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EMP - Ein Survivalroman

Kapitel 31


  
Im Traum hatte Fritz immer wieder sein Zelt in dem Stollen im Wald aufgebaut. Nach dem bestimmt hundertsten Mal wachte er entnervt auf und stellte fest, dass es noch nicht mal dämmerte. Ein Blick aus dem Fenster zeigte jedoch schon einen schmalen Streifen Licht, sodass er es vorzog, seiner Unruhe zu folgen, als sich wieder hinzulegen.

Die Botschaft der Träume war eindeutig gewesen. Er sollte sein Zelt im Stollen aufbauen. Das hiess auch, dass sein Unterbweusstes der Meinung war, dass es hier im Haus nicht sicher genug sei. Die Idee mit dem Zelt im Stollen gefiel ihm recht gut, denn dort war es bestimmt geschützter als draussen im aufkommenden Herbst. Ausserdem war er im Stollen besser vor Blicken geschützt. Vor der Feuchtigkeit würde ihn hoffentlich sein Zelt etwas schützen. An trockenes Zelten war zur Zeit leider sowieso nicht zu denken.

Seinen Morgenkaffee trank er im Dunkeln, um niemand durch künstliches Licht auf ihn hinzuweisen. Bis er damit fertig war, war es auch schon hell genug, um sich frei im Haus zu bewegen. Sein Windrad wollte er aktiv lassen, denn es war zuviel Arbeit, es jedesmal wieder neu zu montieren. Ausserdem wollte er gerne immer mal wieder Zugriff auf Strom haben. Im Übrigen sah sein Windrad eigentlich nicht sehr begehrenswert aus, denn es war zu grossen Teilen ein Eigenbau, was ihm das Aussehen einer bäuerlichen Schrulligkeit verlieh. Dass dieses wackelig wirkende Teil Strom produzierte, würde wohl keiner vermuten.

Ansonsten tarnte er alles, was auf seine Technik hinweisen könnte, sehr sorgfältig, damit kein unwillkommener Besucher merken würde, dass dieses Haus für die aktuelle Situation optimal ausgestattet war.

Bevor er sich auf den Weg zu seinem Versteck machte, schaltete er nochmal seine Funkanlage an, um zu überprüfen, ob seine Eltern bereits auf seine Nachricht geantwortet hatten. Als er die Nachricht von seinem Vater las, war er sehr froh, dass er sich schon von selbst dazu entschiedenen hatte, wieder vorsichtiger zu sein. In seiner Rückantwort konnte er ihm daher glaubhaft versichern, dass er vorsichtig sein würde. Fritz schrieb seinen Eltern, dass er von jetzt ab bei jeder Gelegenheit Kontakt aufnehmen würde, aber dass es unklar sei, wie oft ein Hochfahren seiner Funkanlage möglich sein würde.

Der Stollen, den er bisher immer als dunkles, kaltes Loch wahrgenommen hatte, schien ihm nach dem Aufstieg durch den herbstnassen Wald wie ein Hort der Gemütlichkeit. Mit seinen sieben Metern Tiefe war dieser Stollen ein lebenslanges Rätsel für Fritz gewesen. Anscheinend wurde der Bergbau hier aufgegeben, bevor sie richtig angefangen hatten. Die Entfernung zu den üblichen Aufenthaltsorten von Jugendlichen war wohl gross genug, sodass er nicht durch Müll und Uringestank unbrauchbar geworden war. Allerdings roch es ein wenig modrig, aber nur schwach, sodass man es gerade so aushalten konnte.

Das Zelt war schnell aufgebaut und eingerichtet. Fritz war gleich wohler zumute, jetzt wieder ein zweites Zuhause zum Verstecken zu haben. Den Rest des Tages verbrachte er vorwiegend damit, sich den Stollen so wohnlich wie möglich herzurichten. Am Spätnachmittag ging er nochmal zu seinem Haus, meldete sich bei seinen Eltern und hielt Ausschau, was in der Stadt vor sich ging.

Die Vorgänge in der Stadt gaben ihm Rätsel auf. Die umherziehenden Menschengruppen wirkten unheilvoll, obwohl er eigentlich nichts Genaues erkennen konnte. Er beschloss, am nächsten Tag einen Spähausflug in die Stadt zu unternehmen, um auf den neuesten Stand zu kommen.

