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Die Virenjägerin

Kapitel 18


  
Iris öffnete die Augen. Sie fühlte sich beobachtet, blickte sich um, und tatsächlich: Martin schaute mit sorgenvollem Blick auf sie herunter.

"Ist was? Gibt es Probleme mit Siegfried?"

"Nein, nein, alles in Ordnung", Iris vermeinte zu hören, wie Martin tief ausatmete.

"Aber warum sitzt du dann hier?" Iris setzte sich auf und ließ ihren Blick verwirrt durch den Raum streifen.

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, aber es scheint dir ja gut zu gehen."

"Klar gehts mir gut, ich hab doch meinen Schutzmantel", dabei griff sie nach ihrem Laborkittel und vergrub ihre Nase in den mit medizinischen Düften getränkten Stoff. "Oh, sorry, das war ja nur ein Traum mit dem Schutzmantel. Jetzt bin ich furchtbar ungeduldig, wegen der Ergebnisse. Hast du mal nach dem PCR-Gerät geschaut?"

"Ja, sah so aus, als wäre es fertig."

"Wunderbar, dann kann es ja weitergehen. Guck nicht so hundsäugig; mir geht es wirklich gut. Aber vielleicht solltest du dich mal gründlich ausschlafen. Ich könnte zusammen mit Igor solange die Betreuung übernehmen."

"Danke für das Angebot, aber ich habe schon etwas geschlafen. Außerdem bin ich viel zu neugierig, wie deine Virusergebnisse aussehen."

"Also gut, dann werde ich mich mal an die Arbeit machen", mit einer Handbewegung verscheuchte Iris Martin aus dem Zimmer, um sich in Ruhe anzuziehen.

Dann eilte sie ins Labor und stellte erleichtert fest, dass die Vervielfältigung der Viren-DNA tatsächlich abgeschlossen war. Sie begann, die neue DNA mit der von Erkältungsviren zu vergleichen. Als Martin mit einer Tasse Kaffee kam, nahm sie das kaum zur Notiz, griff jedoch wie automatisch nach dem dampfenden Getränk.

Endlich war es soweit: Iris sah, dass die neue DNA normalen Erkältungsviren zwar ähnelte, aber an zwei Stellen stark von ihnen abwich. Auch mit SARS war sie alles andere als identisch aber immerhin verwandt.

Als ihr bewusst wurde, dass sie es geschafft hatte, sprang Iris auf und konnte sich ein "Yippieh" nicht verkneifen.

Martin steckte seinen Kopf durch die Tür, als hätte er genau auf diesen Moment gewartet. Hinter ihm erschien Igor. Erwartungsvolle Blicke richteten sich auf Iris.

"Ist es soweit?"

"Sieht so aus", Iris fragte sich, woher sie so außer Atem war. Bestimmt die Aufregung. Ob ich tatsächlich einen bisher unbekannten Virus entdeckt habe? Als Erste?

Mit leicht überschlagender Stimme zeigte Iris ihren beiden Kollegen die Streifen auf der DNA-Analyse und erklärte deren Bedeutung.

Martin schlug ihr anerkennend auf die Schulter.

"Eigentlich müsste man jetzt einen Champagner aufmachen. Aber die Situation ist wohl zu ernst, um groß zu feiern."

"Bestimmt haben wir auch gar keinen Champagner im Haus. Und es wäre wirklich unpassend, wo da draußen Millionen von Menschen um ihr Leben kämpfen", dennoch konnte sich Iris ein breites Grinsen nicht verkneifen. Am liebsten wäre sie bis zur Decke gehüpft.

"Hm", sagte Igor und Iris war sich nicht ganz sicher, ob seine Äußerung als Lob gemeint war oder ob er anbot, Champagner zu organisieren.

"Jetzt werde ich die Neuigkeit als Nächstes im Mediziner-Forum verkünden, und dann können wir anfangen, ein Heilmittel zu suchen", Iris strebte zur Tür und konnte es kaum erwarten, ihren Medizinerkollegen auf der ganzen Welt von ihrer Entdeckung zu berichten. Das ist wahrscheinlich der wichtigste Moment in meiner Forscherlaufbahn. Wenn es nur nicht so einen grauenvollen Anlass hätte. Ich bin fast wie betrunken vor lauter Freude und Aufregung, aber irgendwie schäme ich mich auch für diese Begeisterung. Na ja, wenn ich sie nutze, um ein Heilmittel zu finden, brauche ich mich ja eigentlich nicht schämen.

