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Peakoil Reloaded

Kapitel 23


  
Als die Mittagsgäste satt waren und die Tankstelle verlassen hatten, richtete Alice Mutter drei Portionen für die Familie her und forderte Alice auf, dem Vater Bescheid zu sagen. Alice fand ihren Vater auf dem Kartoffelacker, wo er gegen das wuchernde Unkraut kämpfte. Dann saßen alle drei an einem der Biertische und verzehrten ihr Mittagessen.

"Das ist ja praktisch, wenn ihr das Gleiche esst wie die Gäste. Erspart das doppelt kochen."

"Finde ich auch. Sonst würde ich auch gar nicht alles schaffen. Aber manchmal sind wir auch ausverkauft, dann koche ich abends für uns extra und mittags gibt es nur geschmierte Brote. Oder natürlich, wenn ich uns was Besonderes kochen will."

"Läuft das Geschäft denn immer so gut wie heute?"

"Bei gutem Wetter sind es meistens so viele, manchmal sogar noch mehr. Aber bei Regenwetter bleiben sie lieber daheim."

"Eine tolle Sache, euer Mittagstisch."

"Rettet uns auch den Kopf."

"Und woher bekommt ihr die vielen Zutaten so billig?"

"Getreideprodukte und Nudeln haben wir säckeweise von der Kornmühle gekauft. Ansonsten fährt dein Vater einmal in der Woche mit zusammengekratztem Treibstoff einkaufen. Wir versuchen aber, soviel wie möglich aus eigenem Anbau zu nehmen. Und manches liefern uns auch die Bauern aus der Umgebung. Was mir da gerade einfällt: Jetzt wo du da bist, könnte ich ja vielleicht mal mitfahren zum Einkaufen, denn es ist nicht immer einfach, alles zu erklären, was ich brauche."

"Ja gerne, dann vertrete ich dich solange im Laden."

Nach dem Essen setzte sich Alices Vater in den Laden, froh wirkend, dass er sich von der Buckelei im Garten etwas erholen konnte. Alice ging mit ihrer Mutter ins kühle Haus, um das geerntete Gemüse zum Einkochen zu verarbeiten.

Zuerst kamen die Tomaten dran, die als Tomatensoße in Gläser wandern sollten. Sie wurden kurz in heißes Wasser geworfen, in kaltem Wasser abgeschreckt und dann gepellt. Alice mochte diese Tätigkeit überhaupt nicht, aber sie sah ein, daß Tomatensoße mit Schalenresten nicht akzeptabel war. Als die Tomaten fertig gepellt waren mussten Zwiebeln geschnitten werden, was Alice schon eher behagte, trotz der unvermeidlichen Tränen. Dann wurden die Tomaten aufgesetzt, um stundenlang zu kochen, denn nur so entstand eine besonders leckere Tomatensoße, die es mit ihren italienischen Vettern aufnehmen konnte, behauptete Alices Mutter.

Während der Schnippelei konnte man sich natürlich wunderbar unterhalten.

"Woher hast du eigentlich die vielen Gläser zum Einkochen?"

"Die habe ich in jahrelanger Kleinarbeit gesammelt. In all den letzten Jahren habe ich immer nur ein paar Spezialrezepte eingekocht. Ansonsten habe ich die Gemüse, Marmeladen und Soßen im Supermarkt gekauft, wie andere auch. Aber die Gläser konnte ich einfach nicht wegwerfen, denn ich kenne die horrenden Preise, die man zahlen muss, wenn man solche Gläser speziell zum Einkochen kaufen will. Also habe ich immer die Etiketten abgeweicht und die Gläser gründlich gewaschen. In Kartons habe ich sie im Keller gestapelt. Du ahnst ja nicht, wie oft dein Vater über meine Sammelwut geschimpft hat, aber wenn ich dann auf eventuelle schlechte Zeiten hingewiesen habe, gab er immer Ruhe. Jetzt ist er genauso froh wie ich, dass wir die Gläser haben."

"Das glaube ich gerne. Welch eine Weitsicht du doch besitzt. Ich hab die ganzen Gläser immer weggeschmissen."

"Klar! Milliarden von wunderbaren Gläsern sind so auf den Müll gewandert. Und dazu noch tonnenweise zuviel gekauftes Gemüse und Obst. Mengen, die uns im Winter bitter fehlen werden. Dein Vater ist ja der festen Überzeugung, dass es demnächst ernsthafte Hungerprobleme geben wird."

"Hat er mir schon erzählt. Das kann ich mir ja kaum vorstellen angesichts unserer Erntefülle. Aber es leuchtet ein, was er sagt. Und selbst wenn unser ganzer Keller vollsteht mit Eingemachtem, können wir nicht die ganze Stadt damit ernähren."

