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Peakoil Reloaded

Kapitel 28


  
Der November kam und mit ihm die typisch nebligen Tage. Kalt und feucht, so dass es einem durch Mark und Bein ging, selbst wenn man halbwegs warm angezogen war. Die neuen Sonnenkollektoren für den Laden waren bei diesem Wetter, wie befürchtet, fast nutzlos. Ohne zwiebelartige Bekleidungsschichten hielt man es im Laden nicht lange aus. Das fanden wohl auch die Kunden, denn bei den Mahlzeiten blieben sie nur solange, wie sie brauchten um das Essen hastig in sich hineinzuschlingen und manche blieben sogar ganz weg.

Nur die Nachfrage nach dem Biomassen-Diesel blieb ungebrochen hoch. Alice tröstete sich, indem sie sich immer wieder bewusst machte, dass der Laden in erster Linie eine Tankstelle und kein Schnellimbiss war. Außerdem würden so ihre Vorräte länger halten.

Als Alice mal wieder ihren zähneklappernden Vater in der Tankstelle ablöste, sprach sie ihn auf die Thematik an.

"Ob wir nicht vielleicht eine Leitung mit warmem Wasser vom Haus in die Tankstelle legen könnten? Warmes Wasser, das wir durch den Holzofen aufheizen lassen und dann für die Heizkörper hier drin verwenden. Auf dem Trautmannhof habe ich so ein Konstrukt gesehen; das funktioniert ganz prima. Etwas Geld könnte ich wohl auch noch locker machen für diesen Zweck."

"Nette Idee! Aber unser Holz reicht kaum, um das Wohnhaus den Winter über erträglich warm zu halten."

"Und wenn wir noch Holz nachkaufen?"

"Alles ausverkauft - weit und breit bekommt man kein Brennholz mehr."

"Und Kohle? Die müsste man doch auch in unserem Ofen verbrennen können."

"Klar kann man das, aber die ist auch überall ausverkauft."

"Vielleicht sollte ich mal versuchen, übers Internet Bezugsquellen für Kohle rauszufinden."

"Tu das. Ich rechne aber kaum mit Erfolgen. Wieso sollte das Internet mehr Kohle haben als die Realität?"

"Leuchtet ein. Ich versuche es aber trotzdem. Fällt dir sonst irgendwas ein, wie wir unseren Laden wärmer kriegen können?"

"Leider nicht. Das einzige, was mir zu dem Thema einfällt ist: warm anziehen."

"Tu ich ja schon. Schau her!" Alice hielt ihre Hände hoch, die trotz Aufenthalt in einem Raum durch fingerlose Handschuhe gewärmt wurden. Die freien Fingerspitzen brauchte sie zum Spinnen.

"Ich weiß meine Liebe. Wenn es ganz arg wird, denk daran, dass irgendwann auch wieder der Frühling kommt."

"Aber erst wird es noch schlimmer. Bisher gibt es ja nicht mal starke Fröste."

"Du hast ja Recht, aber was nützt es zu klagen?"

"Ok, ich will tapfer sein."

Als sie abends wieder im Haus war, setzte sich Alice an ihren Computer und recherchierte nach Kohleanbietern. Bei den meisten stand schon auf deren Webseite in dicken Lettern, dass sie ausverkauft waren. Den Anbietern der Umgebung, bei denen das nicht der Fall war, schrieb Alice eine Email und fragte nach ihrem Angebot. Bei einigen notierte sie sich die Telefonnummer, um am nächsten Tag anzurufen. Viel Hoffnung machte sie sich aber nicht.

Alice wurde aber nicht so richtig klar, warum die deutsche Kohleindustrie die Chance nicht nutzte, um sich wieder zu alter Stärke aufzuschwingen. Angeblich sollte doch noch genügend Kohle im Boden lagern. Sie schrieb eine Email an Annette, erzählte vom Kältefrust und fragte sie, ob sie mehr über die Probleme der Kohleindustrie wusste, denn schließlich lebte Annette im Ruhrgebiet.

Noch am selben Abend erhielt Alice eine Antwort auf ihre Email an Annette. Darin berichtete Annette, dass die Zechen mit großem Aufwand geschlossen und die Stollen teilweise sogar aufgefüllt worden waren. Die Eröffnung einer neuen Zeche dauerte anscheinend sieben bis zehn Jahre, selbst wenn reichlich Geldmittel und Maschinen zur Verfügung standen. Durch den Energie- und Rohstoffmangel konnten jedoch nicht mal die Maschinen in gewünschter Geschwindigkeit bereitgestellt werden. Am schlimmsten wirkte sich jedoch aus, dass die meisten erfahrenen Bergarbeiter alle im hohen Rentenalter waren und kaum junge Fachleute ausgebildet worden waren. Die alten Männer freuten sich zwar, wieder gebraucht zu werden, aber die jungen lernten nur langsam. Außerdem waren nur wenige der Jungen bereit, so eine harte Arbeit anzunehmen.

