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EMP - Ein Survivalroman

Kapitel 15


  
Lautes Rumpeln liess Ronja aus dem Schlaf schrecken. Schreckerstarrt lag sie in ihrem Bett und versuchte zu klaren Gedanken zu kommen. Wo war sie? War noch Nacht? Was war los? Sehr schnell erinnerte sie sich, dass sie in ihrem Bett lag, aber es dauerte etwas länger, bis sie dem Rumpeln eine Beduetung zuordnen konnte. Anscheinend war im Haus einiges los. Sie hörte Stimmen, Schritte und Schläge. Anscheinend waren die lärmenden Leute noch unterhalb ihres Stockwerkes, aber die Geräusche näherten sich beängstigend schnell.

Wie versteinert lag Ronja da und hörte zu all dem Lärm auch noch ihr Herz so laut schlagen, als wäre sie gerade 10 km weit gelaufen. Ihr Atem dröhnte in ihren Ohren. Sie lauschte. Unten schien die Hölle los zu sein. Wahrscheinlich brauchten die Plünderer Nachschub. Angstvoll blieb sie liegen und versuchte, sich nicht zu bewegen.

Da, plötzlich ging ihre Schlafzimmertür auf. Ihr Herz blieb fast stehen vor Schreck. "Ich habe schlecht geträumt" erklang eine weinerliche Stimme. Sofort fasste Ronja sich wieder und raunte "Pssst, komm her." Leise jammernd kam Anna näher und kuschelte sich unter Ronjas Bettdecke. "Du musst ganz leise sein, denn draussen sind Leute. Die sollen uns nicht hören. Alles wird gut." flüsterte Ronja ihrer Tochter ins Ohr und drückte sie an sich.

So lagen sie eine Weile unter der warmen Bettdecke und lauschten gemeinsam. Mit der kleinen Anna an ihrer Seite fand Ronja es nicht mehr ganz so schlimm, obwohl das ja eigentlich absurd war, sich durch ein kleines Kind getröstet zu fühlen. Die Geräusche in ihrem Stockwerk wurden allmählich lauter. Dann rumpelte es ganz in der Nähe, als würde der Lärm von ihrer Wohnungstür her kommen.

Sie hörten Stimmen. "Lasst mich mal ran. Das geht viel einfacher." "Aber mit dem hier macht es mehr Spass". Ronja erstarrte. Hatte sie die Tür auch richtig zugeschlossen? Der Schrank stand davor, aber die Tür? Es klackte leise. "Siehste, ging doch ruckzuck." "Oh Mist. Da steht was vor der Tür. Ich krieg sie nicht auf. Hilf mal drücken." Ein langgezogenes Quietschen und Kratzen war zu hören, als die Plünderer den Schrank anscheinend in Bewegung setzten.

"Mama" stiess Anna angstvoll aus. "Sssschh" raunte Ronja ihr in Todesangst zu. Zitternd klammerten sie sich aneinander.

"Ach lass mal, das ist zuviel Action. Lass uns weiterziehen." "Aber vielleicht gibts hier was zu holen." "Leute mit Kindern sind doch alle Hungerleider, wenn sie in so ner Gegend wohnen. Das lohnt nicht. Und willste die Kleine massakrieren? Mir reicht schon die verschreckte Alte in der anderen Wohnung. Da gabs auch nix ausser Gewimmer. Lass uns weiter nach oben gehen. Da gibts bestimmt noch viel zu holen.". Schritte entfernten sich von Ronjas Wohnung und kurz darauf hörten Sie Lärm im Stockwerk über ihnen.

"Oh meine Kleine, du hast uns gerettet." stürmisch umarmte Ronja ihre Tochter, die immernoch angststarr im Bett lag. "Sind sie wirklich weg?" fragte Anna leise. "Ja, ich glaube schon. Hörst du, sie sind jetzt weiter oben." Der Lärm von oben war unbeschreiblich.

Die Schlafzimmertür öffnete sich wieder und nach einem kurzen Schreck erkannte Ronja Nanni, die wohl auch von dem Lärm aufgewacht war. Nach kurzer Aufforderung legte sie sich zu den anderen ins Bett und gegenseitig gaben sie sich mit ihrer Körperwärme Trost. Anna erzählte flüsternd, was geschehen war. Einerseits waren sie sehr erleichtert und andererseits machten sie sich Sorgen um ihre alte Nachbarin. Ob sie wohl massakriert worden war. Oder ob sie auch auf Mitleid gestossen war?

Der Lärm von oben und teilweise auch von unten dauerte noch lange. Alle drei lagen in der Dunkelheit und lauschten den angsteinflössenden Geräuschen. An Schlaf war nicht zu denken.