"Genau, so denke ich mir das auch. Ich hoffe nur, dass es für uns reicht und für unsere Kunden. Einen Teil geben wir auch an die Armenspeisung in Eichingen ab. Dein Vater kauft immer eine gewisse Menge für die mit ein und auch überschüssiges Gemüse bringen wir denen."

"Das finde ich ja sehr edel."

"Na ja, wenn ich ehrlich bin, dient es hauptsächlich dazu, das Gewissen zu beruhigen. Und um uns die Hungernden hier vom Leib zu halten. Wir nehmen ja schließlich Geld von den Leuten, die hier essen. Da würde ich als ungerecht empfinden, wenn wir die Last der Gratisverköstigung komplett den Leuten vom Trautmann-Hof überlassen. So, jetzt kommen die Gurken dran. Die müssen in handliche Stücke geschnitten werden. Bei den größeren muss man vorher auch die Kerne entfernen."

Alice nahm die erste der zahlreichen Gurken, schälte sie und schnitt sie auf. In der Mitte fand sie schwabbeliges Fruchtfleisch mit Kernen drin und verstand, warum das entfernt werden musste. Bei Salatgurken aus dem Supermarkt sah es in der Mitte anders aus, aber die waren auch kleiner als die Gurken aus dem Garten.

Nach den sauer eingemachten Gurken kamen die Zucchinis dran, die zusammen mit Tomaten und Auberginen zu mediterranem Mischgemüse verkocht wurden. "Ein herrliches Fertigericht im Winter", erwähnte Alices Mutter dazu.

Obwohl die beiden ganze Berge von Gemüse verarbeiteten und die gefüllten Gläser gegen Abend mehrere Arbeitsplatten füllten, blieb ein ganzer Waschkorb voller Zucchinis unverarbeitet.

"Ohje, und morgen gibt es wieder massenweise Gemüse aus dem Garten. Zur Zeit können wir in unserer Ernte fast ertrinken. Diese ganzen Zucchinis sollten wir den Leuten in Eichingen spenden. Mal sehen, wie wir die dort hinbekommen", Alices Mutter wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Am Abend blieb die Tankstelle geöffnet für Gäste, die ein preiswertes Bierchen oder Wein trinken wollten. Alice war überrascht, wie viele Leute kamen und es sich auf den Bierbänken gemütlich machten. Der Vater übernahm den Ausschank.

"Was sagen eigentlich die anderen Kneipen im Ort dazu, dass ihr ihnen Konkurrenz macht?" fragte Alice ihre Mutter.

"Bevor wir damit anfingen, haben zwei Gasthäuser dicht gemacht. Der alte Adler hat keinen Nachfolger gefunden und der Hirschen ist pleite gegangen. Dann gab es keine billige Möglichkeit mehr für die weniger Betuchten. Die kamen dann immer abends zu uns, haben sich Bier gekauft und standen dann vor dem Laden rum. Wie die Penner. Da haben wir dann lieber Sitzgelegenheiten hingestellt und dann wurden es immer mehr Gäste am Abend."

"Ich würde ja gar nicht mehr auswärts trinken gehen, wenn ich kein Geld mehr hätte, aber da sind viele Männer wohl anders. Die versaufen noch den letzten Groschen. Warum habe ich eigentlich gestern nichts davon gemerkt, dass die Tankstelle offen hat?"

"Ausnahmsweise hat uns die Sabine vertreten. Die müsstest du eigentlich noch aus der Schulzeit kennen. War die nicht sogar in deiner Klasse?"

"Sabine? Ja, wart, ich glaube, ich weiß, wen du meinst. Ja, die war in meiner Klasse. Merkwürdig: die werden jetzt wohl wieder meine Welt darstellen. Dabei war ich damals froh, von den ganzen Langweilern wegzukommen. Zumindest hielt ich sie immer für Langweiler."

Bis zum Schlafengehen produzierten Alice und ihre Mutter noch etliche Gläser mit Eingemachtem. Als Alice schließlich gähnend in ihr Zimmer kam, erinnerte sie sich, dass sie ja eigentlich vorgehabt hatte, das Zimmer umzuräumen. Wie schnell der Tag vergangen ist und ich bin zu nix gekommen außer zum Einkochen. Die Erntezeit ist aber bald vorbei und dann finde ich bestimmt mehr Zeit, um mich einzurichten.