Gegen Abend sah er von seiner Höhle aus einen Schatten durch den Wald laufen. Leider war der Schatten schon weg, als er seinen Feldstecher darauf richtete.

Wer das wohl gewesen war? Ob die Plünderer jetzt auch durch den Wald zogen?

Von der Bewegung her schloss Fritz eher auf jemand, der mit dem Wald vertraut war. Da fiel ihm der alte Jäger ein, der ihn auf seinen ersten Jagdausflügen begleitet hatte. Der müsste hier immernoch in der Gegend wohnen, wenn er noch lebte. Oder vielleicht der Förster? Die Förstersfamilie lebte zwar tiefer im Innern des Waldes, aber auszuschliessen war es nicht.

Vielleicht sollte er mit diesen alten Bekannten seines Grossvaters Kontakt aufnehmen. Seit er das Haus übernommen hatte, war ihm vor lauter Arbeit kaum Zeit geblieben, alte Bekanntschaften zu pflegen, aber vielleicht könnte man das ja jetzt nachholen.

Voller interessanter Pläne für die nächsten Tage, fiel es Fritz an diesem Abend recht leicht, sich in seinem dunklen, feuchten Zelt zur Ruhe zu legen. Die Zukunft würde hoffentlich Bewegung in die Situation bringen.

Am nächsten Morgen machte sich auf den Weg in die Stadt, sobald er dort Bewegung auf den Strassen ausmachen konnte. Unterwegs zückte er an einer günstigen Stelle seinen Feldstecher, um sich die Situation nochmal schärfer anzusehen. Es sah so aus, als ob die Gangsterbande inzwischen angefangen hätte, Menschen im grösseren Stil zu verschleppen. All die Menschen, die sich teilweise heftig wehrten, wurden mit Waffengewalt in Richtung Neubauviertel getrieben.

Dieser Gefahr wollte Fritz sich lieber nicht direkt aussetzen, daher beschloss er, im grossen Bogen um die Stadt herum zum Neubau-Viertel vorzustossen. Dort angekommen freute er sich über seine Entscheidung, denn von seiner Waldseite aus hatte er fast ungehinderten Zugang, wohingegen alle Strassen von der Stadtseite aus stark bewacht waren.

Er fand eine Ecke im Wald, von der aus er mit seinem Feldstecher einen guten Ausblick auf grosse Teile des Neubauviertels hatte. Auf einem eingezäunten Sportplatz trieben Menschen Sport. Bei genauerem Hinsehen konnte Fritz erkennen, dass diese Menschen getrieben wurden, Sport zu treiben. Freiwillig taten sie es offensichtlich nicht, denn überall standen Männer mit erhobenen Waffen und bedrohten die Sporttreibenden. Der Sport erwies sich bei längerer Betrachtung als militärische Ausbildung und die Leute, die Fritz zuerst für Zuschauer gehalten hatte, stellten sich als aneinander gekettete Frauen heraus.

Wenn einer der gezwungenen Männer aufbegehrte, wurde mindestens eine der Frauen aus der Kette geholt und öffentlich geschlagen. Einmal half selbst das nicht, um den protestierenden Mann zum Gehorchen zu bringen, da wurde eine der Frauen sorgfältig ausgewählt und in ein Haus gebracht. Kurze Zeit später hörte man gellende Schreie aus dem Fenster, woraufhin sich der Mann widerstandslos seinen Peinigern ergab.

In Fritz Kopf setzten sich blitzschnell die Puzzlesteinchen zusammen, nachdem er das gesehen hatte. Anscheinend wurde die männliche Bevölkerung der Stadt zwangsrekrutiert und durch die Frauen unter Druck gesetzt.

Dieser Gefahr musste er unbedingt entgehen. Und er musste etwas dagegen unternehmen.

Auch wenn er alleine nicht dazu in der Lage war, es mit der ganzen Gangsterbande aufzunehmen, musste er sich etwas einfallen lassen, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

Nach einer Weile sah Fritz noch, wie die Gefangenen nach Geschlechtern getrennt in umzäunte bewachte Gehege gepfercht wurden. Wasser gab es anscheinend in Trögen, aber von Essen war nichts zu sehen und auch nichts von Decken oder Zelten.