Im Medizinerforum wurde Iris mit Erleichterung willkommen geheißen und ihre Virus-Entdeckung stieß auf viel Interesse. Einige andere Labors hatten inzwischen auch Viren gefunden und standen kurz davor, Iris' Entdeckung nachzuvollziehen. Andere Forscher wurden jedoch vermisst, sodass sich der Kreis der aktiven Wissenschaftler immer mehr ausdünnte.

"Und nun?" fragte Iris an Martin und Igor gewandt. "Müssen wir jetzt noch die Presse informieren? Wie sieht es überhaupt da draußen aus? Und wie gehen wir weiter vor? Oh je, was bin ich aufgeregt. Am meisten würde mich eigentlich interessieren, warum wir drei bisher nicht krank geworden sind und was wir tun können, damit das auch so bleibt."

Die Frage wegen der Presse erledigte sich von selbst, denn im Fernseher, der stumm mitlief, wurde eine Sondersendung angekündigt. Igor stellte den Ton an, gerade rechtzeitig, um zu hören, dass der Erreger der schrecklichen Lungenentzündung entdeckt worden war. Iris lief rot an, als ihr Name der ganzen Welt verkündet wurde. Ihre Augen irrten verunsichert hin und her, als würden die Reporter schon in den Schränken sitzen und sie filmen. Martin klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und lächelte sie aufmunternd an, sodass ihr gleich wohler zumute wird.

Was bin ich doch für ein Esel. Schon wegen der Quarantäne wird niemand herkommen und mich mit Blitzlichtgewitter überfallen. Außerdem kann ich mich ja jederzeit rausreden, denn jetzt müssen wir ja ein Heilmittel finden.

Igor hantierte am Netzcomputer und nach einer Weile grunzte er Iris ein "Hm" entgegen. Iris ging zu ihm und sah, dass haufenweise Emails eingegangen waren.

"Oh nein, wir haben doch jetzt soviel zu tun. Für die ganzen Emails habe ich doch gar keine Zeit."

"Hm"

"Soll das ein Angebot sein? Ok, ich könnte einen Standardtext schreiben und du verschickst ihn an alle die anfragen. Meintest du das so, Igor?"

"Hm"

"Du bist echt ein Schatz."

"Hm"

"Gut, dann schreib ich zuallererst einen kurzen Text und danach untersuche ich Rachenabstriche von uns dreien. Denn das interessiert mich doch sehr."

So schnell es ging, setzte Iris eine Antwortmail auf für alle, die ihr geschrieben hatten. Martin hatte in der Zwischenzeit einige Toastbrote mit Butter bestrichen und stellte sie auf den Tisch, damit alle eine kleine Grundlage im Bauch hatten.

"Wartet mal mit dem Essen, bis ich Abstriche gemacht habe. Sonst muss ich mich noch mit Krümeln rumschlagen."

Widerspruchslos ließen Martin und Igor sich von Iris Zellmaterial aus dem Rachen entnehmen. Martin übernahm diese Aufgabe bei Iris. Vorsichtig trug Iris die Proben ins Labor und ließ sich anschließend in der Küche das Essen schmecken.

Später ging Martin wieder zum kranken Siegfried, Igor setzte sich an den Computer um die Emails zu beantworten und Iris verschwand mit klopfendem Herzen in ihrem Labor.

Ob wir wohl auch diese Viren in uns haben? Müssten wir ja wohl, so nah wie wir Siegfried sind. Irgendwie graust es mir vor der Erkenntnis, aber ich will es auch unbedingt wissen. Bisher fühle ich mich ja überhaupt nicht krank, nur aufgescheucht wie ein verrückt gewordenes Huhn. Also, ran an die Arbeit.

Stunden später betrat Martin das Labor.

"Wie siehts aus? Du bist jetzt schon so lange beschäftigt, dass ich doch mal nachschauen wollte, ob alles in Ordnung ist."

"Ja, alles wunderbar. Ich fasse es einfach nicht, was ich hier sehe, darum überprüfe ich eine Probe nach der anderen."

"Was fasst du nicht? Spann mich doch nicht so auf die Folter."

"Ich habe viele von diesen Viren gefunden, bei uns allen dreien. Aber sie sind alle tot."

Die Virenjägerin

Die kommenden Plagen
von Laurie Garrett

Vollautomatisch
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Die Virenjägerin
Die Virenjägerin

208 Seiten
ISBN 3-938764-02-3

Preis: 14.80 Euro

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