Am nächsten Tag nutzten Alices Eltern nachmittags die Gelegenheit, um zu zweit zum Einkaufen zu fahren. Alice setzte sich mit großen Schüsseln voller Buschbohnen vor den Laden und schnitt sie in Stücke während sie die Tankstelle bewachte. Nach einem großen Schwung Mittagsgäste war es sehr ruhig geworden und Alice rechnete kaum mit Kunden.

"Na, wieder im Lande und fleißig am Bohnenschnippeln?" eine Stimme schreckte Alice auf. Da stand, völlig unerwartet, Achim mit Fahrrad und Anhänger.

"Oh, Hallo! Ja, ich lebe jetzt wieder hier. Übrigens bin ich auch mit dem Fahrrad hergezogen, aber meine Anreise war natürlich viel kürzer. Willst du einen Kaffee?" Was erzähle ich denn da für einen Unsinn? Der interessiert sich bestimmt nicht für meine Fahrradtour hier her.

"Kaffee? Eigentlich habe ich ja wenig Zeit, aber einen kleinen Kaffee kann ich kaum ausschlagen."

Alice eilte in den Laden und kam mit einer Tasse Kaffee und ein paar Keksen wieder nach draußen. Warum schlägt mir denn das Herz bis zum Halse? Das ist doch nur ein ganz normaler Kunde.

"Danke! Und wie war das? Du bist per Fahrrad hergezogen? Von Stuttgart aus?"

"Ja, dein Beispiel hat mich inspiriert. Es war eine wunderbare Tour", er interessiert sich doch dafür. Vielleicht war es ja doch nicht so blöd, es zu erwähnen.

"Meine Reise hat mir auch sehr gut gefallen. Und ich war um Wochen vor einem anderen hier, der mit dem Zug gekommen ist. Weswegen ich eigentlich hier bin: wir brauchen demnächst dringend Sprit für den Transport von mehreren Biogasanlagen auf unseren Hof. Wann ist hier denn mal wieder mit einer Lieferung zu rechnen?"

"Oh je, davon habe ich leider keine Ahnung. Wenn, dann weiß mein Vater darüber Bescheid, aber auch der erfährt die Liefertermine wohl meistens erst kurzfristig. Ich werde ihn mal darauf ansprechen. Biogasanlage klingt ja interessant. Soll die Strom produzieren?"

"Finde ich auch super spannend. Die Fundamente stehen großteils schon. Das Gas der Anlagen soll in erster Linie mit einem Spezialverfahren zu einem dieselähnlichen Öl gepresst werden."

"Das ist ja noch viel faszinierender. Dieselähnlich? Dann kann man damit bestimmt Fahrzeuge betreiben?"

"Genau, und Landmaschinen."

"Werdet ihr Überschüsse haben? Ich meine, wir würden eventuelle Überschüsse bestimmt mit Kusshand abnehmen, um unsere Kunden mal wieder beliefern zu können", Alice merkte, wie sie vor lauter Aufregung schneller atmete.

"Das wird sich zeigen, ob was übrig bleibt. In erster Linie wird erst mal unser Trecker betankt. Dann werden die Bauern beliefert, die uns ihre Biomasse ankarren. Und wenn dann noch mehr produziert wird, können wir in Verhandlungen treten."

"Wunderbar! Das wird meinen Vater auch ganz besonders freuen. Schade, dass er gerade nicht da ist. Aber ich werde es ihm erzählen."

"Ok, tu das. Vielleicht kann er ja eine Sonderzuteilung Sprit für uns loseisen, wenn er Hoffnung auf spätere Lieferungen hat. Ich sollte jetzt aber dringend wieder los. Ein Kaffee war eigentlich gar nicht eingeplant", Achim machte Anstalten, sein Fahrrad wieder zu besteigen.

Doch Alice hielt ihn auf: "Ich sehe gerade, du hast noch Platz in deinem Anhänger. Wir haben eine Wanne voll Zucchinis für eure Hungrigen."

"Sehr gut. Immer her damit!"

Alice sprintete in die Küche und trug die Zucchinis nach draußen. Sie passten gerade noch zu den anderen Einkäufen in den Anhänger.

"So ein Anhänger ist ja ne feine Sache. Sollte ich mir auch irgendwann mal anschaffen."

"Ja, ist enorm praktisch. Ohne würde ich kaum klarkommen. Selbstgebaut!"

"Selbstgebaut?! Was du alles kannst! Gute Heimfahrt!"

Achim setzte sich endgültig auf sein Fahrrad, winkte Alice zu und fuhr davon.

Das ist ja wirklich spannend mit der Biogasanlage, die Diesel produziert. Hach, was bin ich aufgeregt.

Peakoil Reloaded

Twilight in the Desert. The Coming Saudi Oil Shock and the World Economy
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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