Fritz war entsetzt. So sollten die Menschen die Nacht verbringen? Nur mühsam hielt er sich davon ab, schreiend ins Tal zu stürmen. Er beschloss am nächsten Abend mit seinem Nachtsichtgerät zurück zu kommen, um sich weiter vor zu wagen.

Das Wichtigste war jetzt, Verbündete zu finden. Ohne Verbündete hatte er keine Chance gegen die ganze Bande.

Daher machte er sich am nächsten Morgen auf den Weg zu dem alten Jäger, den er aus seiner Kindheit kannte. Am Gartentor bliebt er vorsichtshalber stehen und rief ein deutliches "Hallo" über den Zaun.

Nach dem dritten "Hallo" öffnete sich langsam die Haustür und die Spitze eines Gewehrlaufs kam zum Vorschein.

"Verschwinden Sie!" befahl eine Stimme von drinnen.

"Hallo, Sie kennen mich. Ich bin der Enkel vom alten Herrn Burkhardt.", entgegnete Fritz so laut er konnte, denn das Haus war ziemlich weit entfernt vom Gartentor.

"Der alte Burkhardt, so, so. Der ist tot.", tönte es von drinnen.

"Ja, und ich hab das Haus geerbt und bau es jetzt aus.", rief Fritz. "Wir waren früher zusammen jagen. Ich habe immer zuviel gezappelt.".

"So schlimm war das gar nicht mit dem Zappeln. Ich erinnere mich. Ganz schön gewachsen, das Bürschlein.", kam es nach einer Weile von drinnen.

Langsam öffnete sich die Tür etwas mehr, bis ein struppiges Gesicht erschien, dass Fritz aufmerksam musterte, sofern das über das Gartentor möglich war.

"Kommens rein. Ich will Sie sehen.", sagte der alte Mann bestimmend.

Fritz betrat das Grundstück und achtete darauf, keine schnelle Bewegungen zu machen, denn das Gewehr des Jägers war nach wie vor auf ihn gerichtet.

"Ok, umdrehen!", befahl der Mann.

Fritz drehte sich um. Insgeheim freute er sich über die strengen Vorsichtsmassnahmen des alten Mannes, denn das zeigte, dass er noch alle Sinne beisammen hatte.

"Ok, Sie können näher kommen. Tatsächlich. Dem Grossvater wie aus dem Gesicht geschnitten. Geht das mit dem Stillsitzen inzwischen besser?", griff er Fritz Thema von vorhin wieder auf.

"Manchmal, aber leider noch nicht immer.", antwortete Fritz wahrheitsgemäss.

Nach dieser Überprüfung durfte Fritz das Haus des Jägers betreten und wurde der Herrin des Hauses vorgestellt. Frau Ganter entpuppte sich als resolute gastfreundliche Dame, die sich sehr über den jungen Besuch freute.

Fritz erzählte von der Situation in der Stadt und dann stellte er fest, dass er den alten Leuten sogar die Situation der Welt erklären musste, denn den beiden war es bisher ein Rätsel gewesen, was eigentlich geschehen war.

Frau Ganter kicherte ein wenig, als ihr klar wurde, dass fast alle elektronischen Geräte zerstört seien und murmelte etwas von "Jugend". Ihr Man stiess ihr mahnend in die Rippen, was sie jedoch nicht sehr zu stören schien.

"So, so, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie nicht nur eine Dorfwehr für unser Viertel aufbauen, sondern auch noch die ganzen Gefangenen der Stadt befreien?" fragte Herr Ganter ganz unverblümt, nachdem Fritz seinen Bericht beendet hatte.

"Äh, ja, äh, wenn Sie es so fragen; eigentlich will ich genau das. Aber ich weiss, dass es ein hochgestecktes Ziel ist.", antwortete Frtiz auf diese schwierige Frage.

"Gut gebrüllt Löwe! Und zu diesem Zweck wenden Sie sich an einen alten Mann wie mich? Ich werde im Frühjahr 80. Da bin ich über das Alter der Abenteuer weit hinaus.", gab Herr Ganter zu bedenken.

