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Jenseits des Ölgipfels

Kapitel 50


  
Tag für Tag rückten die Truppen näher und über das Internet erfuhr man von Triumphen und Niederlagen. Anscheinend gab es mindestens ein Dutzend Trupps, die unabhängig voneinander operierten. Die Orte wurden ohne erkennbares Muster angegriffen. Wahrscheinlich, um den Überraschungseffekt zu nutzen.

Alle spürten, wie sich die Schlinge immer enger zusammenzog.

Mit jedem Tag, der ohne Angriff verging, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass es sie am nächsten Tag erwischen würde. Kaum noch jemand traute sich, das Dorf zu verlassen, weil jederzeit die Gefahr bestand, unterwegs von den Truppen aufgegriffen zu werden.

Die Überwachungskameras waren unentwegt im Einsatz und ein Team von Männern wechselte sich im Schichtdienst bei der Beobachtung der Bildschirme ab. Bewegungsmelder sollten zusätzlich Alarm geben, falls die Gegner unbeobachtet anrücken würden.

Eines Morgens, kurz vor Sonnenaufgang, war es soweit. Die Alarmglocken schrillten in jedem Haus und rissen die Schläfer aus den Betten.

Die Frauen brachten die Kinder in eine zentrumsnahe Scheune, die für diesen Einsatz schon lange vorbereitet war. Außer von den wehrhaften unter den Frauen wurde die Scheune noch von Herrn Trautmann bewacht. Er führte die einzige Pistole des Dorfes mit sich, die von einem Jäger aus einem Nachbardorf ausgeliehen worden war.

Zur Überraschung aller hatte Herr Trautmann nämlich langjährige Jugenderfahrungen als Sportschütze und war zudem der einzige der Männer, der bereit war, auf den aktiven Kampf an der Dorffront zu verzichten. Also lag es hauptsächlich in Herrn Trautmanns Verantwortung, die Frauen und Kinder zu retten, falls der Kampf blutreich verloren gehen sollte.

In einem Nebenraum der Scheune standen die Überwachungsbildschirme, und so konnten die Frauen und Herr Trautmann verfolgen, was im Kampfgebiet geschah. Für die Kinder waren besonders abwechslungsreiche Spiele organisiert worden, damit sie vom Geschehen abgelenkt würden. Außerdem war jedes Einzelne genau instruiert, wo es sich im schlimmsten Fall verkriechen konnte. Sogar eine Flucht in die Weinberge war mehrmals geübt worden.

Die Kampftruppe des Dorfes bezog Stellung und auch die beiden Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr waren rechtzeitig da. Die Feuerwehrautos wurden hinter einem Busch und einer alten Scheune versteckt. Als die Bauern mit den Saatmaschinen anrollten, konnte man auf der Höhe von Jens' Feldern schon die Wagenkolonne sehen.

Die sieben Einsatzfahrzeuge näherten sich zügig der mühsam aufgebauten Barrikade. Vorweg fuhr ein Spezialfahrzeug, das an einen Schneepflug erinnerte.

Als wären die Barrikaden Streichhölzer, fegte das Pflugfahrzeug sie einfach zur Seite.

Die Bauern hielten den Atem an.

"Jetzt wird gesät!", rief Achim, der die Verteidigung koordinierte.

Die zuständigen Bauern brachten ihre Saatmaschinen in Stellung und begannen, mit ihren Maschinen die liebevoll gebastelten Krähenfüße auf die Straße zu schleudern, sodass ein breitgestreuter Teppich entstand.

Das Pflugfahrzeug fuhr unbeeindruckt weiter.

Doch die normalen Einsatzfahrzeuge blieben eins nach dem anderen mit schlingernden Reifen stehen.

Je sechs Uniformierte mit Schutzhelmen entstiegen den gestrandeten Wagen. Sie sammelten sich bei dem Pflugfahrzeug und hielten anscheinend eine Besprechung ab, bei der sie immer wieder in die Richtung der Bauern blickten.

Die Bauern schauten ihrerseits erwartungsvoll zu den Angreifern: die Spannung stieg.

