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Vollautomatisch

Kapitel 11


  
"Krksiex - meine Kehle fühlt sich an wie ein Reibeisen. Was mach ich nur dagegen?"

"Das geht jedem so, spätestens am ersten Freitag. Aber bei den meisten vergeht das wieder."

"Und wenn es nicht vergeht?"

"Tja, dann bist du natürlich unbrauchbar für den Job und hast dann eben nur den kleinen Stimmmustersatz geschafft. Manchmal kommt das vor, aber selten."

"Wie krieg ich die Heiserkeit denn bloß weg?"

"Im Aufenthaltsraum haben wir Salbei-Bonbons. Rauchen solltest du natürlich erstmal auch nicht. Und gurgeln, wenig sprechen, später Stimmbandlockerung. Der Computer wird dir noch Details verraten. Er ist darauf vorbereitet."

"Dann bin ich ja beruhigt, wenn er darauf vorbereitet ist. Warum hat mir denn niemand was gesagt?"

"Die Stimmübungen am Morgen dienen doch hauptsächlich dem Zweck, dass die Stimme möglichst gut durchhält. Glaubst du, wir würden sonst dieses alberne mimimi machen? Aber ein bisschen Verkrampfung bleibt fast immer und das rächt sich dann eben nach ein paar Tagen."

"Na, prima! Aber ich werde tapfer gurgeln, damit ich am Montag wieder eine samtene Stimme habe."

"Richtig so!"

Hoffentlich klappt das auch wirklich. Das wäre ein schöner Mist, wenn ich den neuen Job schon nach einer Woche wieder los wäre. Er ist zwar etwas eintönig, aber insgesamt macht er mir fast ein bisschen Spaß. Und wenn ich durchhalte, verdiene ich sogar ganz brauchbar. Auch die Tantiemen später sollte ich nicht unterschätzen. Ich muss die Stimme einfach wieder hinkriegen - unbedingt!

Julianes Arbeitscomputer merkte sofort bei der Begrüßung, dass sie heiser war. Wie angekündigt, gab er Juliane Tipps, wie sie der Heiserkeit am besten Herr werden würde. Anschließend schickte er sie ins Wochenende. Auf dem Weg nach Hause ging Juliane in einer Apotheke vorbei und kaufte sich Gurgelmittel.

In ihrer Kochecke wärmte sich Juliane eine heiße Milch mit Honig und setzte sich damit gemütlich vor ihren heimatlichen Bildschirm.

Ständig habe ich es mit Bildschirmen zu tun. Selbst bei der Arbeit sehe ich nur mittags echte Menschen. Aber ansonsten ist die Arbeit ziemlich in Ordnung. Eigentlich wäre es ja nett gewesen, jetzt am Wochenende mal wieder unter die Leute zu gehen. Diesen Thomas von der Party würde ich ganz gern mal wieder sehen - aber bei dem habe ich mich so dämlich benommen, dass ich es lieber bleiben lasse. Und Susanne rufe ich auch besser nicht an, denn mit der quatsche ich mir sonst nur die Kehle wund. Wie schön, dass man bei World 3000 nicht viel sprechen muss, wenn man nicht will.

Gleich nachdem sie ihre heiße Milch mit Honig ausgetrunken hatte, setzte Juliane ihr Headset auf und betrat die Mittelalterwelt.

Was für ein Gegner! Der ist anders als die anderen. Gewandter, schneller - viel schneller. Verflixt, jetzt hat er mich am Oberarm erwischt. Und wie der kleine Gabriel schreit - so voller Entsetzen. Ich muss die Deckung dieses Kampfteufels durchbrechen, sonst habe ich keine Chance. Ja, jetzt! Puh, das war knapp!

"Wacker geschlagen, Mestra Julia! Der Bursche war wirklich gefährlich. Fast hätte er Gabriel erwischt."

