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Universen


"Was habt ihr denn heute im Angebot, Rheficul?"

"Ihr kommt gerade richtig. Erst gestern gelang es uns, diese extrem amüsanten Microuniversen zu erlangen. Eine Unterhaltung, die ihresgleichen sucht."

"Zeigt her! Das sieht ja aus wie Murmeln oder gar Badekugeln."

"Lasst Euch nicht vom unscheinbaren Äußeren dieser Kostbarkeiten täuschen, werter Jawharl. Jede dieser Murmeln, wie ihr so abfällig sagt, beinhaltet ein komplettes Universum, das auf seine Freisetzung wartet. Wolltet Ihr nicht schon längst einmal Herrscher eines Universums sein? Hiermit ist Ihnen dies möglich. Und das auch noch zu einem durchaus gemäßigtem Preis."

"Erklärt! Wie kann solch eine harmlose Kugel, selbst wenn sie schimmert wie ein Opal, ein ganzes Universum enthalten?"

"Da staunt Ihr, nicht wahr? Es handelt sich um ein altbekanntes physikalisches Phänomen. Doch es ist so kurzlebig, dass die Nutzung zur Unterhaltung bisher nicht möglich war. Nun ist es uns jedoch gelungen, diese Microuniversen in einem Vorstadium in besonders beschaffene sphärische Behälter zu applizieren, nämlich diese schimmernden Kugeln. Dadurch können sie jederzeit aktiviert werden und die Geschichte dieses Universums nimmt ihren Lauf."

"Nun denn, aber was für eine Unterhaltung bietet ein winziges Universum, das zudem kurzlebig ist? Rheficul, ich zweifele an Ihrem Verstand, wenn nicht gar an Ihrem Geschäftssinn."

"Nicht doch, werter Jawharl! Von innen betrachtet haben diese Microuniversen gigantische Ausmaße, nicht anders als das Ihnen bekannte Universum, in dem wir leben. Genauso verhält es sich mit der Zeit. Innerhalb der Universen vergehen Milliarden von Planetenumläufen, bis sie in sich zusammenfallen."

"Aber wie soll ich, bei meiner Größe, in solch ein winziges Univrsum hineingelangen?"

"Ihre Größe sei unbenommen, oh Jawharl. Ihr verfügt doch bestimmt über eine Vergnügungszelle?"

"Aber sicher doch. Sogar über eine besonders exquisit ausgestattete."

"Gut, das habe ich auch nicht anders erwartet, angesichts Eurer noblen Größe. Die besondere technische Errungenschaft unseres Vertragspartners vesetzt Sie innerhalb Ihrer Vergnügungszelle in die Lage, sich nicht nur wahlweise in das von Ihnen erworbene Universum hineinzuversetzen. Nein, Sie können sogar die Geschwindigkeit der Zeit frei steuern, ganz nach Ihrem Geschmack."

"Und wie soll das funktionieren?"

"Als einfacher Händler bin ich da natürlich überfragt. Schließlich bin ich kein Wissenschaftler."

"Das wundert mich nicht, dass Sie nicht wissen, wie es funktioniert. Sei's drum: Ihre kleinen Universen mit freier Zeitsteuerung wirken interessant. Wie kann ich mir das im Detail vorstellen?"

"Die ersten Milliarden Zeiteinheiten können Sie relativ zügig vergehen lassen und dabei zuschauen, wie sich die Sonnen und Galaxien bilden. Sie kennen doch bestimmt Kaleidoskope aus Ihrer Jugend."

"Sicherlich, aber das ist doch Kindertand."

"Kaleidoskope sind Kindertand, da gebe ich Ihnen recht. Aber die Entwicklung von Galaxien ist einfach grandios. Allein dafür lohnt sich schon der Erwerb dieser Microuniversen. Aber das Beste kommt dann in den späteren Sonnengenerationen, wenn sich die schwereren Elemente gebildet haben."

"Und das wäre, dieses Beste?"

"Als Initiator eines Universums haben Sie die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. In gewissem Rahmen lassen sich physikalische Gegebenheiten steuern. Zudem können Sie das Erbmaterial der Lebewesen so steuern, dass die Besiedlung ausgewählter Planeten ganz nach Ihren Vorstellungen verläuft."