Minuten verstrichen.

Bei den Angreifern entwickelte sich ein lebhafter Disput. Leider konnte keiner der anwesenden Bauern von den Lippen ablesen, sonst hätten sie gewusst, was dort unten besprochen wurde.

Plötzlich formierten sich die Angreifer und brachten ihre Maschinengewehre in Anschlag.

Achim gab ein knappes Signal und die Feuerwehrmänner brachten ihre Schläuche in Position.

Die Angreifer marschierten los, im Schritttempo von dem Pflugfahrzeug begleitet.

Sie kamen näher - und näher.

Von den Bauern rührte sich keiner. Sie standen einfach nur da.

Die Uniformierten kamen noch näher.

Achim nickte kurz.

Aus vollen Rohren schoss die Jauche von beiden Seiten aus den Feuerwehrschläuchen.

Die Angreifer wurden von oben bis unten vollgespritzt, schützten ihre behelmten Köpfe notdürftig mit den Armen und flohen nach einer Schrecksekunde außer Reichweite der Jaucheschläuche.

Das Fenster des Pflugfahrzeuges war nach kurzer Zeit vollständig zugekleistert, sodass die Insassen nichts mehr sehen konnten. Sie entstiegen prustend ihrem Fahrzeug, in dem es anscheinend schon nasenbetäubend stank.

Vom letzten Schwall Jauche wurden auch diese Angreifer durchtränkt, obwohl sie flohen, so schnell sie konnten.

In sicherer Entfernung sammelten sich die geschlagenen Gegner und beschlossen anscheinend im kurzen Gespräch den Rückzug. Einer nach dem anderen setzte sich in breitbeinig in Bewegung und strebte fort vom Dorf.

"Seht euch diese angewiderten Gesichter an.", jubilierte Achim und reichte seinen Feldstecher herum.

"Spätestens jetzt wissen sie, dass sie einen beschissenen Job haben."

Der Abzug der feindlichen Truppe wurde genauestens überwacht. Nicht dass denen einfallen sollte, nochmal zurückzukehren.

"Beim nächsten Brand wird das Löschwasser bestimmt stinken.", warnte einer der Feuerwehrmänner.

"Was für den einen der Gestank des Niedergangs ist, bedeutet für uns den wohlriechenden Duft des Triumphes."

Als die Angreifer schon deutlich außer Sichtweite des Feldstechers waren, entschlossen sich die meisten, mit den Siegesfeierlichkeiten zu beginnen. Drei Männer blieben als Wache zurück, unterstützt natürlich von den unermüdlichen Kameras. Achim versprach den Wächtern, ihnen baldmöglichst eine Probe des Siegestrunkes vorbeizubringen.

In einem Triumphzug schritten die Männer zur Scheune, wo sie jubelnd empfangen wurden. Schon knallten die ersten Korken des leckeren heimischen Sektes und Gläser wurden herumgereicht.

Trotz der immer noch frühen Stunde genossen die Erwachsenen den Umtrunk. Die meisten hielten sich nach dem ersten Glas jedoch zurück, um für Notfälle einen klaren Kopf zu behalten.

Die Siegesfeier in der Scheune wurde das rauschendste Dorffest, an das sich die Bewohner erinnerten. Die Kinder hatten in der aufregenden Wartezeit einen lustigen Sketch einstudiert, den sie stolz zum Besten gaben. Sie erhielten überbordenden Applaus, der, wie jeder wusste, auch dem gemeinsamen Kampf der Dorfbewohner galt.

Gegen Mittag verschwanden einige Frauen und kamen mit schwerbeladenen Tabletts zurück, die sie schnell zu einem Büffet zusammenstellten.

"Weiss überhaupt irgendeiner, worum es bei dem Angriff überhaupt ging?", fragte jemand in die Runde.

"Vielleicht wollten sie einfach gemein sein."

"Unsinn. Das können nur wildgewordene Abtrünnige sein."

"Oder das war wegen dieser Sondersteuer."