"Das war Sir Adrian, ich habe ihn genau erkannt. Ob er der Verräter war, der uns zur Flucht gezwungen hat?" Gabriel fand schnell seine Sprache wieder.

"Bist du dir sicher, dass es Sir Adrian war? Ja, wahrscheinlich schon. Du hast ihn schließlich gut gekannt", Rufus runzelte die Stirn.

"Er war mein Hauslehrer. Tag für Tag habe ich mit ihm verbracht. Und jetzt liegt er hier und das Blut läuft aus seinem Körper. Dass er mir nach dem Leben trachtet, hätte ich nie gedacht."

Tränen traten in Gabriels Augen. Er starrte fassungslos auf seinen toten Hauslehrer. Juliane steckte ihr Schwert ein und legte tröstend einen Arm um den Jungen.

"Ihr blutet ja, Mestra Julia."

"Das ist nur ein Kratzer, tut kaum weh."

"Aber es tropft!"

"Der Junge hat recht. Du solltest den Arm verbinden lassen. Gnardik ist recht geschickt dabei. Ich übernehme solange hier."

Juliane löste sich von Gabriel und schlug die Richtung ein, in die Rufus beim Namen "Gnardik" geblickt hatte. Unterwegs wurde ihr schummerig zumute und bis sie bei Gnardiks Pferd angekommen war, fing ihr Oberarm an, weh zu tun. Oh je, bloß nicht ohnmächtig werden. Sie lehnte sich gegen das Pferd, um aufrecht stehen bleiben zu können.

"Na Julia, hat er dich erwischt? Ich hole gleich mal das Verbandszeug. Hoppla, du bist ja ganz bleich. Setz dich besser auf den Boden. Ja, so ist besser. Und steck den Kopf zwischen die Knie."

Juliane gehorchte. Langsam verlor sich das Schwindelgefühl.

"So, jetzt leg dich hier auf die Decke, die ich ausgebreitet habe, damit du mir nicht umkippst beim Verbinden."

Wie peinlich! Nicht mal einen Kratzer kann ich mir verbinden lassen, ohne dass ich schwach werde. Aber Gnardik hat wohl recht. Besser ist es, wenn ich mich hinlege.

"Ein glatter Schnitt, aber ordentlich tief. Erstaunlich, dass du damit weiterkämpfen konntest. Den werde ich nähen müssen. Wird wohl etwas pieksen."

Es piekste - und zwar stark. Juliane atmete scharf aus, als der erste Stich sie durchfuhr. Beim zweiten Stich war sie schon darauf vorbereitet, daher ertrug sie ihn besser. Aber sie war sehr froh, als Gnardik nach einer Weile fertig war. Er wickelte noch einen strammen Verband um ihren Oberarm, dann schien er zufrieden.

"So Mädel, nimm noch einen Schluck aus der Pulle, damit du wieder zu Kräften kommst. Wir müssen bald weiter."

Juliane setzte sich auf und griff nach der Feldflasche, die Gnardik ihr reichte. Fast hätte sie den ersten Schluck wieder ausgespien, so stark war der Schnaps. Aber sie spürte, dass er sie belebte, darum nahm sie noch einen Schluck.

Der Arm tat inzwischen höllisch weh, aber der Schwindel war vergangen. Vorsichtig stand sie wieder auf. Ihre Beine fühlten sich etwas wackelig an, aber ansonsten fühlte sie sich stark genug zu reiten. Das Aufsteigen aufs Pferd fiel ihr schwer und Juliane war erleichtert als sie endlich oben saß. Als das Pferd loszuckelte, konnte sie sich allmählich entspannen.

Wie gut, dass die Kutsche uns bremst. Einen gestreckten Galopp würde ich jetzt wohl nicht durchstehen. Rätselhafte Geschichte mit diesem Sir Adrian. Welches Händlerkind hat schon einen Sir als Hauslehrer? Selbst Juweliere dürften nicht in diesen Genuss kommen. Und warum wollte der Hauslehrer Gabriel töten? Als "Verräter" hat Gabriel ihn bezeichnet. Zu gerne würde ich ja wissen, wer unsere Reisenden wirklich sind.

