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Peakoil Reloaded

Kapitel 3


  
"Von dieser schrecklichen Grippe habe ich mich immer noch nicht richtig erholt", Alices Vater blickte bei diesem Geständnis verlegen auf den Boden.

"Was? Das wusste ich ja gar nicht, dass ihr auch diese Grippe hattet."

"Wer hatte die nicht? Fast alle hatten sie in unserer Gegend. Und ich bin nicht mehr der Jüngste, da ist es wohl normal, dass es eine Weile dauert, bis alles wieder so funktioniert wie vorher."

"Stimmt auch wieder. Ich hatte sie schließlich auch und habe euch nicht extra informiert. Aber bei mir verlief sie glimpflich, wie eine ganz normale Grippe."

"Bei deiner Mutter war sie auch nicht so schlimm. Aber meine Lunge hat fast gestreikt; vermutlich weil ich soviel geraucht habe. Inzwischen habe ich das Rauchen aber aufgegeben."

"Im Ernst? Du rauchst nicht mehr? Das ist ja kaum zu fassen! Dazu kann ich dir nur gratulieren!"

Alice nahm ihren Vater noch mal in den Arm und drückte ihm einen Extrakuss auf die Wange. Oh je, das muss aber schrecklich gewesen sein, wenn er sich sogar das Rauchen abgewöhnt hat. Und ich wusste von nichts. Wie bedrohlich müssen da erst die aktuellen Sorgen sein, denn diesmal haben sie mich angerufen und um Hilfe gebeten.

"Hat auch den Vorteil, dass wir eine Menge Geld sparen, das vorher für die Zigaretten draufgegangen ist", Alices Vater gelang ein schiefes Grinsen.

"Und das Autofahren hast du auch aufgegeben?"

"Oh, hör mir damit auf. Der Sprit fehlt an allen Ecken und Enden. Das droht uns fast zu ruinieren. Daher fahre ich nur noch, wenn es zu Fuss nicht geht."

"Das ist bestimmt ganz schlimm für dich."

"Was glaubst denn du? Na ja, lassen wir's. Deine Mutter wartet bestimmt schon ganz ungeduldig mit dem Essen auf dich. Sie hat extra dein Lieblingsessen gekocht."

Wie gut, dass ich kaum Gepäck habe. So ist es nur ein netter Spaziergang, um nach Hause zu kommen. Vater ist bestimmt auch froh, dass er keine Koffer schleppen muss, so ohne Auto.

"Oh, wie es hier nach Frühling duftet. Bei uns in Stuttgart ist der Frühling noch nicht so weit. Hier blühen ja schon die Bäume."

"Einige schon, aber auch hier hat es heuer länger gebraucht als sonst. Hörst du, wie sich die Vögel über den Frühling freuen?"

Alice nickte andächtig. Auf den Vogelgesang lauschend setzten Vater und Tochter ihren Weg fort. Der Weg bis nach Hause dauerte gerade lange genug, dass sich Alice wieder an die Heimat gewöhnen konnte. Im Frühling ist es hier am schönsten, oder vielleicht doch eher im Herbst, wenn der Wein reif ist und die Bäume bunt? Schade, dass es hier keine guten Jobs gibt.

Kaum erreichten sie das heimische Grundstück, gackerten Hühner um sie herum und behinderten sie beim Weitergehen.

"Ihr habt wieder Hühner?"

"Da staunst du, was? Und Kaninchen haben wir auch angeschafft. Auf der Wiese steht sogar eine Ziege, die hoffentlich bald Milch gibt."

"Stimmt. Da staune ich! Großvater wäre bestimmt superglücklich, wenn er das noch erleben könnte. Wie kommts?"

"Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber hier wird das Angebot in den Geschäften immer teurer. Und dann habe ich mich eben auf die Stärken unserer Vorväter besonnen und wieder Viehzeug angeschafft. Die Hühner legen schon fleißig Eier."

"Bei uns gibt es auch Engpässe. Aber in der Stadt kommt man kaum auf die Idee, sich Hühner zu halten."

"Das wär auch nix. Hühner brauchen Land, um zu gedeihen."

Endlich gelangten sie zum Wohnhaus. Die Hühner hatten soviel Lärm gemacht, dass sie die Mutter anscheinend über die Ankunft informiert hatten, denn noch bevor Vater und Tochter sich der Tür genähert hatten, riss die Mutter sie auf und stürmte auf Alice zu.

"Oh, mein Mädchen, wie schön, dass du kommen konntest. Wie gut dir die blonden Strähnchen stehen. Und wie dankbar ich bin, dass du uns gerettet hast. Komm rein, meine Liebe!"

"Tach Mami! Das war doch selbstverständlich, dass ich euch geholfen habe. Ich habe übrigens einen Bärenhunger und es riecht schon ganz lecker."

Ein Strahlen ging über das Gesicht von Alices Mutter.

"Ja, ich habe Schupfnudeln mit Kalbsbrust und Erbsengemüse für dich gekocht."

"Mhm, das klingt wunderbar! Du bist einfach die Größte!"

Alices Mutter schien um zwei Zentimeter zu wachsen, so sehr freute sie sich über die Anerkennung. Bei dem leckeren Essen verflog Alices sorgenvolle Stimmung für eine Weile. Sie fühlte sich wieder ganz zu Hause, wie in alten Zeiten. Fast. Denn bei der Soße fehlte die Sahne. Es schmeckte zwar trotzdem hervorragend, aber diese winzige Veränderung zeigte deutlich, wie weit die Probleme schon in den Alltag hineinreichten.

"Erzähl von deiner Arbeit, wenn du magst. Ich freue mich immer, wenn ich an dich denke, dass du dich für so einen zukunftsträchtigen Beruf entschieden hast."