"Schade, dass sie alle davongerannt sind. So konnten wir keinen befragen."

"Das nächste Mal sollten wir Gefangene machen und sie fragen, was sie eigentlich wollen."

Die Vorschläge über den zukünftigen Umgang mit Angreifern des fernen Staatsapparates wurden immer zahlreicher und steigerten sich teilweise ins Absurde, was der Freude an jeder neuen Idee aber keinen Abbruch tat.

Keiner befürchtete jedoch ernsthaft, dass die vermeintlichen Zolltruppen noch lange durchhalten würden. Von wiederholten Angriffen auf widerspenstige Dörfer hatten sie schon eine Weile nichts mehr gehört.

Nach dem Essen gingen Jens und Johanna nach Hause, denn sie wollten nach der ganzen Aufregung etwas Ruhe tanken.

Außerdem nahmen sie die Filmaufnahmen mit, um sie schnellstmöglich den anderen Dörfern per Internet zu Verfügung zu stellen. Zur Erklärung verfassten sie noch einen kurzen Bericht der Ereignisse.

Spontan strebten beide anschließend ihrem Schlafzimmer zu. Die Aufregung hatte ihre Leidenschaft erweckt und so nutzten sie die Gunst der Stunde.

Später lagen sie gemütlich aneinander gekuschelt im Bett.

"Vor lauter Aufregung bin ich noch gar nicht dazu gekommen, dir zu sagen, dass wir in der letzten Woche Bombengeschäfte mit unseren Roboter-Updates gemacht haben."

"Das ist ja toll! Wir können es gut gebrauchen."

"Stell dir vor: das Geld reicht sogar aus, um ein ganzes Schiff voller Bausätze in Korea zu bestellen. Gestern habe ich das getan und das Schiff ist schon unterwegs zu uns."

"Aber wie willst du denn ein ganzes Schiff voller Roboter zusammenbauen?"

"Du errätst es bestimmt."

"Ach ja! Natürlich! Unsere Armen können die zusammenbauen und sich damit Geld verdienen."

"Genau!"

"Das ist ja wunderbar, denn dann haben sie endlich eine Arbeit."

"Ich bin auch froh über jeden, dem wir eine Zukunft geben können."

"Da wird bald noch jemand sein, dem wir eine Zukunft geben müssen."

"Wie meinst du das?"

"Du errätst es bestimmt."

"Hm, wart mal. Du bist doch nicht etwa schwanger?"

"Doch, wir bekommen ein Baby!"

"Das ist ja wunderbar, denn inzwischen dürfte die Zeit reif sein, dass wir uns ein Baby gönnen."

Jens küsste die werdene Mutter und strich ihr sanft über den noch flachen Bauch.

"Mir fällt gerade ein, dass wir jetzt ja wieder in den Supermarkt fahren können, um uns mit Kaffee und Gewürzen einzudecken.", sagte Johanna und stand auf.

"Gute Idee! Ich glaube, ich komme auch mit."

"Hast du Geld einstecken?"

"Da muss ich mal nachsehen. Dank deines Vaters muss ich mich ja nur noch selten mit Bargeld rumschlagen.", Jens zog sein schmales Portemonnaie aus der Tasche.

Sein Geldbeutel war fast leer. Jens stülpte ihn um und entleerte den Inhalt auf den Tisch. Auch das Zählen der Regio-Franken ergab kein befriedigendes Ergebnis. Ob sich in der Ladenkasse wohl noch Reservegeld finden ließ? Ein paar Scheine lagen tatsächlich in der Schublade. Sorgfältig einsortiert in die passenden Fächer, um immer Geld griffbereit zu haben. Insgesamt reichte Jens' gesammelte Barschaft nur für einen mittleren Familieneinkauf, aber für die Importwaren wie Kaffee würde es wohl locker reichen.


- Ende -


Jenseits des Ölgipfels

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von Matthew R. Simmons

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Jenseits des Ölgipfels
Jenseits des Ölgipfels

268 Seiten
ISBN 3-933634-18-0

Preis: 16.90 Euro

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