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Die Virenjägerin

Kapitel 7


  
"Das klingt aber nicht nach Erkältung, wenn dir jeder Atemzug weh tut. Du siehst auch überhaupt nicht gut aus", Iris betrachtete Siegfried besorgt.

"Was? Ich sehe nicht gut aus?"

"So ist das natürlich nicht gemeint. Du bist selbstverständlich schön wie ein junger Gott. Aber deine Augen glänzen zu stark und du wirkst fiebrig."

"Ach so, dann ist ja gut", Siegfried widmete sich wieder der Inventarliste, die Iris ausgedruckt hatte.

"Das sehe ich aber nicht so", Iris fühlte, wie eine energische Kraft sich in ihr breit machte. "Nichts ist gut. Du bist offensichtlich krank."

"Mag ja sein, na und? Dann lass uns schnell fertig werden, damit ich bald nach Hause komme. Du machst immer ein Theater wegen kleiner Erkältungen. Bist du dir sicher, dass du nicht vielleicht ein Kind brauchst, dass du betütern kannst?"

"Ein Kind? Also hör mal! Wie kommst du denn auf diese absurde Idee?"

"Nichts für ungut. Hab ich nur so daher gesagt. Also lass uns zur Sache kommen", ungeduldig wedelte Siegfried mit den Unterlagen.

Punkt für Punkt ging die Stammcrew, die aus Iris, Siegfried, Martin und Igor bestand, die Liste durch. Bei manchen Punkten auf der Liste wurde über den Wert debattiert, andere wurden einfach so abgehakt.

Dieser Siegfried ist schon ein seltsamer Typ. Wehleidig bis zum Gehtnichtmehr, wenn es um harmlose, kleine Probleme geht, aber wenn es ernst wird, spielt er den Helden. Nach dieser Abfuhr von ihm traue ich mich ja kaum noch, zu seiner Krankheit Stellung zu nehmen. Dabei scheint mir sein Zustand echt besorgniserregend. Wie gemein er mir ein Kind aufdrängen wollte. Dabei habe ich ja nicht mal einen Partner. Und als mittellose Taxifahrerin könnte ich mir auch gar kein Kind leisten, weder von der Zeit her noch finanziell betrachtet. Wenn es so weiter geht, dann werde ich nie ein Kind bekommen können, weil die Situation nie passen wird, bevor ich zu alt dazu bin. Und dann besitzt dieser Typ die Frechheit, mir ein Kind aufzunötigen, als wäre es eine Vitamin-Tablette. Wie gemein!

Iris verlor kurz den Faden bei der Besprechung, bis Martin sie anstieß. Dann konzentrierte sie sich wieder auf die Bestandsliste. Ihr blieb jedoch nicht verborgen, dass auch Martin skeptische Blicke in Richtung Siegfried warf.

Dennoch kam es völlig überraschend, als Siegfried plötzlich aufstöhnte und seinen Kopf auf die Tischplatte sinken ließ. Nur die Tatsache, dass er sich schon vorher mit seinen Unterarmen aufgestützt hatte, bewahrte ihn davor, auf den Boden zu rutschen.

"Oh je, was ist denn nun los?" Iris erhob sich voller Sorge, doch Martin war schneller und fühlte bereits den Puls von Siegfried.

"Das Fieber ist anscheinend schlagartig gestiegen. Haben wir noch eines der Patientenbetten benutzbar?" Martins Blick wanderte zwischen Iris und Igor hin und her.

"Ich glaube schon, aber ich überprüfe das sicherheitshalber. Bestimmt muss es frisch bezogen werden", Iris war endgültig aufgesprungen und strebte dem Ausgang zu.

"Ok, kümmer dich darum. Igor, hilf mir mal, den Siegfried vorsichtig auf den Boden zu legen, damit ich ihn untersuchen kann", als erfahrenster Arzt übernahm Martin spontan die Führung der Gruppe.

Iris hörte noch, wie Martin Igor etwas zurief, bevor sie den Raum verließ. Sie eilte in den Patientenraum, der für eventuelle Medikamententester vorgesehen gewesen war. Die Betten waren alle mit Schutzhüllen bedeckt. Iris öffnete einen Schrank und griff nach der Bettwäsche, die dort gestapelt lag. Die haben wir ja noch gar nicht auf unserer Liste. Oh, was für ein unwichtiger Unfug mal wieder durch meinen Kopf geht. Jetzt sollte ich mich darauf konzentrieren, den Raum für Siegfried vorzubereiten.