Gegen Mittag hielten sie an, um zu essen. Der Koch unter den Wächtern bereitete wie immer die Mahlzeit vor, während die meisten der anderen Männer nach Brennholz suchten. Juliane beteiligte sich diesmal nicht an der Brennholzsuche, weil sie durch den schmerzenden Arm in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Stattdessen setzte sie sich auf einen großen Stein und polierte ihr Schwert mit dem unverletzten Arm. Durch die vielen Kämpfe hatte das Schwert schon ein paar winzige Scharten bekommen, es war aber nach wie vor sehr scharf.

Nach einer Weile setzte sich Gabriel zu ihr und betrachtete Juliane beim Polieren.

"Es tut mir leid, dass Sir Adrian Euch verletzt hat. Tut es sehr weh?"

"Das braucht dir nicht leid tun, denn das Kämpfen ist schließlich mein Beruf. Der Arm schmerzt tatsächlich ziemlich, aber ich denke, er wird gut verheilen."

"Ihr kämpft sehr gut. Ich wünschte, Ihr wärt früher zu Hause meine Kampflehrerin gewesen. Mit graute vor dem Kampflehrer, den ich hatte."

"Du hattest zu Hause sogar einen Kampflehrer? In deinem Alter?"

"Mein Vater fand es sinnvoll und auch der Rat beschloss, dass ich möglichst früh eine umfassende Ausbildung benötige, um meiner späteren Aufgabe gerecht werden zu können."

"Damit du später ein guter König wirst?"

"Genau!" Gabriel erbleichte schlagartig, als ihm klar wurde, was er zugegeben hatte. "Woher wisst Ihr davon?"

"Ich habe es mir von Anfang an gedacht. Aber keine Sorge: das Geheimnis bleibt unter uns. Offiziell bist du weiterhin Gabriel der Juwelierssohn für mich."

"Gut, dass Ihr schweigen werdet. Meine Mutter wäre sehr verägert, wenn sie es erführe."

"Und? Wie fühlt man sich so auf der Flucht?"

"Nun, es ist wirklich merkwürdig, denn so Manches an dieser Reise gefällt mir gut. Zuhause habe ich kaum etwas anderes zu sehen bekommen als unseren Palast, und selbst von dem nur einige Räume und den Hof. Na ja, von behüteten Ausritten mal abgesehen, aber die sind in letzter Zeit ausgefallen, wegen der Überfälle. Jetzt sehe ich wenigstens mal etwas von der Welt. Das ist erheblich aufregender als zu Hause. Am liebsten würde ich mit euch reiten, anstatt immer in der Kutsche zu sitzen. Aber das würde meine Mutter nie erlauben."

"Tja, für einen Knappen bist du noch zu jung. Aber vielleicht fällt uns ja noch was anderes für dich ein."

"Manchmal beneide ich die Jungs auf der Straße. Die haben zwar ein hartes Leben und müssen auch in meinem Alter schon arbeiten, aber sie werden wenigstens ernstgenommen. Vor allem werden sie nicht ständig von einer Kinderfrau betüddelt."

"Mir ist gar nicht aufgefallen, dass es dich stört, wie ein Kind behandelt zu werden."

"Normalerweise bin ich ja auch ein artiger Junge, meine Mutter hat schließlich genug Sorgen. Außerdem ist Betty eine liebe Frau. Warum sollte ich sie ärgern?"

"Stimmt. So ist es auch leichter für alle Beteiligten."

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Künstliche Intelligenz
von Günter Görz, Bernhard Nebel

Die Virenjägerin
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Vollautomatisch
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208 Seiten
ISBN 3-938764-01-5

Preis: 14.80 Euro

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