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Peakoil Reloaded

Kapitel 1


  
"Tut mir leid, die Lieferung Ihrer Solarzellen verzögert sich leider um mindestens vier Wochen. Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir neue Panele erhalten haben", entnervt legte Alice den Telefonhörer auf. Da arbeitete sie nun in der Boombranche alternative Energien und musste all ihre Kunden vertrösten. Was nützte da der ganze Boom?

Alice sammelte die Gesprächsnotizen der letzten Stunden zu einem Stapel und eilte ins Büro ihres Chefs.

"Chef, so geht das nicht weiter. Etliche Kunden drohen bereits mit Klage, weil wir nicht liefern können."

"Bitte halten Sie durch Alice! Ich weiß, es ist hart, die ganze Kunden zu vertrösten, aber immer noch besser, als sie ohne Informationen in der Luft hängen zu lassen. Weltweit sind zur Zeit keine Solarmodule lieferbar."

"Was taugen alternative Energien, wenn sie im Ernstfall nicht verfügbar sind?"

"Sie haben völlig recht, aber leider können wir die Welt nicht ändern. Hier ist die Liste der Kunden, die nächste Woche auf ihre Lieferung warten. Machen Sie erst eine Pause und nehmen Sie sich diese Liste anschließend vor. Ich bin sicher, Sie werden das mit dem üblichen Charme erledigen."

"Grrr, na gut. Dafür werde ich schließlich bezahlt. Aber ich würde wirklich lieber an der Auslieferung mitwirken als bei der Vertröstung."

"Sie sind eine wunderbare Vertrösterin!"

"Ok, Sie haben gewonnen."

Aber erst mal genehmige ich mir eine ausgiebige Pause. Die habe ich mir redlich verdient, dachte Alice und machte sich auf den Weg in die Kantine. Vergeblich suchte sich dort nach dem Premium-Cappuccino, nur stinknormaler Billigkaffee war verfügbar. Der Service hier war auch schon mal besser. Ob es so schlecht mit unseren Finanzen steht?

Auch Thorsten, einer der Techniker, rümpfte die Nase, als er das Angebot der Kantine begutachtete. Alice sah eine Gelegenheit gekommen, um sich Klarheit über die Lieferprobleme zu verschaffen. Manche der enttäuschten Kunden wollten es nämlich ganz genau wissen.

"Hier Thorsten. Cappuccino gibt es zwar nicht, aber hier habe ich einen Milchkaffee für dich."

"Das ist lieb von dir, danke!"

"Sag mal, warum gibt es denn eigentlich so wenig Solarzellen auf dem Markt?"

"Das ist schnell erklärt: sie verschlingen immer noch zuviel Energie bei der Produktion. Und seit das Öl ernsthaft knapp ist, kommen die Hersteller nicht mehr hinterher. Dass die Preise deutlich gestiegen sind, weißt du ja bestimmt."

"Klar, das Gejammer der Kunden muss ich mir täglich anhören. Und wie sieht es mit den besonders dünnen Zellen aus?"

"Die sind natürlich besser, aber das reicht bei weitem nicht aus, um den Weltmarkt zu befriedigen. Du musst die ganzen Kunden vertrösten, gell? Mit dir möchte ich echt nicht tauschen."

"Auf die Vertrösterei könnte ich auch gut verzichten. Aber immer noch besser als ohne Job dastehen."

"Stimmt auch wieder."

Nachdenklich schlürfte Alice ihren Kaffee. Oh je, gleich wieder mit den schimpfenden Kunden telefonieren. Mich graust es! Was ist da nur schief gegangen? Dabei sind Solarzellen doch so eine tolle Sache. Aber kaum wurde das Öl knapp, gab es nur noch Probleme mit der Lieferung der Fotovoltaik. Selbst hier in der Kantine wird inzwischen auf die Festbeleuchtung verzichtet. Richtig duster ist es hier, trotz Frühling.

Als sie wieder an ihrem Schreibtisch saß, holte Alice zehn mal tief Luft, bevor sie die Nummer des nächsten Kunden wählte. Dann imaginierte sie eine Schutzglocke um sich herum, die selbst durch den Frust der Kunden nicht gestört werden konnte. Ein wenig hilft das ja, aber meistens reicht es nicht. Diesmal soll es reichen. Ich bin unverwundbar. Locker und voller Verständnis bewältige ich die Kundentelefonate.

"Ich habe mich aber voll auf die Lieferung der Solarmodule verlassen. Wir brauchen sie ganz dringend. Hier steht alles still!"

So und ähnlich empörten sich die meisten der Kunden. Alice konnte dem nur freundliche Worte entgegen setzen. Ihr einziger Trumpf war die Tatsache, dass es weltweit die gleichen Probleme gab. Nirgendwo gab es genügend Fotovoltaik-Zellen, das stand sogar in den Zeitungen. Nur ein Viertel der Kunden wird wirklich unfreundlich. Die anderen sind eigentlich sehr verständnisvoll. Das sollte ich anerkennen. Wenn es doch nur nicht so schwer fallen würde.

Endlich waren die aktuellen Kunden durchtelefoniert. Zeit für den Feierabend. Alice fühlte sich wie ausgewrungen. Nichts wie nach Hause. Dieser Job macht mich völlig fertig. Dabei habe ich es noch so viel besser als die meisten anderen.

Kühle erwartete sie in ihrem Appartement. Für März war es deutlich zu kalt, aber seit das Thermometer keine Minusgrade mehr anzeigte, hatte Alice ihre Heizung ausgeschaltet. Mollige Wärme war inzwischen unbezahlbar. Mit einer dicken Strickjacke kuschelte sich Alice in die Kochnische und wartete bis ihr Süppchen aufgewärmt war. Um möglichst viel Wärme aus der Suppe zu ziehen, fügte Alice eine große Prise Cayennepfeffer hinzu. Die Schärfe verbrannte zwar fast ihren Mund, wärmte aber kräftig von innen.

So sieht also das Leben der heutigen Erfolgsmenschen aus: Ganztags Kunden vertrösten und abends Aufwärmen mit scharfen Suppen. All die anderen haben nicht mal Kunden und bestimmt fehlt ihnen auch die Schärfe für die Suppe. Und ich dachte noch, ich hätte das große Los gezogen, als ich die Stelle bei der Solarfirma bekam. Dass es auch dort so massive Probleme gibt, hätte ich echt nicht erwartet. Gibt es überhaupt noch erfolgreiche Nischen in dieser abstürzenden Welt?

Das Klingeln des Telefons riss Alice aus ihren schwermütigen Gedanken. Sie ließ es klingeln und wartete bis der Anrufbeantworter seine Pflicht übernahm. Nach ihrer Ansage hörte sie, wie ihre Mutter sich meldete.

"Hallo Alice! Schade, dass du nicht da bist. Bitte ruf uns mal an. Wir haben leider massive Sorgen und brauchen dringend deine Hilfe."

Alice stürzte ans Telefon und nahm den Hörer ab.

"Hallo Mami, was gibt's? Ihr habt ernsthafte Probleme?"

Peakoil Reloaded

Wenn der Wüste das Öl ausgeht. Der kommende Ölschock in Saudi-Arabien - Chancen und Risiken
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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