So schnell sie konnte, bezog Iris das Bett. Dann fuhr sie den Tropfständer neben das Bett und befreite das EKG-Gerät von seiner Umhüllung. So, die restlichen Geräte können wir auch noch später reaktivieren. Mit einer klappbaren Trage unterm Arm ging sie zurück in den Besprechungsraum, wo Martin sich über den schnell atmenden Siegfried beugte.

"Das Bett ist bereit. Wir können Siegfried rübertragen."

Vorsichtig legten die drei Gesunden Siegfried auf die Trage. Beim Anheben rüttelte es etwas, sodass Siegfried stöhnte und plötzlich seine Augen weit aufriss.

"Es ist gut, Siegfried. Wir tragen dich jetzt ins Bett", Iris versuchte, ihren unerwarteten Patienten zu beruhigen.

Doch das misslang. Siegfried versuchte sich aufzusetzen, und als das nicht funktionierte, fing er an, um sich zu schlagen.

Fast wäre die Trage den dreien entglitten. Mit größter Mühe gelang es ihnen, den tobenden Siegfried in den Patientenraum zu schleppen. Dann galt es, ihn auf das hohe Bett zu wuchten. Siegfried wehrte sich so heftig, dass er beinahe auf der anderen Seite des Bettes runtergerutscht wäre.

Doch endlich lag Siegfried auf der Matratze und keuchte, als hätte er gerade einen Wettlauf hinter sich gebracht. Seine Augen waren zwar offen, aber er schien seine Freunde nicht wahrzunehmen.

"Igor, besorg mal die Sauerstoffflasche samt Maske, und Iris, pass bitte auf, dass er nicht runterfällt. Du kannst ihm auch schon mal die Schuhe ausziehen. Ich hole geschwind meine Tasche, damit ich ihn untersuchen kann."

Die beiden Männer verließen ihren Platz um das Bett und Iris hoffte, dass es ihr gelang, Siegfried auf dem Bett zu halten. Vorsichtig entknotete sie seine Schnürsenkel und zog anschließend die Schuhe von den Füßen.

Wie schnell er atmet. Das ist ja richtig unheimlich. Was er wohl hat? Bestimmt eine Lungenentzündung. Wie er sich die nur eingefangen hat? Das ist mir alles sehr suspekt.

Nach kurzer Zeit kam Martin zurück, öffnete Siegfrieds Gürtel und Hemd und klebte einen Temperaturfühler auf die Stirn des Fiebernden. Dann stöpselte Martin sein Stethoskop in die Ohren und begann, Siegfried abzuhorchen. Dabei schüttelte er immer wieder den Kopf. Er wirkte besorgt. Siegfried schien von all dem nichts mit zu bekommen.

"Zieh ihm auch die Socken aus und gleich helfe ich dir mit der Hose. Er sollte es kühl haben, damit das Fieber nicht noch mehr steigt", wies Martin Iris zwischendrin an.

Wie gut, dass Martin da ist. Ich wüsste nur theoretisch, was man tun muss, aber in der Praxis finde ich es doch sehr erschreckend und bin mir nicht sicher, was man am besten zuerst anpackt. So, jetzt erst mal die Socken. Das Ausziehen der Hose erwies sich anschließend als schwierig, obwohl Martin ihr dabei half. Siegfried wehrte sich heftig dagegen. Doch seine Atemprobleme schienen ihn so stark zu fordern, dass er nicht mehr viel Kraft zum Sträuben aufbrachte.

Martin warf einen Blick auf den Temperaturfühler.

"Wie hoch?" wollte Iris wissen.

"Über vierzig Grad. Igor, wo bleibt der Sauerstoff?"

Die Virenjägerin

Die kommenden Plagen
von Laurie Garrett

Vollautomatisch
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Die Virenjägerin
Die Virenjägerin

208 Seiten
ISBN 3-938764-02-3

Preis: 14.80 Euro

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