Nach geraumer Zeit konnten die beiden Erwachsenen jedoch Annas gleichmässige Atemzüge hören und nickten sich kaum sichtbar zu. Jede hing ihren Gedanken nach und die Zeit zog sich endlos hin. Irgendwann wurden die Geräusche aber leiser und verebbten schliesslich ganz und nach und nach fielen die beiden Frauen in einen leichten Schlummer.

Wieder war es Lärm, der Ronja erwachen liess. Es war immernoch dunkel. Das hatte aber nichts zu sagen, weil der Rolladen ja vollständig runtergelassen war. Der Lärm war anders, als der Lärm der Plünderer und kam anscheinend aus dem Wohnzimmer. Nanni lag nicht mehr im Bett. Also rappelte auch Ronja sich leise auf, möglichst ohne Anna zu wecken, und ging ins Wohnzimmer.

Dort stand Nanni und stülpte gerade einen Pappkarton über einen Eimer. "Was treibst du denn da?" fragte Ronja neugierig. "Och, heute Nacht hatte ich viel Zeit nachzudenken. Und weil meine Blase gedrückt hat, habe ich über das Kloproblem nachgedacht. Pinkeln geht ja noch, aber die grösseren Geschäfte sind echt lästig. Und ich hab auch keine Lust, jedesmal zu den Nachbarn zu gehen. Ausserdem sind die Klos dort auch schnell voll. Und dann fiel mir die grausliche Geschichte von Gefangenen ein, die in einem Lager mit lauter leeren Einmachgläsern eingesperrt waren. Bis sie gerettet wurden, hatten sie alle Gläser fein säuberlich mit ihren Exkrementen gefüllt. Die Vorstellung widert mich so an, dass ich sowas auf jeden Fall vermeiden will. Also habe ich nachgedacht und nachgedacht und alle Dinge durchgedacht, die wir so im Haus haben, ob sie als Ersatzklo dienen könnten. Und irgendwann sah ich einen Eimer vor mir, mit einer Mülltüte drin. Und dann stellte ich mir vor, wie ich mich da draufsetze und mir wurde klar, dass das sehr wackelig sein würde. Und dann fiel mir ein, dass man über den Eimer ja eine Kiste mit Loch stellen könnte, auf die man sich dann draufsetzt. Schau, dieser Karton passt genau über den Eimer und er ist recht stabil. Jetzt muss ich nur noch ein Loch reinmachen. Und dann ein Stück Pappe als Deckel."

Ronja nickte verstehend und besah sich Nannis Konstruktion von allen Seiten. "Das könnte funktionieren." sagte sie, "Bau das Ding mal fertig, ich stell mich dann zum Testen zur Verfügung. Währenddessen geh ich einen Kaffee kochen.". Zuerst ging sie jedoch pinkeln, denn das war ja möglich und diente der Spülung der Feststoffe. Angesichts der Zustände im Bad fand sie Nannis Ersatzklo-Idee immer besser.

Langsam zog sie anschliessend den Wohnzimmer-Rolladen soweit hoch, dass sie auf den Balkon gehen konnte. Das vorhandene Brennmaterial würde wohl noch gut für einen Kaffee reichen. Später würde sie sich nach geeignetem Material für zukünftige Kochaktionen umschauen müssen. Ronja spähte über die Balkonbrüstung und sah die gleichen Lager wie zuvor. Etwas abseits lag ein Mensch bewegungslos auf dem Boden, umgeben von einer dunkelroten Lache. Ein paar Krähen hüpften auf ihm rum und pickten. Schaudernd zog Ronja sich von der Balkonbrüstung zurück und hoffte, nicht entdeckt zu werden.

Das Feuer war schnell entzündet und bald fing das Wasser an zu simmern. Der Kaffee, den sie in das Wasser streute, lies einen angenehmen Duft aufsteigen. Schnell trug Ronja den Kaffee nach drinnen und zog die Balkontür hinter sich zu. Nanni kam ihr schnuppernd entgegen und zeigte ein stolzes Lächeln. Am Küchentisch sitzend und langsam den heissen Kaffee schlürfend berichtete sie, dass sie ein schönes Loch in den Kartondeckel geschnitten hätte. Und dass der erste Sitztest (angezogen natürlich) erfolgreich verlaufen sei.

