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Peakoil Reloaded

Kapitel 17


  
Alice fühlte sich nicht wohl dabei, den Kunden ein Produkt aufzudrängen, von dem sie selbst nicht überzeugt war, ob sie es würden liefern können. Um nicht zur Lügnerin zu werden, hielt sie ihre Zusagen eher vage und legte wie früher den Schwerpunkt ihrer Telefonate auf Vertrösten und Aufklärung über die Marktsituation. Manche der Kunden mit aktuellem Liefertermin hatten auch schon direkt die neuartigen Solarzellen bestellt, und konnten trotzdem nicht beliefert werden, was Alice zeigte, dass ihre Vorgehensweise richtig war.

Draußen schien die Sonne wie zum Hohn. Als ob sie uns beweisen will, dass sie sehr viel Energie zu vergeben hat. Irgendwie packen wir es wohl falsch an, denn es gibt ja wirklich massenhaft Energie, die von der Sonne auf die Erde strömt. Man müsste sie nur einfacher anzapfen können. Dieser Gedanke ließ Alice nicht mehr los.

Ihr wurde im Laufe des Tages sogar bewusst, dass auch die anderen alternativen Energieformen die Sonnenstrahlung als ursprüngliche Quelle nutzten. Der Wind entstand durch Wärmeunterschiede in der Atmosphäre, das Wasser wurde von der Sonne verdampft und regnete über den Bergen ab, sodass man Wasserkraftwerke bauen konnte und die Bäume wurden von der Sonne genährt bis man das Holz schlagen und verbrennen konnte. Sogar das Erdöl war ein Produkt der Sonnenenergie, wenn es auch sehr lange gebraucht hatte, um zum Öl zu werden.

Das Problem war also nicht die Sonnenenergie, sondern dass es so schwierig schien, deren Energie für Menschen direkt nutzbar zu machen.

Alice konnte und wollte es nicht akzeptieren, dass daran möglicherweise ihre Firma scheitern würde. Auch auf dem Nachhauseweg dachte sie über eine Lösung für die Sonnennutzung nach. Beinahe hätte sie ein kleines Kind übersehen, das mit seinem Dreirad zwischen zwei parkenden Autos hervorschoss. Im letzten Moment gelang es Alice, einen großen Schwenker um das Kind herum zu machen. Danach schlug ihr Herz bis zum Halse und sie zwang sich, besser aufzupassen.

Zuhause schaltete Alice jedoch sofort ihren Computer an, um im Internet nach neuen Ideen für die Nutzung der Sonnenkraft zu recherchieren. Von der Fülle der Informationen wurde sie fast erschlagen. Doch nach und nach schälte sich heraus, dass es am einfachsten war, die Wärme der Sonne zu nutzen. Nicht nur für heißes Wasser, wie bei den Sonnenkollektoren schon weit verbreitet war, sondern auch zur Erzeugung von Strom.

Mehrere Verfahren trieben Turbinen mit Wasserdampf an, der durch Sonnenenergie erhitzt wurde. Dazu gab es Rinnen, Parabolspiegel und teilweise sogar Klappspiegel. Für die Speicherung der Hitze wurde von einigen Anbietern Zinn geschmolzen. Andere Seiten berichteten von sogenannten Stirlingmotoren, die den Wärmeunterschied nutzten, um Strom zu erzeugen. Es gab sogar Firmen, die die Sonnenwärme so sehr bündelten, dass sie daraus direkt Wasserstoff produzierten, ohne den Umweg über Strom.

Faszinierend, was man da alles machen kann. Einen Spiegel müsste man doch einfach herstellen können. Schön wäre es, wenn ich Erfahrungsberichte aus der Praxis finden würde. Nicht nur die auf den Anbieterseiten, sondern echte, von unabhängigen Menschen. Ob ich sowas in einschlägigen Foren finden kann?

Sie ergänzte ihre Suche, um Diskussionsforen zum Thema zu finden. Eine Menge Diskussionen gab es über die Nutzung der Sonnenenergie, doch viele der Gespräche glichen Schlachten um die Vorherrschaft bestimmter Meinungen. Das war nicht das, was Alice suchte. Sie ackerte sich durch diese Textmassen auf der Suche nach praktischen Beschreibungen von Leuten, die Sonnenenergie selbst auf unkonventionelle Weise nutzten.

Es war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Schließlich stieß sie auf eine Annette aus dem Ruhrpott, die auf ihrem Balkon einen Schefflerspiegel installiert hatte, und damit einen Großteil ihres Stroms und Warmwassers produzierte. Das muss wirklich eine schrullige Bastlerin sein. Sowas auf dem Balkon in einer Großstadtwohnung aufzubauen, ist ja ein echtes Abenteuer. Aber es scheint zu funktionieren. Sogar Fotos von ihrer Anlage hat sie beigefügt. Wie frech sie grinst mit ihren silbernen Locken, die ihr wirr ums Gesicht wehen. Aber wenn sowas sogar in einer Wohnung funktioniert, im trüben Norden Deutschlands, dann ist das bestimmt auch eine passable Lösung für Eigenheim-Besitzer. Ah, und hier ein Bauplan mit Anleitung. Sie hat das meiste aus Abfall gebaut - nicht schlecht. Das muss ich unbedingt unseren Technikern zeigen. Und am besten schreibe ich dieser Annette mal eine Email.