"Das ist mir durchaus bewusst.", sagte Fritz - jetzt blos nicht sagen, dass er der einzige war, der mir eingefallen ist - dachte er hastig. "Aber Sie haben Erfahrung und ich kenne keinen Jungen hier, der es mit Ihnen aufnehmen kann. Ausserdem kennen Sie die anderen Nachbarn besser als ich.".

"Also gut, was eine Dorfwehr angeht, bin ich schon halb überzeugt. Aber schlag dir die Befreiungsaktion aus dem Kopf. Das ist nix für alte Männer.", erklärte Herr Ganter sein bedingtes Einverständnis.

Sie verabredeten, dass Fritz am nächsten Tag vor dem nächtlichen Auskunftschaften der Neubau-Siedlung nochmal bei Ganters vorbeikommen sollte. Bis dahin wollte Herr Ganter ein paar der Nachbarn aktivieren.

Als Fritz am nächsten Tag wiederkam, warteten ausser den Ganters drei alte Männer und ein aufgeregter Jugendlicher auf ihn. Die drei Männer waren Jagdfreunde von Herrn Ganter und der Junge war ein Enkel von einem der drei. Seine Eltern waren vor zwei Tagen in die Stadt gegangen, um Nahrungsmittel zu kaufen. Von dieser Tour waren sie nicht zurückgekehrt. Seitdem war der etwa 14-jährige Junge bei seinen Grosseltern und alle waren in grosser Sorge.

Die Andeutungen von Herrn Ganter und noch mehr der Bericht von Fritz verstärkte die Sorge aller Anwesenden. Nach einem kurzen Moment der Betroffenheit wurde jedoch der klare Wille zum Widerstand spürbar.

"Ob Vater und Mutter auch dort gefangen sind?", fragte der Junge seinen Grossvater. Dabei streifte sein Blick auch Fritz, als ob dieser eine Antwort wüsste.

Der Grossvater zuckte mit den Achseln und überliess Fritz das Wort.

"Vielleicht. Ich kenne deine Eltern ja nicht, und ausserdem konnte ich nichts Genaues erkennen.", wagte Fritz zu sagen. Diese Auskunft barg keinerlei Beruhigung für den Jungen. Aber etwas Besseres konnte er ihm nicht bieten.

"Hm, ich seh schon; da führt kein Weg dran vorbei.", räumte Herr Ganter ein. "Aber lassen Sie uns das in Ruhe angehen. Sie mein Junge,", damit wandte er sich an Fritz, "Sie schauen sich das ganze mal genauer an. Und dann will das Vorgehen wohl durchdacht sein.".

"Ok, ich werd mich auf den Weg machen.", sagte Fritz und nutzte die Gelegenheit, um sich zu verabschieden.

Bis zum Dunkelwerden dauerte es noch etwa zwei Stunden, daher konnte Fritz das Viertel wie am Tag zuvor aus sicherer Entfernung mit seinem Feldstecher beobachten. Die eingepferchten Gefangenen hatten sich innerhalb des einen Tages erschreckend vermehrt. Die meisten Mitglieder der Gangsterbande gingen in ein Gebäude, das wie ein Restaurant aussah, nachdem sie ihre neuesten Gefangenen bei den Pferchen abgeliefert hatten. Dieses Restaurant wollte Fritz sich später genauer anschauen.

Das Warten in der kalten Herbstluft fiel mal wieder schwer, aber Fritz fiel wieder ein, wie Herr Ganter erwähnt hatte, dass seine damalige Zappeligkeit gar nicht so schlimm gewesen sei. Das gab ihm Auftrieb und half dabei, die Zeit bis zur Dunkelheit geduldig durchzustehen.

Endlich war es dunkel. Fritz rückte sein Nachtsichtgerät zurecht und machte sich auf den Weg in die Höhle des Löwen. Es war schrecklich, einfach so an den Gefangenen vorbeizuschleichen, ohne ihnen zu helfen. Aus dem Frauenpferch hörte er vielfaches leises Weinen. Die Bewacher der Gefangenen richteten ihre Aufmerksamkeit ganz nach innen auf ihre Opfer, so als würden sie eine Befreiungsaktion von Aussen gar nicht in Erwägung ziehen.

