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Peakoil Reloaded

Kapitel 32


  
Alice eilte zu ihrer Mutter und beugte sich über sie. Die Mutter lag mit geschlossenen Augen gekrümmt auf der Türschwelle und rührte sich nicht mehr.

"Mami, Mami, was ist mit dir?" rief Alice voller Entsetzen.

Was hat sie nur? Sie ist bewusstlos! Was mach ich nur? Atmet sie noch? Schwer zu erkennen. Am besten, ich versuche erstmal, den Puls zu fühlen.

Mit Zeige- und Mittelfinger fühlte Alice zuerst am Handgelenk und dann am Hals nach dem Puls. Sie vermeinte, ein schwaches Schlagen zu fühlen. Ob ihre Mutter atmete, konnte sie nicht sicher erkennen. In ihrer Ratlosigkeit beugte sie sich ganz tief runter zu ihrer Mutter, in der Hoffnung, mit der Haut ihres Gesichtes Atemzüge zu fühlen. Das gelang zwar nicht, aber Alice sah, wie ein Zipfel ihrer Haare sich leicht bewegte. Alice hielt den Haarzipfel direkt vor den Mund ihrer Mutter und war sich endlich sicher, Atembewegungen zu sehen.

Und jetzt? Bewusstlose muss man doch irgendwie auf die Seite legen. Und dann? Oh je, hätte ich doch mal wieder einen Erste Hilfe Kurs gemacht in letzter Zeit. Also, auf der Seite liegt Mami ja schon. Worum ging es da nochmal bei dieser Seitenlage? Dass die Bewusstlosen nicht an Erbrochenem ersticken können und dass sie nicht umfallen können. Ok, Mamis Mund zeigt eher nach unten und erbrochen hat sie sich nicht. Und damit sie stabil liegt, halte ich sie einfach erstmal fest, bis mir was Besseres einfällt. Und nun?

"Was ist denn hier los? Ich habe deine Mutter schreien gehört", zu Alices großer Erleichterung war plötzlich ihr Vater aufgetaucht.

"Mami hat einen Brief geöffnet und ist dann zu Boden gefallen. Jetzt ist sie bewusstlos. Vorher hat sie sich noch an den Kopf gegriffen."

"Das klingt aber gar nicht gut", Alices Vater kniete sich neben seine Frau, strich ihr über die Haare und rief leise ihren Namen.

"Wir sollten sofort einen Krankenwagen rufen", schlug Alice vor.

"Das geht nicht, wir sind nicht krankenversichert", tiefe Sorgenfalten durchfurchten die Stirn von Alices Vater.

"Ihr seid nicht krankenversichert? Im Ernst?"

"Ja, schon seit Jahren nicht mehr. Das hätten wir doch gar nicht zahlen können."

"Das klingt aber gar nicht gut. Egal, Notfallbehandlungen müssen die Ärzte durchführen, auch ohne Versicherung. Und schließlich habe ich ja noch Ölderivate, wenn auch nicht mehr viele. Zur Not können wir auch die kürzlich gekauften Aktien verkaufen. Das Wichtigste ist jetzt, dass Mami in ein Krankenhaus kommt."

"Gut, dann lass uns das machen. Wir nehmen das Auto, das geht schneller als ein Krankenwagen und ist auch billiger."

"Wenn du meinst. Hoffentlich passiert unterwegs nichts Schlimmes."

"Bis ein Krankenwagen kommt, kann auch was Schlimmes passieren. Ich schließe schnell den Laden und dann können wir los."

Wenige Minuten später fuhr Alices Vater mit dem Kombi vors Haus, riss die Tür zum Rücksitz auf und klappte die Rückbank um, so dass sich hinten eine Liegefläche bildete.

"Nein, so geht das nicht, das ist zu hart. Da wird sie unterwegs zu sehr durchgerüttelt. Ich hole noch geschwind eine Matratze aus dem Keller. Pass du weiter auf deine Mutter auf."

Während Alice noch mal Puls und Atmung kontrollierte und vergeblich versuchte, ihre Mutter aufzuwecken, eilte ihr Vater ins Haus und kam kurz darauf mit einer Matratze zurück, die er in den Wagen schob. Mit vereinten Kräften hievten sie die bewusstlose Frau ins Auto.

Bevor Alice die Haustür schloss, schob sie den bösen Brief etwas weiter ins Innere des Hauses, ohne ihn eines genauen Blickes zu würdigen. Diesen Giftzettel können wir uns auch später noch anschauen. Jetzt geht es erst mal um Mamis Leben. Sie kroch zu ihrer Mutter auf die Ladefläche und hielt sie fest, damit sie unterwegs nicht umhergeschleudert wurde.

Nach kurzer Fahrt kamen sie beim Krankenhaus an. Alice stürmte zur Rezeption und erklärte kurz ihr Anliegen.

"Dann bräuchte ich zuerst die Versicherungskarte und die Praxisgebühr", forderte die Schwester hinter dem Tresen sie auf.

"Wir sind Selbstzahler!" antwortete Alice.