"Das klingt durchaus interessant. Ich ziehe in Erwägung, eines dieser Microuniversen zu erwerben. Nennen Sie mir einen guten Preis und bedenken Sie dabei, dass ich bei Gefallen weitere Exemplare für meine Familie anschaffen werde."

"Einen guten Preis gewähre ich Ihnen gerne. Diese Universen sind jedoch so begehrt, dass ich Ihnen zur Zeit nicht garantieren kann, dass Sie beliebig viele nachkaufen können. Sie sollten also gleich mehrere erwerben."

"Sie wollen doch nur ein größeres Geschäft abwickeln. Könnte ich überzählige dieser Murmeln bei Nichtgefallen zurückgeben?"

"Aber selbstverständlich. Die Universen würden mir aus den Händen gerissen werden, falls Sie sie zurückgeben würden. Aber ich kann Ihnen versichern, Sie werden begeistert sein."

"Also gut, ich gebe Ihnen hundert Kwekals für drei dieser kleinen Dinger."

"Sie belieben zu scherzen. Unter dreitausend Kwekals behalte ich die drei Universen lieber selbst."

Nach längeren Verhandlungen einigten sich die beiden Verhandlungspartner auf tausend Kwekals für drei Microuniversen. Jawharl hoffte, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, steckte die Kugeln in seine Tasche und zog von dannen.

Zuhause angekommen, informierte er seine Gemahlin, dass er in seiner Vergnügungskammer ungestört sein wollte, woraufhin sie verständnisvoll nickte.

Wie Rheficul ihn angewiesen hatte, platzierte Jawharl eine der Kugeln in seinem Projektionsmodul, lehnte sich bequem zurück und wartete auf die Aktivierung des Universums.

Nach wenigen Augenblicken verspürte Jawharl einen Sog und fand sich zwischen leuchtenden Materiewolken wieder, die eilig auseinander strebten. Er genoss den Anblick der sich bildenden Sterne, die sich zu Galaxien zusammenrotteten. Supernovae in den verschiedenen Galaxien ließen das Universum funkeln, dass es eine Wonne war.

Rheficul hatte nicht übertrieben. Allein der Anblick dieser Sterne war ein Vergnügen, das den hohen Preis des Universums durchaus rechtfertigte.

Jawharl ließ sich von einer Galaxie zur nächsten treiben. Es fühlte sich fast so an, als würde er tatsächlich in Form eines Riesen durch das Universum gleiten. Ein Gefühl von Freiheit und Macht erfüllte Jawharl.

Fast zu schnell entstanden Sonnensysteme, die Eisen und Schwermetalle enthielten. Jawharl verlangsamte die subjektive Ablaufgeschwindigkeit nach Rheficuls Instruktionen. Der Verlauf der Zeit wurde so stark abgebremst, dass Jawharl sogar die Umdrehungen der Planeten um ihre Sonnen beobachten konnte.

Er näherte sich einem vielversprechenden, wenn auch durchschnittlichen Sonnensystem mit mehreren unterschiedlich großen Planeten. Einer dieser Planeten befand sich gerade soweit von seiner Sonne entfernt, dass ein reizvoller Temperaturbereich vorherrschte.

Um mehr Dynamik in das Planetengeschehen zu bringen, schleuderte Jawharl einen Materiebrocken mit Schwung auf den Planeten. Wie erhofft, riss der Brocken eine größere Menge Materie aus dem noch halbflüssigen Planeten. Zu Jawharls Entzücken neigte sich die Rotationsachse des Planeten ein wenig und aus der herausgerissenen Materie bildete sich ein neuer Himmelskörper, der den Planeten umkreiste. Mit seiner Gravitation knetete der neue Satellit den Planeten kräftig durch und sorgte für Bewegung in der weiteren Planetenentwicklung.

Die Kruste des Planeten verfestigte sich im Laufe der Zeit und Wasser sammelte sich an den tieferen Stellen. Durch die Anziehungskraft des Satelliten schwappte das Wasser in regelmäßigen Abständen auf die trockenen Bereiche und wieder zurück. Optimale Bedingungen für die Entstehung von Leben entfalteten sich.

