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Jenseits des Ölgipfels

Kapitel 42


  
"Wie denkst du dir das mit den Vorräten?", Jens und Johanna lagen inzwischen im Bett und nutzten die Ruhe für Zukunftsgedanken.

"Bisher noch gar nicht so konkret. Aber ich glaube, ich will eine Armenspeisung eröffnen."

"Das hab ich mir doch glatt gedacht. Wie könnte es auch anders sein, wenn du jemand Hungrigen zu Gesicht bekommst?"

"Heide hat mal eine Mühle in der Nähe erwähnt, bei der sie immer Getreide in größeren Mengen gekauft hat. Für ihre Brotbäckerei, denn anscheinend ist sie eine begnadete Bäckerin. Dort soll es auch Bohnen, Nudeln und Pflanzenöl geben. Und das bräuchten wir dann säckeweise."

"Wieviele Leute willst du außer uns durchfüttern?"

"Auf mindestens zehn sollte man sich schon einstellen. Und noch Kinder dazu, also eher zwanzig Vollesser. Bei der Armenspeisung in der Stadt fand ich es immer ganz erstaunlich, wie billig man die Leute sattbekommt, wenn man sich auf einfachste Zutaten beschränkt."

"Das hat mich auch beeindruckt. Darum habe ich in meinem Bistro ja eine Weile Billigküche angeboten, bis die Power-Riegel kamen."

"Ich erinnere mich, davon hast du mal erzählt. Bestimmt kennst du dann auch noch die Rezepte von damals."

"Na klar. Für uns sollten wir uns aber auch Vorräte anlegen, denn noch ist die Ernte nicht eingebracht und wer weiss, ob alles gut geht. Das wäre für mich auch eine Voraussetzung: Dass wir unsere Vorräte nicht anrühren, bis wir sie nicht durch eigene Ernten ersetzen können."

"Ja, das macht Sinn, denn wir sollten nicht verhungern. Das nützt den Armen dann auch nichts."

"Wir werden eine Menge Vorräte brauchen. Ich rechne das mal aus, aber schon Pi mal Daumen ist das ein ganzer grosser LKW voll. Mit unserem Lastfahrrad können wir nur einen Teil transportieren. Wie gut, dass das Wintergetreide schon geerntet ist. Sonst würden wir kaum so grosse Mengen kriegen."

"Diese Vorräte will ich von meinem Geld bezahlen."

"Warum? Ich dachte, das ist für Notfälle."

"Jein. Ich hatte mir das für Notfälle gedacht, aber ich glaube, in Form von Naturalien haben wir mehr davon. Das Essen wird ja auch immer teurer und wer weiss, ob man im Winter noch was kaufen kann."

"Das leuchtet ein."

"Bei den ganzen technischen Investitionen wäre mein Geld auch nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Aber die Vorräte werde ich wohl vollständig bezahlen können. Und das stelle ich mir schön vor, ein ganzes Vorratslager zu haben, mit dem man die Leute sattkriegen kann."

"Gut, das nehmen wir dann am besten gleich morgen in Angriff."

Tatsächlich gab es die Mühle noch, von der Heide berichtet hatte und sie hatten dort auch das erhoffte Angebot, wie sie am Telefon mitteilten. Also schwangen sich Jens und Johanna nach dem Morgenmelken aufs Lastrad und fuhren los. Heide und Achim würden sich um den Hof kümmern, solange sie weg waren.

Jens genoss es, Seite an Seite mit Johanna durch den Hochsommertag zu fahren. Der idyllischen Landschaft sah man nicht an, dass eine schlimme Hungersnot drohte und es jetzt schon nicht genug zu essen gab. Nur wenn man ganz genau hinschaute, konnte man erkennen, dass viele der Felder ungepflegt wirkten oder brach lagen.

"Ich habe da noch mehr Pläne, aber ich fürchte, die werden dir nicht gefallen."

"Was wird mir nicht gefallen?"

"Dass ich will, dass du mit der Werkstatt umziehst, vielleicht in den Stall."

"Dafür musst du mir in der Tat einen sehr guten Grund liefern. Denn die Werkstatt finde ich momentan sehr gut, so wie sie ist."

"Die Armenspeisung können wir zur Zeit zwar einfach auf dem Hof machen, aber wenn es regnet oder Winter wird, brauchen wir einen Raum dafür. Dieser Raum sollte am besten direkt von der Straße aus erreichbar sind, dass die Leute uns nicht immerzu auf dem Hof rumlaufen. Also habe ich an das Gebäude mit der Werkstatt gedacht, weil dessen Rückwand zur Straße zeigt."