"Also privat. Alles klar, Ihre Mutter wird sofort versorgt", schlagartig wurde die Schwester eifriger und klingelte nach Pflegern, um Alices Mutter abzuholen. Binnen einer Minute eilten zwei junge Männer mit einer fahrbaren Trage durch die Eingangshalle und ließen sich von Alice zum Auto führen. Fachmännisch hoben sie die Bewusstlose auf die Trage und schoben sie im Eiltempo in die Notaufnahme. Mit einem kurzen Blick verständigten sich Alice und ihr Vater darüber, dass Alice ihrer Mutter folgen und der Vater das Auto parken sollte. Gestreckten Schrittes eilte Alice hinter den Pflegern her, bis ihre Mutter in einen Untersuchungsraum geschoben wurde. Dort wurden sie schon von einem Arzt erwartet.

Der Arzt vollzog eine erste Schnelluntersuchung und befragte Alice gleichzeitg, was geschehen war.

"Aha, das war wohl der Sonderabgaben-Bescheid vom Vermögensamt. Ihre Mutter ist nicht das erste Opfer dieser Frechheit", erwähnte der Arzt bei Alices Schilderung der Ereignisse.

Alice starrte den Arzt verständnislos an. Was meint er denn damit? Das bezieht sich wohl auf diesen Brief, den Mami gelesen hat. Na ja, das werde ich wohl erfahren, wenn wir wieder nach Hause kommen.

"Jetzt müssen wir Ihre Mutter zunächst im Computertomographen untersuchen. Erst dann können wir sicher sein, was genau vorliegt und mit der Behandlung beginnen."

"Ok, aber was hat meine Mutter für eine Krankheit?"

"Es sieht sehr nach Schlaganfall aus. Von der Symptomatik her am ehesten durch eine Blutung im Gehirn."

"Ein Schlaganfall, aber sie ist doch noch gar nicht so alt."

"Für so eine Art des Schlaganfalls muss man nicht alt sein. Wenn die Gefäße anlagebedingt eine Schwäche haben und zugleich Bluthochdruck besteht, kann so ein Apoplex sogar in jungen Jahren auftreten. So, Sie entschuldigen mich bitte, wir müssen zum Tomographen. Anschließend erkläre ich es Ihnen genauer."

"Ok."

Der Arzt schob mithilfe eines Assistenten die Trage durch die Gänge. Alice musste im Wartebereich bleiben. Kaum hatte sie sich hingesetzt, kam auch schon ihr Vater auf sie zu.

"Und? Was sagt der Arzt?"

"Vielleicht ein Schlaganfall. Sie wird jetzt gerade untersucht."

"Oh je, das klingt schlimm. Erstaunlich, wie zackig das hier alles geht. Nach meiner Lungenentzündung war ich mal hier, da haben die mich als Nichtversicherten behandelt wie den letzten Abschaum."

"Hast du denen gesagt, du seist unversichert?" fragte Alice. Der Vater nickte. "Daran lags wohl, ich habe gesagt, wir seien Selbstzahler. Das ist zwar das gleiche, aber klingt wohl besser. Mami wird jetzt als Privatpatientin behandelt."

"Sowas!" Alices Vater schüttelte verständnislos den Kopf.

Nach überraschend kurzer Zeit erschien der Arzt und bat beide in einen Besprechungsraum. Dort erklärte er, dass Alices Mutter eine mittelkleine Blutung im Gehirn gehabt hatte, die aber schon von selbst wieder zum Stillstand gekommen sei.

"Eine Operation macht daher kaum Sinn, denn das würde Ihre Frau und Mutter nur noch zusätzlich belasten. Wir behalten sie jetzt im Auge, um sicher zu gehen, dass nicht noch zusätzliche Probleme auftreten."

"Ist sie denn wieder bei Bewusstsein?" fragte Alices Vater.

"Bisher noch nicht, aber wir rechnen damit, dass sie in einigen Stunden wieder zu sich kommt. Erst dann werden wir sehen, in wieweit sie Schäden davongetragen hat. Wie gesagt: die Blutung steht und der betroffene Bereich ist nicht allzu groß."

"Verstehe ich Sie richtig, dass man mit bleibenden Schäden rechnen muss."

"Rechnen ja, aber es ist nicht sicher, inwiefern die Probleme von Dauer sind. Mit einer guten Reha bekommt man vieles wieder in den Griff."

Eine gute Reha. Der denkt wohl, wir sind Millionäre. Oder ihm ist gar nicht bewusst, dass wir alles selbst zahlen müssen. Zur Not machen wir zu Hause eine Privat-Reha. Hauptsache sie kommt erst mal wieder zu sich.

Dann durften Alice und ihr Vater auf die Intensivstation gehen, wo Alices Mutter bis auf weiteres untergebracht war. "Nur bis sie wieder bei Bewusstsein ist", hatte die Stationsschwester ihnen noch zugeraunt, bevor sie die beiden mit Alices Mutter alleinließ.

Da lag sie nun, überall ragten Schläuche und Kabel aus ihrem Körper. Die Wand hinter dem Bett war ein einziges Flimmermeer mit Anzeigeräten, die nur ein Fachmann deuten konnte.

Alice und ihr Vater setzten sich zu beiden Seiten neben das Bett und jeder hielt eine der Hände der Bewusstlosen. Verstohlen wischte Alices Vater sich eine Träne aus den Augen.

Merkwürdig, dass Vater weint, und ich bin so cool. Aber einer muss ja die Fassung wahren und sich um alles kümmern. Immerhin habe ich erreicht, dass Mami hier gut versorgt wird. Wenn ich nur wüsste, was in dem schrecklichen Brief steht.

Peakoil Reloaded

Peak Oil
von Jeremy Leggett

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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