Fasziniert verfolgte Jawharl die Entwicklung seines bevorzugten Planeten. Zwischendrin glitt er auch immer wieder zu anderen Sonnensystemen, aber diese durchschnittliche, gelbe Sonne und vor allem der kleine Planet hatten es ihm besonders angetan.

Nach und nach ließ die vulkanische Aktivität auf seinem Lieblingsplaneten nach und in der Atmosphäre reicherte sich immer mehr Sauerstoff an.

Jawharl beschloss, dass es Zeit wurde, in die biologische Entwicklung einzugreifen. Er initiierte eine Art von Lebewesen, die nach seinem Bilde geschaffen war. Zwar würde es noch geraume Zeit dauern, bis diese Wesen ihm in all seiner Pracht ähneln würden, aber ein Anfang war gemacht. Wohlwollend verfolgte er die weitere Entwicklung seines Volkes.

Doch da entstanden vierfüßige Ungeheuer, die immer größer wurden. Sie schickten sich an, in die potentiellen Lebensräume seines Volkes einzudringen. Nachdem Jawharl diese Wesen eine Zeitlang beobachtet hatte, befand er, dass sie eine Bedrohung darstellten und überlegte, wie er sich ihrer entledigen konnte.

Ein kleiner Brocken in der Nähe kam Jawharl gerade recht. Er gab dem Brocken einen Schubs, sodass er auf dem Planeten niederging. Die anschließenden klimatischen Veränderungen und Vulkanausbrüche töteten die meisten der vierfüßigen Ungeheuer, sodass sie mangels Fortpflanzungspartnern innerhalb kurzer Zeit ausstarben.

Welch eine Freude für Jawharl, der den Moment pries, in dem er dem Händler dieses amüsante Universum abgekauft hatte.

Die Wesen, die Jawharl nach seinem Bild angelegt hatte, entwickelten sich wie erhofft und nutzten die Lücke, die der Meteoriteneinschlag mit seiner Zerstörung gerissen hatte.

Doch dann setzte sich eine neue Art von Lebewesen durch, mit der Jawharl nicht gerechnet hatte. Eklige Wesen mit Haaren an ihrer oberen Extremität drohten, den Planeten zu übernehmen.

Jawharl ließ einen großen Vulkan ausbrechen, dem es auch fast gelang, die lästigen neuen Wesen zu zerstören. Doch sie schienen hartnäckig. Eine kleine Schar überlebte und pflanzte sich eifrig fort, bis es mehr waren als zuvor.

Großer Zorn packte Jawharl angesichts dieser dreisten teilbehaarten Wesen. Er rüttelte ein wenig an der Umlaufbahn des Planeten, um starke Klimaschwankungen mit enormer Kälte hervorzurufen. Doch die hässlichen Geschöpfe überlebten selbst dieses Ungemach. Sie machten sogar Fortschritte, die Jawharl schaudern ließen.

Voller Ingrimm ließ Jawharl eine der Klimaschwankungen dafür sorgen, dass die Küstengebiete, wo viele der Wesen lebten, überschwemmt wurden. Kurzfristig sah es so aus, als hätte er Erfolg gehabt mit dieser Methode. Doch dann erholten sich die paarungsfreudigen Geschöpfe und vermehrten sich wie nie zuvor. Den gesamten Planeten nahmen sie in Besitz.

Als die grässlichen Landbewohner in ihrer eifrigen Beschränktheit auch noch den Lebensraum von Jawharls Volk bedrohten, flackerte Jawharl vor lauter Erregung rot auf.

"So geht das aber nicht!", rief Jawharl empört und die Wellen seines Ausrufs setzten sich auf dem Planeten in Form von heftigen Erschütterungen fort. "Mein Volk soll Herrscher dieses Planeten werden. Sowohl im Wasser als auch auf dem Land. Wie kann ich mich dieser anderen abscheulichen Landungeheuer nur entledigen? "

Jawharl merkte, dass sich seine acht Arme im Sitz der Vergnügungszelle verheddert hatten. Einige seiner Saugnäpfe hafteten auf dem Sitzmaterial, was Jawharl Unbehagen verursachte. Er versuchte, sich wieder zu entspannen und versetzte sich zurück in sein Universum.

"Wo finde ich bloß einen geeigneten Brocken, der ausreicht, um diesen Zweifüßlern endlich den Garaus zu machen?"