"Da sind aber noch zwei Räume frei. Warum dann die Werkstatt?"

"Weil ich eben noch mehr Pläne habe. Zum Geldverdienen könnten wir einen Hofladen aufmachen. Jetzt schon hätten wir Ziegenkäse zu verkaufen und Heide backt doch dieses legendäre Brot, das könnte ich bestimmt lernen. Das wäre dann noch ein Raum. Zum Kochen wäre eine extra Küche neben dem Speiseraum gut, denn sonst steht man sich in der Familienküche nur im Weg und muss immer alles über den Hof tragen."

"Das sind in der Tat gute Gründe. Und auch eine Menge Arbeit. Warum nimmst du nicht die Scheune für dein Ladenzentrum? Die zeigt doch auch zur Straße und ist sogar noch weiter vorne Richtung Dorf."

"An die Scheune hab ich in diesem Zusammenhang ja noch gar nicht gedacht. Brauchen wir die nicht für unsere Ernte?"

"Für die Ernte reicht wohl ein Teil der Scheune. Und wir haben ja immernoch den Stall für die Vorräte. Die Scheune ist sogar teilweise unterkellert. Da könntest du die Vorräte für die Armenspeisung kühl lagern."

"Stimmt ja, da ist ja noch ein Keller. Komisch, bei dem Gedanken, die Scheune umzubauen, erscheinen mir meine Pläne viel größer, fast schon utopisch."

"Na ja, ne Menge Arbeit wird das auf alle Fälle. Wir werden auch Mauern ziehen müssen und eine Zwischendecke, weil die Scheune ja viel zu hoch ist. Vielleicht sollten wir unsere Gäste erstmal in der Garage neben der Werkstatt speisen lassen, so wie von dir zuerst geplant, aber mit Eingang in den Hof, damit wir die Wand nicht extra durchbrechen müssen."

"Für den Anfang ist das sinnvoll, aber auf Dauer ist die Scheune wohl wirklich die elegantere Lösung. Dann kriegen wir richtig grosse Räume. Hach, ein eigener kleiner Laden! Da habe ich wirklich Lust drauf."

"Und wenn die Scheune dann soweit ist, eröffne ich in der Garage einen Laden für technische Geräte. Was hältst du davon?"

"Das ist eine tolle Idee. Dann kanst du solche Lasträder verkaufen oder Familienkutschen."

"Ja, und wer weiss, was mir noch alles einfällt. Solange ich Material bekomme, baue ich dir alles, was man gebrauchen kann."

Bei der Mühle angekommen, war das Erste, was sie zu hören bekamen: "Welch nützliches Fahrrad! Wo kann man die denn kaufen?"

"Bei mir könnten Sie eins bestellen. Wir sind aber eigentlich gekommen, um bei Ihnen Getreide zu kaufen."

Die Verhandlungen zum Getreidekauf zogen sich geraume Zeit hin, denn als der Müller erfuhr, dass sie sich im grossen Stil eindecken wollten, um eine Armenspeisung zu eröffnen, bat er sie zu einem Glas Wein in sein Büro und half ihnen bei der Einkaufsplanung. Am Ende hatten sie eine stattliche Liste zusammengestellt, die die meisten Grundzutaten für eine einfache Ernährung beinhaltete.

Da eine Lieferung per LKW Wochen oder gar Monate dauern würde, verabredeten sie, dass Jens und Johanna die Vorräte in Etappen mit ihrem Lastrad transportieren würden. Immer so, dass sie pro Fuhre eine abgerundete Mischung mitnehmen konnten.

Ein Lastrad würde der Müller in Zahlung nehmen und bei Gefallen eventuell noch mehr bestellen. Hochzufrieden fuhren die Möchtegern-Armenspeisungsstifter schließlich nach Hause.

"Siehst du, die Leute wollen deine Lasträder kaufen."

"Stimmt. Das hat wirklich gut gepasst. Ich würde ja auch eines kaufen wollen, wenn ich es nicht selbst bauen könnte."

"Mir fällt grade ein: wir haben zuwenig Zwiebeln angebaut, denn die gabs nicht beim Müller, aber wir werden unendlich viele brauchen."

