Hungersnot.

Und dann kam auch noch Herr Storzig. Plötzlich stand er in der Tankstelle, als Alice gerade Dienst hatte.

"Guten Tag, mein Name ist Storzig. Ich komme vom Bauamt. Uns wurde zugetragen, dass Sie hier eine illegale Verkaufsstätte für Treibstoff betreiben."

"Illegal? Wir haben hier schon seit Jahrzehnten eine Tankstelle. Alles genehmigt", Alice wurde sofort wütend über die rechthaberische Art in der dieser Beamte auftrat.

"Es geht um den Treibstoff aus Biogas. Sie haben keine Genehmigung für den Verkauf dieses Diesel-Äquivalents."

"Warten Sie einen Moment! Ich hole meinen Vater. Ich bin sicher, dass sich alles aufklären wird."

"Da wäre ich mir nicht so sicher", näselte Herr Storzig.

Alice informierte ihren Vater, der sich mit den Papieren des Tankstellentechnikers bewaffnete und sich vor Herrn Storzig aufbaute.

"Hier können Sie sehen, dass alles mit rechten Dingen vor sich geht. Unsere Tankstelle ist genehmigt und die Anlage zum Zapfen des Bioöls ist in Ordnung."

"Für diese spezielle Art des Treibstoffs haben Sie aber keine Genehmigung."

"Dieselartiges Öl aus Biogas ist ja auch völlig neuartig. Dafür gibt es noch keine Paragraphen."

"Eben! Ich fordere Sie auf, den Verkauf dieses Stoffes sofort einzustellen. Andernfalls droht Ihnen eine empfindliche Strafgebühr."

Einen Moment lang befürchtete Alice, dass ihr Vater den Beamten erwürgen oder mit nackten Händen erschlagen würde, doch dann entspannten sich seine Gesichtszüge.

"Sicherlich wollen Sie die Vorzüge dieses Biotreibstoffes kennenlernen. Wenn Sie wünschen, können wir Ihnen dieses Produkt zukünftig zum Vorzugspreis anbieten."

"Na, dann rücken Sie mal eine Probe Ihres Produktes raus, damit ich es überprüfen kann."

Alices Vater holte einen neuen Kanister aus dem Laden und füllte ihn mit Diesel. Herr Storzig blickte unzufrieden und gab erst Ruhe, als er einen zweiten Kanister erhielt. Dann fuhr er von dannen.

"Korrupt wie in einer Bananenrepublik!" fluchte Alices Vater.

Dann nahm er die Axt und drosch beängstigend auf die unschuldigen Holzscheite ein. Nach kurzer Zeit türmte sich ein meterhoher Holzhaufen um seinen Hackklotz herum.

Alices Mutter regte sich so sehr auf, dass sie sich mit plötzlich einsetzender Migräne ins Bett legen musste, als sie von dem Besuch des Beamten erfuhr. Alice vertrat sie daher den Rest des Tages im Laden. Am liebsten hätte sie aber auch auf irgendetwas eingedroschen, so empört war sie über Herrn Storzig.

Nach und nach kam der Herbst und die Tage wurden nicht nur kürzer sondern auch kühler. Die Erntezeit war vorbei und Alice fand endlich Zeit, sich um ihr Zimmer zu kümmern. Auch ihre Umzugskartons aus Stuttgart waren endlich eingetroffen. Als sie Kisten mit alten Büchern auf den Dachboden schleppte, entdeckte sie ihr Spinnrad, das sie in einer kurzen Phase ihrer Jungend intensiv benutzt hatte. Sie trug es in ihr Zimmer, denn sie dachte sich, dass sie im Winter vielleicht Zeit für Handarbeiten finden würde. Als ihre Mutter das Spinnrad sah, fiel ihr ein, dass sie im letzten Jahr vom Schäfer bergeweise unverarbeitete Wolle erhalten hatte, mit der sie nichts anzufangen wusste.

Also reinigte Alice die Wolleberge und immer wenn sie danach in der Tankstelle Dienst schob und keine Kunden kamen, saß sie an ihrem Spinnrad und verspann Wollfaden zum späteren Verstricken. Schon nach kurzer Zeit hatte sie den Dreh wieder raus und sie liebte diese gleichförmige Tätigkeit, die soviel Raum zum Nachdenken ließ.

Im Oktober wurde es jedoch streckenweise so kalt, dass Alice Finger nicht mehr beweglich genug fürs Spinnen waren und der Faden ständig riss. Eine Heizung musste her, auch für die Kunden, denen deutlich anzusehen war, dass es ihnen im Laden zu kalt war - geschäftsschädigend fand Alice.

Die bisherige Zentralheizung konnten sie nicht betreiben, weil dafür nicht genug Öl vorhanden war. Ein Holzofen wäre eine Möglichkeit, doch einerseits gab es im Tankstellenladen keinen Kamin und zweitens würde dann das Brennholz nicht über den Winter reichen. Selbst für das Wohnhaus würde es nur bei sparsamer Benutzung und einem milden Winter ausreichen.

Als Alternative musste Alice immer wieder an eine Warmwasserheizung durch Sonnenkollektoren denken. Die Photovoltaikzellen waren inzwischen erfolgreich auf dem Dach befestigt worden und bei ihren Besuchen auf dem Trautmannhof hatte Alice die Kollektoren für Sonnenwärme gesehen, die der Hausherr selbst gebaut hatte. So eine Anlage schien ihr zwar weniger effektiv wie ein Scheffler-Spiegel, wie Annette ihn hatte, doch immerhin besser als gar nichts und anscheinend preiswert herzustellen.

Alice verkaufte einen Teil ihrer Öl-Finanzderivate und bestellte beim Trautmannhof solche Sonnenkollektoren für Warmwasser. An trüben Tagen wären diese zwar keine Lösung, aber es würde genug sonnige Tage mit Frosttemperaturen geben. Das aufgewärmte Wasser sollte über die vorhandenen Heizkörper die Tankstelle beheizen. Als Achim kam, um die Kollektoren auf dem Dach zu montieren, konnte Alice sich kaum an seinem beweglichen Körper sattsehen. Völlig unerschrocken bewegte er sich auf der schrägen Fläche.

Im Laden funktionierte Achim die Heizkörper um, so dass ihre Flüssigkeit wahlweise mit Sonnenwärme oder Öl beheizt werden konnte. Die Arbeit hielt ihn so beschäftigt, das Alice kaum Gelegenheit fand, sich mit ihm zu unterhalten. Nur in den seltenen Kaffeepausen entspann sich ein unverfängliches Gespräch. Viel zu schnell war die Heizung montiert und Achim verschwand wieder aus Alices Alltag. Gibs zu, er gefällt dir! Ok, das stimmt, aber mehr auch nicht. Schön ist es, dass die Sonne jetzt einen Teil der Ladenheizung übernimmt. Da kann ich gleich viel besser spinnen.

Peakoil Reloaded

Twilight in the Desert. The Coming Saudi Oil Shock and the World Economy
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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