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Peakoil Reloaded

Kapitel 5


  
Kurz nach Sonnenuntergang kam Alices Mutter in den Tankstellenladen, um Alice zum Abendessen abzuholen und den Laden zu schließen.

"Ist alles glatt gegangen? Und waren überhaupt Kunden da?"

"Ja, einer war da. Ein junger Mann, der im Nachbardorf den Wagner-Hof übernommen hat."

"Ach der! Der ruft täglich an und fragt nach Diesel. Wie mir dieses ewige Vertrösten auf die Nerven geht. Ich könnte daran verzweifeln."

"Das glaub ich dir gern. Bestimmt würdest du liebend gerne die ganze Stadt volltanken, als immer wieder sagen zu müssen, dass nichts lieferbar ist."

"Ganz genau! Du kannst dich wirklich gut in andere hineinversetzen."

Wie gut, dass sie nicht weiß, warum es mir so leicht fällt, ihre Situation nachzuempfinden.

"Der junge Mann hat sich übrigens mithilfe eines Sandwiches sehr gut besänftigen lassen. Vielleicht solltest du dein Sandwichangebot ausbauen. Dann können die Kunden wenigstens etwas mitnehmen und ihr verdient Geld."

"Das habe ich mir auch gedacht, darum haben wir überhaupt damit angefangen."

"Der Baguetteduft hat ihn übrigens gelockt. Ein passender Geruch ist anscheinend sehr verkaufsfördernd."

"Wie lieb du dir Gedanken über unser Geschäft machst. Komm, lass uns rüber gehen, das Abendessen wartet."

Das Abendessen war vergleichsweise schlicht, aber der Salat schmeckte Alice ausgesprochen gut. Aus dieser Kochkunst müsste man doch irgendwie Profit schlagen können. Da sollte ich echt mal drüber nachdenken. Nach dem Essen holte Alices Vater einen Wein aus dem Keller.

"Hier haben wir ein feines Tröpfchen von Ludwig, du weisst schon, meinem Cousin. Hat er mir gegen eine der letzten Tankfüllungen gegeben, als ich noch Benzin liefern konnte."

"Hm, lecker! Die Weine hier aus der Gegend sind einfach die besten, obwohl die Stuttgarter das immer nicht wahr haben wollen."

Die Mutter holte die besten Gläser aus dem Schrank und der Vater öffnete geschickt die Flasche. Rubinrot leuchtete der Rebensaft in den Gläsern. Die Familie prostete sich zu und trank dann schweigend die ersten Schlucke. Wie ungewohnt, dass keiner etwas sagt. Sie wollen bestimmt nicht ständig von ihren Problemen erzählen und sagen deshalb nix. Wenn mir nicht gleich was einfällt, fragt Mami bestimmt nach meiner Arbeit und ob ich einen Freund hätte, bald heiraten wolle und überhaupt, wie es mit Enkeln stehen würde. Dem muss ich unbedingt zuvorkommen.

"Sagt mal, über verschiedene Energieträger mach ich mir ja den ganzen Tag Gedanken bei meiner Arbeit. Bestimmt habt ihr schon mal überlegt, ob ihr Erdgas zum Tanken anbieten wollt."

Alices Vater ergriff dankbar die Gelegenheit, das Schweigen zu brechen: "Sicher, darüber haben wir schon vor Jahren nachgedacht. Damals war es uns zu teuer und wir wollten uns für die Anlage nicht weiter verschulden. Der Trippinger, du weißt schon, unser Hauptkonkurrent hier im Ort, hat es damals gemacht. Die Bank hat ihm das ganze Geld geliehen. Am Anfang lief es auch wunderbar mit dem Gastanken. Taxiunternehmen und andere Profifahrer waren die Vorreiter, dann wurde es immer beliebter, mit Erdgas zu fahren, weil es billiger war. Aber natürlich stiegen schließlich auch die Gaspreise, als das Öl immer teurer wurde. Das war aber noch nicht weiter schlimm - für den Trippinger, meine ich natürlich. Für uns war es schon schlimm, dass wir da nicht mitmachen konnten. Aber dann gab es Lieferengpässe und seit fast zwei Jahren hat er gar kein Erdgas mehr bekommen. Die Russen haben anscheinend aufgehört, Deutschland zu beliefern, oder so ähnlich. Auf jeden Fall hängt das Problem mit Russland zusammen. Tja, und seit einem halben Jahr ist der Trippinger pleite, weil er die Raten für die Anlage nicht mehr zahlen konnte. Wie gut, dass wir das nicht mitgemacht haben."

"Wie schade! Wäre eine schöne Alternative gewesen. Aber dann hättet ihr es ja schon längst gemacht. Und wie siehts mit Biodiesel und Salatöl aus?"

"Im Prinzip genauso wie mit normalem Treibstoff: zu teuer und vor allem knapp. Das Öl der Rapsbauern geht an langfristige Vertragspartner und Regierungsstellen. Mit Biodiesel und anderen Kraftstoffen sieht es ähnlich aus. Wir können hier nur auf eine Sonderzuteilung für den ländlichen Raum hoffen. Als Sondermaßnahme der da oben, damit unsere Bauern pflügen können. Aber auch nur, wenn wir Glück haben. Und verdient wird an solchen Zuteilungen fast gar nichts."

