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Vollautomatisch

Kapitel 27


  
"Es lebe die Freiheit!" gröhlten all die anderen Männer.

"Du wolltest doch bestimmt auch mehr Freiheit, Kleine, oder warum bist du aus der Stadt geflohen?" fragte einer der Männer und blickte Juliane eindringlich in die Augen.

"Ja, klar. Ich wollte mehr Freiheit und habe mich in den Schwarmhäusern nicht wohl gefühlt."

"Siehste! Wusst ichs doch! Wir alle hier lieben die Freiheit", dabei stieß er seinen Humpen erneut mit denen seiner Kumpels zusammen und gröhlte ein lautes "Prost!"

"Wovon lebt ihr hier eigentlich? Von der Landwirtschaft?"

"Tja, also. Ja, man könnte sagen, wir leben von der Landwirtschaft. Wir haben eine Maschine, die das alles für uns erledigt."

"Das ist natürlich praktisch. Die Maschine erledigt die komplette Landwirtschaft? Das muss ja ein Multitalent sein."

"Nicht ganz. Sie kann Getreide und andere Feldfrüchte anbauen. Die Überschüsse tauschen wir dann gegen unseren anderen Bedarf ein", der Mann schien sich verschluckt zu haben und hustete.

"Wenn sie mal funktioniert", warf ein anderer ein und klopfte seinem Vorredner auf die Rücken.

"Letztes Jahr hat sie es doch ganz gut hingekriegt und für diese Saison bräuchte ich mal Hilfe bei der Reparatur."

"Gut nennst du das?"

Der erste Sprecher warf dem Skeptiker einen scharfen Blick zu und sagte: "Doch, doch, wir kommen ganz gut hin mit unserer Landwirtschaft." Dabei warf er einen beschwörenden Blick in die Runde, woraufhin alle nickten.

"Lasst uns noch einen trinken!"

Dieser Vorschlag wurde gerne aufgenommen. Der Mann, der dem Fass am nächsten saß, füllte alle Humpen wieder auf. Auch Julianes Trinkgefäß wurde wieder gefüllt und sie fühlte sich fast genötigt noch mehr von dem Gebräu zu trinken. Da sie den ganzen Tag noch nichts Richtiges gegessen hatte, stieg ihr der Alkohol schnell in den Kopf und brannte wie Feuer in ihrem Magen.

"Wann Berta wohl das Essen fertig hat?" brummte einer der Männer, als hätte er Julianes Magen knurren gehört.

"Die lahme Kuh! Immer braucht sie so lange für ihren Fraß", meckerte ein Anderer.

"Ich würde gerne beim Kochen helfen", warf Juliane ein, froh über eine Chance der Männerbande zu entkommen.

"Gute Idee, Kleine. Braves Frauchen! So lob ich mir das! Da hinten um die Ecke findest du die Küche."

Erleichtert packte Juliane ihren Rucksack und folgte der Richtungsanweisung des Mannes. Hoffentlich ist die Frau etwas zivilisierter. Sie schickte ein Stoßgebet gen Himmel während sie die Küchentür öffnete. In der verrauchten Küche hantierte eine grauhaarige Frau fluchend mit dem Holzherd.

"Hallo! Brauchen Sie Hilfe beim Kochen?" fragte Juliane zaghaft.

Die Frau drehte sich langsam um und grinste dann über beide Wange, wobei sie eine Reihe von Zahnlücken entblößte.

"Haben sie dich auch zur Küchenarbeit verdonnert, die Halunken?"

"Nein, ich wollte freiwillig mithelfen, um mich nützlich zu machen."

"Brav meine Kleine, so isses recht. Du kannst hier erst mal den Ofen anschüren und dann kannst du mir beim Gemüseschnippeln helfen", dabei kicherte die Alte und zündete sich eine selbstgedrehte Zigarette an, die sie hinter ihrem Ohr hervorzog.

Oh je, ich habe noch nie so einen Küchenofen angeschürt, außer natürlich in World 3000. Ob das in Echt genau so funktioniert? Selbst die Frau namens Berta hatte ja anscheinend Probleme damit. Argwöhnisch beäugte Juliane den Holzherd. Schnell erkannte sie, dass das Gefäß für die Asche randvoll war. Ob Berta wohl deshalb geflucht hat? Egal, auf jeden Fall muss ich das erst Mal ausleeren.

"Wo kann ich die Asche hinleeren?"

"Da hinten ist ein Eimer, aber der muss vorher noch geleert werden. Draußen, hinter der Küche ist ein Misthaufen. Da kann auch die Asche drauf. Und auf der anderen Seite ist der Holzstapel. Von dort kannst du gleich einen Arm voll Holz mitbringen", dabei deutete Berta auf einen Hintereingang.

"Ok."

Juliane packte den Eimer und verließ die Küche durch den Hintereingang. Den Misthaufen konnte sie gleich riechen, daher hatte sie kein Problem damit, ihn zu finden. Sie leerte den Ascheimer an einer Stelle, wo sie schon Asche entdeckte und blickte sich dann nach dem Holzstapel um. Dieser lehnte am Haus unter dem vorstehenden Dach. Juliane packte einige Holzscheite in den Eimer und nahm weitere unter den Arm. So bepackt betrat sie wieder die Küche.

Der Aschebehälter des Küchenofens war so voll, dass sie zwei Eimer damit füllen konnte. Nach weiteren Runden in den Hinterhof hatte Juliane einen ansehnlichen Holzstapel neben dem Ofen aufgestapelt. Etwas ratlos blickte sie sich nach Kleinholz oder Papier um, damit sie das Feuer anzünden konnte.

"Da in der Ecke findest du Pappe. Damit musst du auskommen, was anderes haben wir nicht da", anscheinend hatte Berta Juliane scharf beobachtet, denn die Information kam wie aus der Pistole geschossen.