"Es ist sehr nett dort. Das Betriebsklima ist hervorragend und in der Kantine werden wir gut bekocht, aber natürlich lange nicht so gut, wie von dir. Das Kalbsfleisch ist dir mal wieder besonders zart gelungen."

"Findest du? Ich habe mir auch besondere Mühe gegeben, damit es dir schmeckt."

Noch mal Glück gehabt. Ohne lügen zu müssen, konnte ich ihr Positives von meiner Firma erzählen und den Köder mit dem Fleisch hat sie ja wunderbar geschluckt.

"Sag mal, meine Liebe", begann Alices Mutter in einem Tonfall, der Alice sofort verriet, dass sie einen Wunsch äußern wollte, sich aber nicht ganz traute.

"Nur zu, ich bin ganz Ohr."

"Wir wollen unseren Rasen umgraben, um daraus einen Kartoffelacker zu machen. Dass dein Vater sich noch nicht wieder richtig erholt hat, weißt du ja bestimmt schon. Und da wollte ich fragen, ob du vielleicht beim Umgraben helfen könntest?"

"Gerne grabe ich um. Aber da wird euch doch das Herz bluten, den heißgeliebten Rasen zu opfern."

"Stimmt! Wir haben auch lange mit uns gekämpft", äußerte sich Alices Vater zu der Angelegenheit. Sein Gesicht wirkte wie versteinert.

"Was ist denn mit den Nachbarn und ihren Traktoren? Können die nicht geschwind den kleinen Acker umzackern?"

Der Vater räusperte sich: "Tja, die Nachbarn und ihre Trecker. Die haben keinen Sprit für ihre Maschinen. Und wenn sie welchen hätten, müssten sie erst mal ihre eigenen Felder pflügen."

"Diese Unholde geben zu allem Überfluss auch noch uns die Schuld an ihrer Misere", Alices Mutter standen plötzlich Tränen in den Augen.

"Beruhige dich, Mami. Wenn die anfangen zu denken, wird ihnen auch klar werden, dass die Ölknappheit nicht an euch liegt. Wie schon gesagt: ich grabe gerne um. Vom täglichen Fahrradfahren bin ich auch recht gut im Training. Habt ihr denn Arbeitsklamotten für mich?"

"Ja, ich finde bestimmt was für dich. Natürlich mit Gürtel, denn meine Sachen sind dir viel zu weit. Wie schön schlank du geworden bist."

"Die gute Figur kommt vom Radeln. Macht sich natürlich auch gut, wenn ich bei Außenterminen einen schicken Anzug anziehen muß."

"Hach, das kann ich mir gut vorstellen, wie elegant du bei so einem Termin aussiehst. Ich bin ja so stolz auf dich."

"Das freut mich Mami."

Und stolz sollst du auch bleiben, dann hast du wenigstens einen Grund zur Freude.

Nach dem Essen ging Alice mit ihrer Mutter in den Keller. Dort lag schon ein Stapel Arbeitskleidung bereit, duftend wie frisch gewaschen, sorgfältig gebügelt und präzise zusammengelegt. Ach, die Mami, bügelt sogar die Arbeitsklamotten perfekter als ich meine Nobelsachen. Die Kleidung passte gut, nur die Hose war ein wenig zu kurz und natürlich deutlich zu weit. Aber der bereitliegende Gürtel hielt sie rutschfrei an der Taille zusammen. Dann erhielt Alice noch Arbeitshandschuhe und mit einer Grabgabel bewaffnet betrat sie den Garten.

Dort wartete schon ihr Vater auf sie, auch gerüstet für einen Arbeitseinsatz im Garten. Er zeigte Alice, wie sie am einfachsten die Rasensoden abheben konnte, um dann die darunterliegende Erde so tief wie möglich zu lockern. Sein Blick strich über die Fläche des Rasens, sein ganzer Stolz, Halm für Halm liebevoll gepflegt und seine Gesichtszüge verhärteten sich.

"Hat sowieso immer viel zuviel Wasser verschlungen. Das kostbare Nass nutzen wir jetzt lieber für Kartoffeln, dann haben wir wenigstens was davon. Und soviel Feuchtigkeit wie der Rasen brauchen die bestimmt nicht."

"Das leuchtet ein. Da könnt ihr bestimmt zentnerweise Kartoffeln ernten auf dieser großen Fläche."

"Ja genau, das hoffe ich auch. Dann brauchen wir wenigstens kaum noch Essen kaufen. In meiner Kindheit haben wir hier auch genug Kartoffeln für die ganze Familie angebaut. Und auch noch Grünzeug und Rüben für die Viecher. Lass uns anfangen!"

Am Anfang war ihr Vater schneller mit dem Umgraben, doch dann vergößerte sich Alices Fläche rasch und sie hörte ihren Vater keuchen, obwohl sie weit voneinander entfernt arbeiteten. Alice forderte ihn auf, sich nicht zu überfordern und zu ihrer Überraschung machte er tatsächlich immer wieder ein Päuschen. Oh je, es muss ihm wirklich schlecht gehen, wenn er Pausen beim Graben macht, während seine Tochter weiterackert. Mir macht es aber Spaß. Der Frühling ist hier so viel deutlicher als in Stuttgart. Wie die Sonne auf den Rücken brennt. Und das Zwitschern der Vögel spornt mich richtig an.

Alices Handy klingelte und brachte einen Misston in die fröhliche Vogelmusik. Alice zog das Telefon aus ihrer Hosentasche und aktivierte das Gespräch.

"Guten Tag! Hier spricht Alice Schafferer, was kann ich für Sie tun?"

Peakoil Reloaded

Peak Oil
von Jeremy Leggett

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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