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Peakoil Reloaded

Kapitel 4


  
"Solarzellen sind zur Zeit leider weltweit knapp. Wir werden Sie informieren, sobald es wieder welche gibt."

Immer das Gleiche. Wie leid ich diese Vertröstungen bin. Wieviel lieber würde ich Tag und Nacht arbeiten und Solarpanele ausliefern. Was solls? Der Grabgabel hier muss ich wenigstens nicht absagen.

"Was war denn das?" Alices Vater war näher gekommen.

"Nur ein geschäftliches Telefonat. Ich musste versprechen, manche Anrufe entgegen zu nehmen, um Urlaub zu bekommen."

"Könnt ihr etwa auch nicht liefern?"

"Du hast viel zu gute Ohren. Ja, die Nachfrage ist so groß, dass wir nicht liefern können. Aber erzähl das bloß nicht Mami, sonst macht die sich nur unnötige Sorgen."

"Aber sonst ist alles in Ordnung bei dir?"

"Ja klar, auch du brauchst dir keine Sorgen machen."

"Wenn du Probleme haben solltest, sind wir immer für dich da. Das weißt du ja bestimmt."

"Ja, das weiß ich und ich bin froh darüber. Lass uns weiter umgraben."

Das Graben geht ganz schön in den Rücken. Da nützt auch das ganze Fahrradtraining nichts. Hoffentlich halte ich noch ne Weile durch. Wie winzig das Stück erst ist, das wir geschafft haben. Und wie viel Rasen noch auf uns wartet. Das schaffen wir nie übers Wochenende.

Nach und nach wurde Alice langsamer mit dem Graben und musste sich immer wieder aufrichten, um ihren Rücken zu entspannen. Schließlich hatte ihr Vater sie trotz seiner Atemprobleme wieder eingeholt. Immer wieder standen beide da, auf ihre Grabgabeln gestützt und grinsten sich verlegen an.

"Lass uns Schluss machen. Für heute hat es keinen Zweck mehr und morgen ist auch noch ein Tag", schlug Alices Vater vor.

"Du hast wohl Recht. Immerhin haben wir schon was geschafft."

"Für die Frühkartoffeln reicht es schon. Und die anderen Kartoffeln kommen sowieso erst nach den Frösten in den Boden."

"Schade, dass ich soweit weg wohne, sonst könnte ich öfters mal beim Umgraben helfen."

"Stimmt! Lass uns reingehen. Deine Mutter hat bestimmt einen Kuchen für uns."

Alice duschte sich den Schweiß vom Körper, dann ging sie in die Tankstelle, wo ihre Mutter an der Kasse stand. Kunden waren nicht zu sehen. Die Mutter griff nach ihrem Piepser, der sich melden würde, falls Kunden kämen und folgte Alice ins Wohnhaus. Dort servierte sie einen leckeren Erdbeerkuchen. Alice lief das Wasser im Mund zusammen. Wie erhofft, hatte sich ihre Mutter mit dem Kuchen mal wieder selbst übertroffen.

Nach dem Kuchenessen legte sich Alices Vater zu einem Mittagschläfchen hin und Alices Mutter schaute nachdenklich von der Tankstelle zur Küche.

"Soll ich für eine Weile die Tankstelle übernehmen, damit du Zeit für die Küche hast? Ich glaube, ich weiß noch, wie es geht."

"Oh, das wäre wunderbar."

Also setzte sich Alice hinter die Kasse und wartete auf Kundschaft. Sie bewegte ihren Rücken hin und her, um ihn zu lockern und freute sich, dass sie sich nicht mehr bücken musste. Trotz der Pausen, die sie beim Umgraben gemacht hatte, befürchtete sie einen fürchterlichen Muskelkater. Nach einer Weile stand sie auf und ging in dem kleinen Tankstellenladen umher, um zu sehen, wie sich das Angebot verändert hatte. Im Vergleich zu früher gab es mehr Artikel des täglichen Bedarfs und Nahrungsmittel. Die Tankstelle war zu einer Art Tante Emma Laden geworden, wie so viele Tankstellen in den letzten Jahren. Sogar eine Backecke hatten ihre Eltern eingebaut.

Sie versuchen echt mit allen Mitteln, auch unabhängig vom Sprit Geld zu verdienen. Schade, dass es trotzdem so schwer fällt.

Als sie nach draußen schaute, sah Alice einen unbekannten jungen Mann auf den Laden zu kommen. Die Ladenklingel schlug an, als er die Tür öffnete.

"Guten Tag! Wie sieht's denn heute mit Diesel aus?"

"Guten Tag! Leider kann ich Ihnen heute keinen Kraftstoff anbieten. Kann ich Ihnen mit etwas anderem behilflich sein?"

"Schon wieder kein Sprit! Ist denn absehbar, wann es wieder welchen gibt?"

Das gibt's doch nicht: überall wo ich hinkomme, muss ich Leute vertrösten, weil ich nicht liefern kann. Ob das wohl mein Schicksal ist?

"Wir hoffen jeden Tag auf eine Lieferung, aber es dauert länger als erhofft."

"Das merk ich! Mein Trecker hat Durst und mein Rücken tut schon ganz weh vom Umgraben."

"Von einem schmerzenden Rücken kann ich auch ein Lied singen. Gerade heute habe ich umgegraben, bis der Rücken kracht. Sie sind aber nicht von hier, oder?"