"Ups. Dafür müssen wir dann wohl auch noch Bezugsquellen auftun. Und nächstes Jahr bauen wir mehr an."

Die nächsten Tagen vergingen voller Pläneschmieden und Vorbereitungen für die Biogasanlage. Der Bau machte Andreas mehr Freude als die Feldarbeit, sodass er zu einer brauchbaren Hilfe wurde. Auch an der Konstruktion des Lastfahrrads fand Andreas Gefallen. Jens atmete auf.

"Ihr seid ganz schön mutig. So kühn war ich seinerzeit nicht.", sagte Heide bei einem der Gespräche über die Armenspeisung.

"Mir ist manchmal auch Angst und Bange dabei, aber ich könnte nicht anders. Wir können die Armen doch nicht verhungern lassen.", gestand Johanna.

"Das sehe ich ein. Früher gab es ja auch gar nicht soviele Arme, die Hunger litten. Darum stand ich nie vor der Entscheidung, ob ich eine Armenspeisung eröffnen wollte. Aber übernehmt euch nicht."

"Ja, ich werds versuchen."

Pünktlich am dritten Tag zum Mittagessen erschien Frau Sutter auf dem Hof, begleitet von ihren beiden Kindern. Damit das Essen für alle reichte, schnitt Heide schnell noch ein paar Scheiben Brot auf und machte eine einfache Quarkspeise zum Nachtisch.

Nach dem Essen gingen die Kinder mit Sonja zum Ballspielen auf dem Hof und die Erwachsenen besprachen die Zukunft. Frau Sutter war mehr als überrascht, als sie von der geplanten Armenspeisung erfuhr.

"Sind Sie etwa eine Sekte?"

"Sekte? Wie kommen Sie denn auf die Idee?", Johanna war richtig erschrocken, ob dieses Verdachtes.

"Na ja, wer bietet Armen denn sonst freiwillig etwas an? Und Priester sind Sie nicht, das sieht man."

"Mit irgendwelchen Sekten haben wir gar nichts zu tun. Aber da, wo wir früher wohnten, haben wir lange bei einer Armenspeisung eines ökumenischen Gemeindezentrums mitgemacht."

"Also doch Kirche! Dann bin ich ja beruhigt."

Johanna beließ Frau Sutter in ihrer Meinung, denn so falsch war es ja schließlich nicht. Offenbar fühlte sich Frau Sutter nicht wohl bei dem Gedanken, einfach Essen ohne Gegenleistung anzunehmen und bot an, beim Kochen zu helfen, wenn sie in den Ferien die Kinder mitbringen durfte. Dieses Angebot wurde gerne angenommen und so war Frau Sutter plötzlich aktiv in die weitere Planung einbezogen.

Sie kannte auch mehrere Menschen, denen es, wie ihr, am Allernötigsten fehlte, davon zwei Männer, die Erfahrung in der Landwirtschaft hatten und bestimmt bereit waren, sich ihr Essen auf dem Feld zu verdienen. Frau Sutter durfte den Leuten jetzt ankündigen, dass es ab nächstem Montag regelmäßig Mittagessen gab. Mit dem frisch aufgefüllten Korb machte sie sich auf den Heimweg und ihre Kinder sprangen fröhlich um sie herum. Sonja war ganz entzückt darüber, Kinder zum Spielen kennengelernt zu haben.

"Sagt mal, Kinder,", begann Heide am Abend. "Wo ihr doch jetzt so ein offenes Haus habt: was würdet ihr denn davon halten, wenn ich hierbleiben würde? Mir gefällt es hier viel besser als in der unfreundlichen Großstadt."

"Das wäre einfach wunderbar. Ich habe mich schon die ganze Zeit vor deiner Abreise gegraust.", Johanna strahlte übers ganze Gesicht.

"Mir würde das auch gefallen.", meldete sich Jens.

"Und ich wäre euch keine zu große Last?"

"Was heisst hier Last? Ohne dich und deine Erfahrung sind wir hier doch fast hilflos."

"Meine Brotback-Ideen funktionieren auch viel besser, wenn du hier bleibst."

"Ok, dann werde ich mal meine Angelegenheiten in der Stadt regeln. Ich hoffe, das geht alles per Post."


Jenseits des Ölgipfels

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Jenseits des Ölgipfels
Jenseits des Ölgipfels

268 Seiten
ISBN 3-933634-18-0

Preis: 16.90 Euro

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