Juliane legte kleingerissene Pappe in den Ofen und darüber die dünnsten Holzscheite, die sie finden konnte. Berta reichte ihr ein Feuerzeug. Gespannt entzündete Juliane die Pappe, die kurz aufflammte, dann aber wieder erlosch.

"Du musst länger zündeln. Dabei verbrennt man sich zwar fast die Finger, aber sonst wird das nix. Ohne Papier ist das Anzünden nicht so einfach."

Vorsichtig startete Juliane den nächsten Versuch und wie angekündigt versengte sie sich die Finger. Aber das Feuer brannte. Schüttelnd versuchte Juliane ihre Fingerspitzen zu kühlen.

"Hier du Dummchen. Tauch die Pfote in das Wasser, wenn du dich verbrannt hast. Hast wohl nicht sehr viel Erfahrung mit Holzöfen."

"Danke!" erleichtert folgte Juliane dem Ratschlag und tauchte ihre Finger in das kalte Wasser des angebotenen Topfes. Nach kurzer Zeit fühlten sich die Fingerspitzen wieder besser an. "Ja stimmt, bisher habe ich nur in Computerspielen Öfen angezündet, aber noch nie in Echt."

"Na das wird schon noch. Hier muss man täglich Feuer schüren. Und weil die Kerle so faule Säcke sind, auch noch in der Wirtstube."

"Wo sind eigentlich die anderen Frauen?"

"Welche anderen Frauen? Die, die mal da waren, sind schon lange abgehauen. Aber ich komme nicht von meinem Tobias los, obwohl er gar kein netter Zeitgenosse ist. Tja, wo die Liebe hinfällt", dabei kicherte sie in sich hinein. "Und das, obwohl er mich letztes Jahr am liebsten durch eine Jüngere ersetzt hätte. Mit meinen fast vierzig Jahren bin ich ihm wohl nicht mehr knusprig genug. Also merk dir gleich: der Tobias gehört mir! Lass bloß die Finger von ihm!"

"Ja, gerne lass ich die Finger von Tobias. Keine Sorge!"

Berta ist noch nicht mal vierzig? Nicht zu fassen! Ich hätte sie auf siebzig geschätzt oder wenigstens auf sechzig. Was ist hier denn los? So ein Ökodorf hatte ich mir ganz anders vorgestellt.

Beim Zubereiten des Eintopfes besserte sich Julianes Laune etwas. Das Gemüse war zwar alt, was im Frühling wohl kein Wunder war, aber ansonsten erinnerte sie die Situation ein wenig an das Kochen im Schwarmhaus. Schmerzlich vermisste sie Hedwigs klare Fröhlichkeit. Berta erzählte ihr hingegen eine Schauergeschichte über das Dorf nach dem anderen. Bis alles Gemüse geschnitten waren, konnte sich Juliane schon ein ziemlich klares Bild über das Leben im Dorf machen. Dass sich die Dörfler mithilfe ihrer Landwirtschaftsmaschine und Tauschhandel ernährten, stimmte zwar in gewisser Weise, aber die Männer schreckten auch nicht vor kleineren Raubzügen zurück und waren daher bei allen seriösen Landwirten in der Umgebung gefürchtet.

Als der Eintopf fertig war, wurde er von den Männern mit großem Hallo begrüßt, doch nach den ersten Bissen fingen sie an zu meckern, denn ihnen fehlte eine Fleischeinlage.

"Wir haben kein Fleisch mehr im Haus. Nicht mal mehr den popeligsten Bauchspeck", verteidigte Berta ihre Kochkunst.

"Dann müssen wir wohl mal wieder auf die Jagd gehen", antwortete der Mann, der anscheinend Tobias war und schlug sich grinsend auf die Schenkel. Seine Kumpels tauschten Blicke mit Verschwörermiene.

Was das wohl für eine Jagd sein mag? Von Stunde zu Stunde fühlte sich Juliane unwohler bei den Dorfbewohnern. Den Eintopf aß sie dennoch mit Genuss, denn er war das Beste, was sie in den letzten Tagen in den Bauch bekommen hatte. Weitere Humpen mit dem unsäglichen Weingebräu wurden ihr aufgenötigt, bis ihr ganz schummrig zumute war.

Zu später Stunde zogen sich die Männer torkelnd in ihre Privaträume zurück. Juliane fragte Hansi, der noch auf war, wo sie am besten nächtigen könne.

"Du kannst da hinten im Alkoven schlafen. Das ist sozusagen unser Gästezimmer."

"Sehr gut, danke!"

Juliane betrachtete den Alkoven und war froh, dass sie über einen guten Schlafsack verfügte. Sie rollte ihn aus und stellte den Rucksack in eine Ecke neben sich, obwohl die Fläche zum Schlafen dadurch ziemlich eng wurde. Dann legte sie sich hin, wünschte den in der Schankstube verbliebenen Männern eine gute Nacht und zog die Vorhänge zu, die der Alkoven glücklicherweise besaß. Durch ein Mottenloch im Stoff konnte sie auf dei Runde der Saufbrüder schauen. Doch sie war so müde und angetrunken, dass ihr die Augen bald zu fielen. So lag sie eine Weile im Halbschlaf da und lauschte dem Gegröhle.

Als sie gerade eingeschlafen war, wurde sie wieder geweckt: "He Kleine, es wird Tscheit, dass du die Gaschtgebühr betschahlscht. Mein Willi ischt schon gansch gierig."

Vollautomatisch

Künstliche Intelligenz
von Günter Görz, Bernhard Nebel

Die Virenjägerin
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Vollautomatisch
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208 Seiten
ISBN 3-938764-01-5

Preis: 14.80 Euro

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