Alice setzte eine Email auf, in der sie aber nicht erwähnte, dass sie bei einer Solarfirma arbeitete. Während sie schrieb, wuchs in ihr die Idee, so einen Schefflerspiegel auf ihrem eigenen Balkon zu montieren, um in Zukunft Nebenkosten einzusparen. Als sie die Email abgeschickt hatte, stellte sie mit Schrecken fest, wie spät es schon war und ging schlafen.

Im Traum sah sie Spiegel über Spiegel, alles voller Spiegel, die in der Sonne glitzerten.

Am nächsten Morgen lief Alice gleich nach den Morgentelefonaten in die Technikabteilung und sprach den Leiter der Abteilung auf Schefflerspiegel und ähnliche Techniken an.

"Das ist zwar nett, dass Sie sich Gedanken über Alternativen machen, Frau Schafferer, aber selbstverständlich kennen wir all diese Möglichkeiten schon. Das ist was für Entwicklungsländer, damit die sich bei Holzmangel ihren Eintopf aufwärmen können. Oder auch, um Großkraftwerke in die Wüste zu stellen. Aber für unsere Breiten taugt das alles nichts."

"Ja, aber, ich kenne eine Frau, die in Norddeutschland mit so einer Anlage auf dem Balkon ihren Strom erzeugt."

"Alles Spinnerei. Danke für Ihre Mühe, Frau Schafferer, aber ich habe jetzt andere Dinge zu tun."

Enttäuscht verließ Alice die Technikabteilung. Am besten gehe ich direkt zum Chef. Der hat vielleicht ein offeneres Ohr.

"Hallo Chef, ich habe mir Gedanken über zusätzliche Angebote zur Solarnutzung gemacht, um unserer Firma bessere Geschäfte zu ermöglichen."

"Na, da bin ich ja gespannt. Schießen Sie los."

"Wenn man die Sonnenwärme über Spiegel bündelt, kann man die Hitze zur Stromerzeugung nutzen. Beispielsweise als Schefflerspiegel, die sollen besonders effektiv arbeiten. Der Hauptvorteil daran ist, dass man sie mit einfachen Mitteln herstellen kann. Ich wette, selbst unsere Mechaniker hier könnten sie produzieren, immerhin bauen die ja jetzt schon die Module zusammen. Dann müsste man nicht mehr auf die Lieferungen von externen Firmen warten, sondern könnte selbst aktiv werden. Hier habe ich ein paar Internetseiten zu dem Thema."

"Hm, das klingt zwar alles ganz schön, aber sowas können wir unseren Kunden doch kaum anbieten. Die wollen moderne Technik, die sie auf ihren Dächern unterbringen können. Wer will sich denn schon so einen großen Spiegel in den Vorgarten stellen?"

"Die Leute haben doch auch überall Satellitenschüsseln montiert."

"Das ist etwas völlig anderes. Außerdem erheblich kleiner. Acht Quadratmeter oder gar zehn sind eine große Fläche. Das können Sie mir glauben, meine Liebe. Ich danke Ihnen trotzdem für Ihr Mitdenken."

Wie ein begossener Pudel schlich Alice zurück an ihren Arbeitsplatz. Den Rest des Tages verbrachte sie damit, den Kunden mitzuteilen, dass ihre Bestellungen nicht lieferbar seien. Immer der gleiche Trott! Und neue Lösungswege lehnen die Chefs rundweg ab. Welch ein Frust.

Zuhause fand Alice eine Email von Annette vor, in der diese sich für Alices Interesse bedankte und alle offenen Fragen beantwortete. Alice war zunehmend begeistert von der Möglichkeit aus alten Spiegeln, Metallresten und Lichtmaschinen eine stromerzeugende Anlage zu bauen. Doch sich selbst traute sie diese Bastelei nicht zu, denn sie hatte keinerlei handwerkliche Erfahrung. Außerdem war ihr bewusst geworden, dass ihr Balkon nach Norden zeigte, was ihn ungeeignet machte.

Dennoch fühlte sich Alice von der Email ermutigt. Sie dachte auch an ihr Elternhaus, denn dort gab es reichlich Fläche, um Spiegel aufzustellen. Und ihr Vater war handwerklich einigermaßen geschickt. Vielleicht konnte sie wenigstens ihren Eltern zu einer Lösung gegen zu hohe Stromkosten verhelfen. Also schrieb Alice dankbar zurück. Diesen Kontakt wollte sie nach Möglichkeit nicht mehr abreißen lassen.

Peakoil Reloaded

Wenn der Wüste das Öl ausgeht. Der kommende Ölschock in Saudi-Arabien - Chancen und Risiken
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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