"Das hört man wohl deutlich raus? Ich bin aus dem Norden hergezogen und bewirtschafte im Nachbarort einen ehemals verlassenen Hof."

"Sie meinen doch nicht etwa den alten Hippie-Hof?"

"Doch, so könnte man ihn wohl nennen. Aber wir sind keine Hippies, das möchte ich betonen."

"Sie sehen auch gar nicht wie ein Hippie aus", eher wie ein wütender Städter, der kurz vor der Verzweiflung steht, weil sein Trecker nicht brummt. "Wie kann ich Ihnen denn sonst eine Freude machen?"

Der junge Mann warf Alice einen grimmigen Blick zu, doch dann schaute er sich um und fing an zu schnuppern.

"Es riecht hier so lecker."

"Sie meinen bestimmt unser Baguette. Frisch gebacken!"

"Packen Sie mir so eins ein. Meine Frau wird sich darüber freuen. Und haben Sie auch was für den kleinen Hunger zwischendurch?"

"Da könnte ich Ihnen ein Sandwichbrötchen anbieten, wahlweise mit Käse, Salami oder Schinken. Und wie wärs mit einem Kaffee?"

"Gute Idee! Ich nehme eins mit Salami und den Kaffee gönne ich mir auch."

Alice legte ein Salamisandwich auf einen Teller und eine Serviette daneben. "Hier schon mal das Sandwich. Sie können es sich dort an dem Stehtisch gemütlich machen. Der Kaffee kommt gleich."

Da genehmige ich mir doch auch einen Kaffee und stelle mich dazu. Der Typ scheint nett zu sein, auch wenn er ziemlich zornig hier rein kam. Mit einem Röcheln schoss der Kaffee in die Tassen. Der Kaffeeduft mischte sich unter den Baguettegeruch, sodass es wie in einer Bäckerei duftete. Alice trug die beiden Tassen an den Stehtisch.

"So, hier ist der Kaffee. Wie sind Sie denn dazu gekommen, den alten Hof zu übernehmen. Sie sind doch nicht etwa der Sohn der alten Frau Wagner, denn der sah früher völlig anders aus."

"Nein, der bin ich nicht. Sie kennen sich aber gut hier aus. Dabei habe ich Sie hier bisher noch nie gesehen."

"Normalerweise arbeite ich in Stuttgart, aber jetzt besuche ich gerade meine Eltern."

"Das erklärt ihre verständliche Sprache. Es ist ganz erleichternd, mal mit jemand Einheimischen zu sprechen, den ich verstehe. Ein bisschen klingen Sie auch wie Frau Wagner und die kam ursprünglich aus Stuttgart, habe ich gehört."

"Die Frau Wagner kennen Sie also?"

"Ja klar, die habe ich in meiner alten Heimat kennengelernt. Und weil es ihr um den verlassenen Hof so leid tat, hat sie ihn mir anvertraut."

"Klingt ja interessant und vor allem sehr mutig. Den Sprung von der Stadt aufs Land und dann gleich noch mit eigenem Bauernhof stelle ich mir recht abenteuerlich vor."

"Da sprechen Sie ein wahres Wort gelassen aus. Es macht Freude, strengt aber höllisch an. An was man da alles denken muss."

"Das glaube ich Ihnen gerne. Ich bin zwar hier aufgewachsen, hätte aber meine liebe Not, auch nur einen kleinen Gemüsegarten zu betreiben."

"Ich hoffe ja, wir lernen es im Laufe der Zeit. So, jetzt muss ich aber nach Hause, meine Frau wartet bestimmt schon auf mich. Ach, da fällt mir noch ein: könnten Sie mich vielleicht informieren, wenn Sie Diesel bekommen? Dann müsste ich nicht täglich anrufen oder vorbeikommen. Mar... äh, Trautmann ist mein Name. Ich kann Ihnen meine Nummer da lassen."

"Würde ich ja gerne, Herr Trautmann, denn ich kann gut verstehen, wie nervig es ist, täglich nachzufragen. Aber ich fürchte, wenn der Sprit erst mal ankommt, dann ist hier die Hölle los, sodass niemand dran denkt, Sie anzurufen. Außerdem bin ich dann wieder in Stuttgart und kann das leider nicht übernehmen."

"Schade, aber es leuchtet ein, was Sie sagen. Danke für das Sandwich. Es war sehr lecker."

Herr Trautmann bezahlte und schwang sich dann auf sein Fahrrad, das er vor dem Tankstellenladen geparkt hatte. Es zog einen Anhänger, der selbstgebaut wirkte und mit Einkäufen beladen war. Alice sah ihm nachdenklich nach, bis er in der Ferne verschwand. Welch ein Abenteurer! Der wird bestimmt noch schwer zu kämpfen haben, unerfahren wie er ist. Und die Bauern halten ihn wahrscheinlich für einen eingebildeten Fatzke, weil er so gestochen hochdeutsch spricht. Dabei ist er ein netter Kerl und gar nicht hochnäsig. Das Sandwich hat ihn ja gut besänftigt. Am liebsten würde ich auch meinen wütenden Solarzellenkunden Sandwichs anbieten, aber das geht leider schlecht durchs Telefon.

Peakoil Reloaded

Beyond Oil: The View from Hubbert's Peak
von Kenneth S. Deffeyes

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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