Die Fördermenge der deutschen Steinkohle war zwar trotz aller Schwierigkeiten im letzten Jahr auf das Doppelte angestiegen, aber da die Importe fast vollständig weggebrochen waren, spürte man nichts von dieser Steigerung. Insgesamt stand deutlich weniger Kohle zur Verfügung.

Als ihr die fatale Situation bewusst wurde, fröstelte Alice gleich noch mehr als zuvor und sie zog sich eine zusätzliche Jacke über. Sie hatte schon so viele Schichten an, dass sie sich kaum noch bewegen konnte, aber frieren wollte sie erst recht nicht. Mit Grausen dachte sie an den kommenden Winter, denn bisher war es ja erst Spätherbst.

Immerhin war Alice mit ihrer Handarbeit inzwischen beim Stricken angekommen, was den Vorteil hatte, dass das fertig gestrickte Wollstück ihren Schoß wärmte. Den Pullover strickte sie bewusst besonders groß, denn bei den vielen Zwiebelschichten konnten die Kleidungsstücke gar nicht weit genug sein. Außerdem war sie sich noch gar nicht sicher, ob der Pullover überhaupt für sie selbst sein sollte, denn eigentlich hatte sie genügend Pullis.

Wenige Tage später kursierte überall die Nachricht von einem stadtnahen Bauernhof bei Freiburg, der von einer Bande geplündert worden war. In aller Eile bereiteten sich die Landbewohner auf die Abwehr ähnlicher Plünderungen vor. Stacheldraht war innerhalb eines Tages überall ausverkauft.

Die Tankstelle schien besonders gefährdet, denn immerhin gab es hier, wenn auch nur manchmal, das begehrteste Gut überhaupt. Alice und ihr Vater demontierten den Stacheldraht, der den Garten schützte, und bauten um die Tankstelle einen Zaun. Tagsüber wurde ein improvisiertes Tor geöffnet und nachts verschlossen. Sie besorgten Bewegungsmelder, die nicht nur Lichter angehen ließen, sondern auch Klingeln im Haus aktivierten.

Bis diese Bewegungsmelder richtig eingestellt waren, klingelte es mehrmals pro Nacht, wenn Katzen über den Hof liefen. In seinem unausgeschlafenen Zorn war Alices Vater einmal kurz davor, die Nachbarkatze zu erschlagen, weil sie ihn immer wieder aus dem Schlaf riss. Im letzten Moment konnte Alice diese Gewalttat verhindern, wurde aber dazu verdonnert, am nächsten Tag die Nachbarn aufzufordern, ihre Katze nachts im Haus zu behalten. Alice zweifelte daran, dass es realistisch war, die Katze nachts einzusperren, denn sie lebte als Hofkatze und war nie im Haus der Nachbarn. Also grübelte Alice über eine Lösung nach, wie man den Katzen den Hof der Tankstelle verleiden konnte, ohne sie erschlagen zu müssen. Kurz vor dem Einschlafen hatte Alice eine Idee.

Am nächsten Tag ging sie in ein Geschäft, das Spielwaren anbot. Dort erstand sie eine große Wasserpistole, denn sie wusste, dass Katzen kaltes Wasser nicht mochten. In den nächsten Nächten übernahm Alice das Aufstehen, wenn die Alarmklingel losging und spritzte die Katzen nass, so oft sie sie erwischte. Nach ein paar Tagen kamen die Katzen seltener und die Laune von Alices Vater besserte sich wieder.

Menschliche Plünderer ließen sich aber nicht blicken.

Dennoch kauften Alice und ihr Vater ein paar Paletten voller Steine, um eine Mauer um die Tankstelle zu ziehen. Denn auf Dauer hielt Alices Vater eine Mauer mit Stacheldraht auf der Mauerkrone für eine sicherere Lösung als einen reinen Drahtzaun.

An frostfreien Tagen lernte Alice jetzt also das Mauern von ihrem Vater, der es schon vorher leidlich gekonnt hatte. Nachdem sie den Bogen erstmal raus hatte, fand Alice das Mauern recht einfach und die Mauer zog sich bald um das gesamte Grundstück.

Peakoil Reloaded

Wenn der Wüste das Öl ausgeht. Der kommende Ölschock in Saudi-Arabien - Chancen und Risiken
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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