Nach einigen Umwegen erreichte Fritz endlich das Restaurant. Es verdiente wohl eher die Bezeichnung "billige Spelunke", aber das spielte für Fritz Recherchen keine Rolle. Eine Weile beobachtete er den Eingang. Dabei stellte er fest, dass jeder Besucher, der reingehen wollte, von zwei bewaffneten Türstehern gründlich gefilzt wurde und seine Waffen abgeben musste. Anscheinend traute der Gangsterboss seinen eigenen Helfern nicht. Das war natürlich günstig für Fritz.

Die Fenster der Kneipe waren durch schwere Vorhänge vor neugierigen Blicken geschützt, aber Fritz fand einen Vorhang, der nicht richtig zugezogen war und daher einen Spalt zum Reinschauen offen liess. Vorsichtig schlich Fritz sich zu diesem Fenster und spähte hinein.

Drinnen sah es fast aus, wie in einer normalen grossen Kneipe. Überall standen Tische, an denen Leute sassen. Die meisten hatten Teller vor sich stehen, von denen sie begierig aßen. An einem besonders grossen Tisch sah Fritz einen übergewichtigen Mann im besten Alter, der sich mit einer dicken Goldkette, einer Zigarre und zwei jungen Mädchen schmückte. Hinter dem Mann standen zwei bewaffnete Leibwächter, die aufmerksam um sich blickten. Dieser Gangsterboss überliess wohl nichts dem Zufall.

Fritz duckte sich unter den Fensterrand, als der Blick des einen Leibwächters in seine Richtung schweifte. Hoffentlich hatte er ihn nicht gesehen. Die Aufmerksamkeit der Leibwächter schien aber eher auf das Innere des Raums gerichtet.

"Tja, Fenster aufbrechen, scharfe Handgranate reinwerfen und aus wär der Spass.", dachte Fritz bei sich. "Aber wer weiss, ob es die richtigen trifft und ausserdem würde es ein unnötiges Blutbad anrichten. Da muss man umsichtiger vorgehen.".

Nachdem er den Betrieb in der Kneipe eine Weile beobachtet hatte, zog Fritz sich vorsichtig wieder zurück. Die Vorgänge hier würde er im Auge behalten müssen. Um das Gefangenenlager machte er einen grossen Bogen, denn er war sich nicht sicher, ob er das ganze Elend sobald nochmal aus der Nähe ansehen konnte, ohne unüberlegt zu handeln.

Da es schon spät war, ging er nicht mehr zu Familie Ganter, sondern steuerte gleich sein Zuhause an. Dort schaute er nach dem Rechten und schrieb noch eine kurze Nachricht an seine Eltern. Dann ging er bedrückt in sein Lager im Wald, denn war sich nicht sicher, ob er die Nacht in seinem Haus riskieren konnte.

In seinem klammen Zelt lag er noch geraume Zeit wach und überlegte, wie er die Gangster am besten bekämpfen und die Gefangenen befreien könnte. Seinen Eltern hatte er nichts von seinen Befreiungsideen geschrieben, denn ihm war schon klar, was sie davon halten würden. Sein Vater würde es ihm mit aller Macht ausreden wollen, da er sich nur um seine eigene Sicherheit kümmern sollte und seine Mutter würde zwar Verständnis für seine Pläne haben, aber sie würde vor lauter Sorgen kein Auge mehr zu kriegen. Später, wenn alles hinter ihm lag, würde er ihnen alles erzählen.

Damals im Irak hatte er einige schwierige Situationen bestehen müssen. Dabei hatte er auch viel gelernt. Diese Erfahrung würde ihm jetzt hoffentlich zugute kommen.

Am nächsten Vormittag machte Fritz sich schon früh auf den Weg zu Herrn Ganter. Es drängte ihn danach, mit jemandem über seine Beobachtungen zu sprechen. Als er ankam, sass auch schon der Nachbar mit dem jugendlichen Enkel in der Küche. Herr Ganter schickte den Jungen zu den anderen beiden Nachbarn, um sie herzuholen.