"Bitter!"

"Du sagst es. Wir können uns freuen, dass unser Haus und der Laden abbezahlt sind, sonst sähe es ganz finster aus. Schon die Stromrechnung kann uns ruinieren, wie du ja erlebt hast. Für deine Hilfe in dieser Angelegenheit will ich dir noch mal ganz herzlich danken. Ich weiß gar nicht, was wir ohne dich gemacht hätten."

Auch Alices Mutter bedankte sich noch mal wortreich. Anschließend unterhielten sie sich über den Garten und die Gemüse, die dort angebaut werden sollten. Wenigstens mal ein Thema, bei dem einem der Mangel nicht sofort ins Gesicht springt. Eigentlich faszinierend, wenn man sein Essen selbst herstellen kann. Macht einen etwas unabhängig vom leidigen Geldverdienen. Früher fand ich den Gemüsegarten immer furchtbar langweilig, außer den Erdbeeren natürlich.

Mit einem leichten Schwipps ging Alice schließlich ins Bett. Ihr altes Jugendzimmer wartete wie immer auf sie, fast unverändert seit sie ausgezogen war. Die schwierige Situation ihrer Eltern ging ihr noch eine Weile durch den Kopf, doch die Gartenarbeit hatte sie so müde gemacht, dass sie nach kurzer Zeit einschlief.

Am Morgen konnte Alice kaum aufstehen, so sehr schmerzte ihr Rücken bei jeder Bewegung. Ächzend schaffte sie es schließlich ins Bad, wo sie erstmal warmes Wasser über ihren gepeinigten Rücken fließen ließ. Aber auch danach konnte sie kaum gerade gehen. Stöhnend und seufzend erschien sie beim Frühstück, wo ihre Mutter schon mit der dampfenden Kaffeekanne auf sie wartete.

"Oh, war das Umgraben gestern wohl zu viel?"

"Anscheinend. Aber es gibt noch so viel umzugraben, da muss ich heute unbedingt noch mal ran, wenn auch mit Pausen. Schlimmer kann es eh kaum werden."

"Du kannst mir auch beim Ansäen helfen. Oder im Laden. Oder du lässt es dir einfach gut gehen und genießt den freien Tag."

"Wenn ich schon mal hier bin, dann kann ich euch auch helfen. Aber deine Vorschläge sind verlockend. Wenn ich eine Pause beim Umgraben brauche, komme ich darauf zurück."

In kleinen Portionen grub Alice noch ein ordentliches Stück Rasen um, fast soviel wie ihr Vater. Dann lernte sie die Hühner und Kaninchen kennen, als sie beim Füttern half und säte mit ihrer Mutter Tomaten, Gurken und Kohl in kleine Töpfe, die sie an einen besonders warmen Platz stellten. In den Laden kamen kaum Kunden, daher nahmen sie einfach den Piepser mit, um niemanden zu verpassen.

Das Telefon klingelte hingegen öfters. Alle wollten wissen, ob es inzwischen Treibstoff gab. Alice sprach einen charmanten Text auf den Anrufbeantworter, der alle Anrufer darüber aufklärte, dass sie auf Sprit noch warten mussten. Über diese kleine Aktion war Alices Mutter besonders glücklich.

Am Sonntagmorgen ließen sie es ruhig angehen, denn in dieser gutbürgerlichen Gegend war an sonntägliches Umgraben gar nicht zu denken. Alice war froh darüber, denn ihr Rücken schmerzte noch schlimmer als am Vortag. Sie nahm ein ausgiebiges Bad, bei dem sich einige der Verspannungen lösten. Danach gab es Mittagessen und dann war es auch schon wieder Zeit für die Fahrt nach Hause. Irgendwie schade. Es fühlt sich gar nicht so an, als würde ich nach Hause fahren, sondern eher als würde es in die Fremde gehen. Dabei lebe ich jetzt schon seit so vielen Jahren in Stuttgart. Aber mit der Großstadt bin ich einfach noch nicht warm geworden.

Die Zugfahrt war wieder ein unerfreuliches Gequetsche. Warum sie das bloß nicht besser in den Griff bekommen? Dabei hatten sie doch viele Jahre Zeit, sich auf das Knapperwerden des Öls einzustellen. Das wäre doch eigentlich die beste Chance für den Zugverkehr. Wir zahlen schließlich alle ein kleines Vermögen für so eine Reise. Da müsste es doch möglich sein, die Verbindungen besser auszubauen. Oder wenigstens genügend Waggons an die Züge zu hängen. Bestimmt fehlt ihnen die Energie zum Bau der Waggons. Das ist doch heutzutage die Ausrede für Alles. Und wahrscheinlich stimmt es sogar. Warum nur, warum haben sie sich nicht rechtzeitig darum gekümmert? Es war doch seit Jahrzehnten eine klare Sache.

Peakoil Reloaded

Wenn der Wüste das Öl ausgeht. Der kommende Ölschock in Saudi-Arabien - Chancen und Risiken
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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