Über die Abwesenheit des Jungen war Fritz recht froh, denn die Schilderung der Zustände im Gefangenenlager wollte er dem Jungen nicht so gern zumuten. Also erzählte er den beiden alten Herren möglichst zügig, was im Gefangenlager vor sich ging. Mit den Beobachtungen in der Kneipe wartete er, bis die anderen eingetroffen waren.

Frau Ganter versorgte die Männer unterdessen mit Kaffee und selbstgebackenem Brot. Ihr schien die Situation durchaus zu behagen.

Nach dem Bericht von Fritz waren sich alle Anwesenden einig, dass sie ihren kleinen Ortsteil unbedingt vor den Gangstern schützen mussten. So schnell wie möglich wollten sie eine Art Dorfwehr aufbauen. Mit der Befreiungsaktion waren sie sich nur einig, dass sie sich uneinig waren und zwar jeder in sich, denn eigentlich wollten alle die Stadtbewohner befreien, vor allem die Eltern des Jungen, aber keiner traute es sich so recht zu.

Also widmeten sie sich zunächst der Planung der Dorfwehr. Fritz bot ihnen seine Technik und einige Kameras an, um die Ortszugänge zu überwachen. Die alten Männer stellten eine Liste aller waffenfähigen Männer zusammen. Herr Ganter hatte genügend Waffen gesammelt, um den kleinen Trupp recht gut zu versorgen. Ausserdem war er nicht der einzige, der regelmässig auf die Jagd gegangen war und eigene Waffen besass. Da die meisten dieser waffenfähigen Männer das Rentenalter schon deutlich überschritten hatten, schrieben sie unter die Liste dieser Männer noch alle vertrauenswürdigen jüngeren Männer auf, darunter als jüngsten den anwesenden Jungen. Viele waren es nicht und Fritz stellte mit Entsetzen fest, dass er der einzige Mann unter 60 war, der militärische Erfahrung hatte.

"Was ist mit erfahrenen Männern um die 40?", fragte er die alten Männer, denn diese Altersgruppe fehlte völlig.

"Die Söhne sind alle fortgegangen in die Stadt oder sogar noch weiter weg. Nur einer ist wieder hier, aber der hatte einen Schlaganfall und ist hilflos wie ein Baby. Der einzige andere ist der Vater von ihm hier.", dabei stupste er den Jugendlichen an. "Einige der Töchter sind mit ihren Kindern wiedergekommen, als ihre Männer sie verlassen haben. Diese Söhne stehen hier auf der Liste. Im Grunde genommen sind wir ein aussterbendes Dorf.", fuhr er fort.

Frau Ganter bot an, sich mit den anderen Frauen um die Verpflegung der künftigen Wachposten zu kümmern. Auch von Verbandmaterial murmelte sie etwas, aber davon wollten die Männer gar nichts hören, also ignorierten sie es.

Die alten Männer konnten es kaum abwarten, ihre alten Freunde zusammenzutrommeln, also zogen sie bald los auf der Suche nach Verbündeten.

Der Junge wollte am liebsten Fritz bei der Installation der Überwachungskameras helfen, weil er sich für Technik interessierte. Fritz war das ganz recht, denn es gab viel zu schleppen.

Dass der Junge Jakob hiess, hatte Fritz schon bei den Ganters erfahren. Nun erfuhr er auch, dass Jakob gerne Programmierer werden wollte und auch gerne an der Hardware rumschraubte. Daher war Fritz recht zuversichtlich, was Jakobs Hilfe anging.

Im Laufe des Nachmittags befestigten sie Fritz übrige Webcams an allen Zugängen des Ortes. Bei Jakob zuhause installierten sie eine zusätzliche Empfangsanlage, die Fritz aus den tiefen seines Kellers hervorzauberte. Dadurch war Jakob zu einem wichtigen Mitglied der Dorfwehr geworden, ohne dass er sich physisch in grosse Gefahr bringen musste. Jakob war auch sehr stolz auf seine wichtige Aufgabe. Natürlich konnte er die Überwachung nicht alleine übernehmen, daher stellten sie ein Team aus technikerfahrenen Jugendlichen und verlässlichen Müttern zusammen, das im Schichtdienst die Bildschirme überwachen sollte. Da die Jugendlichen ausserdem den alten Männern bei den körperlich anstrengenden Aufgaben unterstützen sollten, hatten sie wenigstens keine Langeweile und fühlten sich sehr wichtig.

Für den Ernstfall sollten die Jungen ausserdem eine kurze Ausbildung an den Waffen und im Nahkampf erhalten. Fritz stellte sich für den nächsten Tag zu einer Einführungsstunde zur Verfügung. Die alten Männer erhofften sich davon eine gewisse Vorbildwirkung, denn ein junger Krieger wie Fritz war als direktes Vorbild interessanter als ein Haufen alter Männer. Als Herr Ganter diese Bemerkung fallen liess, mussten alle Anwesenden herzlich lachen, aber irgendwie leuchtete sie allen ein. Den Rest der Ausbildung wollten die alten Männer aber unter sich aufteilen, denn Fritz hatte noch viel mit der Auskunschaftung des Gegners zu tun und diese Aufgabe konnte nur er allein erledigen.

Mitten in die erste Übungsstunde am nächsten Tag platzte ein junges Mädchen, dem schnaufend ihr Grossvater folgte. Offensichtlich hatte der alte Mann das Mädchen aufhalten wollen.

"Ich will auch hier mitmachen. Beim Bewachen kann ich mich viel nützlicher machen, als beim Kochen und Tratschen. Schliesslich bin ich jung und kräftig. Und ich kann besser Bäume klettern als die meisten der Jungs.", sagte das Mädchen und schob trotzig das Kinn nach vorne.

"So, so, du kannst also gut auf Bäume klettern.", antwortete Fritz. An die Jungs gewandt fragte er: "Stimmt das, was sie sagt?".

Die meisten der Jungs schauten etwas betreten zu Boden und murmelten dabei etwas, was man mit viel Fantasie als Zustimmung verstehen konnte. Das Mädchen musste echt eine Wucht im Bäume-Klettern sein.

"Wie alt bist du?", wollte Fritz wissen.

"16. Und ich heisse Laura.", kam die Antwort, wie aus der Pistole geschossen.

"Ok, alt genug, um Verantwortung zu übernehmen. Du wirst hier aber keine Sonderrolle kriegen. Wir werden dich genauso hart rannehmen, wie die Jungen. Auch wenn den alten Herren das schwer fallen wird. Wir werden es versuchen.", akzeptierte Fritz das Mädchen in der Jungkrieger-Gruppe.

Lauras Grossvater gab sich geschlagen, denn er erkannte, dass man Mädchen heutzutage nicht mehr so behüten konnte wie früher.

Die Jungkrieger waren hochmotiviert, was ihren allgemein schwachen Grundzustand etwas ausglich. Fritz war schon in seiner Militärzeit entsetzt gewesen, wie unbeweglich die meisten jungen seines Alters waren. Diese Entwicklung hatte sich offensichtlich bei den jüngeren noch verstärkt. Aber sie gaben sich redlich Mühe, sodass Fritz nach ein paar Stunden halbwegs zufrieden war. Das Mädchen war, wie angekündigt, eine der beweglichsten der ganzen Gruppe.

Mit seinen Überwachungsgeräten kamen die Jugendlichen glücklicherweise sehr viel besser klar. Zusammen mit den vernünftigen Frauen konnte er ihnen die Überwachung des Dorfes vertrauensvoll überlassen.

Wegen der zusätzlichen Überwachung traute Fritz sich in dieser Nacht zuhause zu schlafen, denn er wäre sich albern vorgekommen, wenn er sich als einziger Dorfbewohner im Wald verkrochen hätte, wo doch jetzt eine Dorfwehr in Entstehung begriffen wäre. Schon bei einem Überfall in dieser Nacht würden sich eventuelle Angreifer erbittertem Widerstand gegenübersehen, in einer Gegend, wo sie nur alte Leute und Kinder erwarten würden.

Insgesamt war Fritz mit den Ergebnissen der letzten Tage recht zufrieden. Nur für die Befreiung der Stadtbewohner würde er sich noch einen guten Plan ausdenken müssen.

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