Während sie noch dasassen kam Anna im Nachthemd in die Küche geschlurft und sagte "Mama, ich hab heute nacht schlecht geträumt und dann bin ich in deinem Bett aufgewacht." "Ja, mein Schatz." sagte Ronja ohne weitere Erklärung und nahm ihre Tochter in den Arm. Die beiden Frauen leisteten ihr beim Frühstück Gesellschaft und erzählten von dem Klo-Experiment. Anna beeilte sich bei ihrem Müsli, weil sie neugierig auf das neue Klo war.

So zogen sie also bald gemeinsam zum Bad und Nanni trug stolz ihre Pappkiste, während Ronja den Eimer mit der Mülltüte drin hinterhertrug. Sie bauten die Konstruktion vor der Dusche auf, denn die Dusche war zur Zeit sowieso zu nichts nütze. "Und wer probiert es jetzt aus?" fragte Nanni. "Natürlich die Schöpferin dieses Meisterwerks der modernen Technik." antwortete Ronja. Diskret verliessen Ronja und Anna das Bad und warteten gespannt ab. Nach einer Weile kam Nanni wieder raus und zeigte eine sehr zufriedene Miene. "Aha, es klappt also. Anna, willst du auch mal?" bemerkte Ronja. Als Anna nickte, erklärte Ronja: "Gepinkelt wird ins normale Klo. Wurst und Klopapier kommen in das Pappklo. Und nachher den Pappdeckel zumachen." Anna nickte nochmal und ging ins Bad. Als letztes war die Reihe an Ronja und auch sie war von den neuen Möglichkeiten begeistert.

"Jetzt brauchen wir nur noch einen ordentlichen Schwung Wasser, um die Reste im normalen Klo runterzuspülen. Dann ist unser Bad wieder ziemlich gut." stellte Ronja fest. "Ja, darüber habe ich heute Nacht auch nachgedacht und dabei ist mir was eingefallen. Ich hab nämlich vor einer Weile mal einen Typen besucht, der oben im Penthouse wohnt. Der hat einen Swimming-Pool. Zum Trinken ist das zwar nix, wegen dem Chlor, aber ein bisschen Chlor könnte unserem Klo durchaus guttun, vor allem in Verbindung mit viel Wasser." erklärte Nanni der erstaunten Ronja. "Das ist ja wunderbar, hoffentlich ist auch Wasser im Swimmingpool." sagte Ronja.

"Und auch sonst haben wir heute wohl viel zu tun. Wir sollten unsere Tür verstärken, mehr Nahrungsmittel organisieren, sonst holen die Plünderer alles weg, dann brauchen wir Kerzen, Mülltüten und Brennmaterial und natürlich Wasser. Und wir sollten nach Frau Walther schauen." "Tja, dann lass uns mal loslegen. Vielleicht sollten wir mit Frau Walther anfangen und ihr auch noch ein bisschen Wasser vorbeibringen." schlug Nanni vor. Sie füllten das Wasser aus der Gieskanne in mehrere Töpfe, Schüsseln und eine leere Mineralwasserflasche, um ein leeres Gefäss für neues Wasser zu haben, schoben den Schrank von der Tür weg und besahen erstmal den Schaden am Türschloss. Doch da war nichts kaputt. Die Tür war einfach wie angelehnt. Wahrscheinlich hatte der Plünderer die Tür mit einer Kreditkarte geöffnet. Nun, in der nächsten Nacht würden sie die Tür richtig zuschliessen. Die Gefahr war zu dicht gewesen.

Sie gingen zur Nachbars-Tür und klopften und riefen. Nach einer Weile öffnete Frau Walther zaghaft die Tür und sah noch zerzauster aus, als am Tag zuvor. Sie erzählte ihnen, dass die Plünderer wieder da gewesen seien, ihr aber nichts getan hätten. Nur einer hätte im Zorn ihre Lieblings-Engelfigur an der Wand zerschmettert. Über das mitgebrachte Wasser freute sie sich, erwähnte aber, dass die andere Flasche noch gar nicht ausgetrunken sei. Sie sah ein bisschen traurig aus, als die anderen sagten, dass sie noch viel vorhätten und aufbrachen.

Zuerst wollten sie zum Penthouse, denn darauf waren Ronja und Anna inzwischen sehr neugierig geworden. Also stiegen sie die sieben Stockwerke nach oben und schlossen die Tür zum Dach auf. Oben angekommen standen sie auf einem kleinen Hof mit einer hüfthohen Brüstung. An einer Seite war eine mehr als mannshohe Mauer mit einer Tür in der Mitte. Nanni sprang vom Gehweg auf den Kies und suchte auf dem Boden vor der Brüstung rum. Nach kurzer Zeit sprang sie wieder auf und hielt triumphierend einen Schlüssel in der Hand. "Der Typ ist nicht oft da, und er hat mir erlaubt, in seinem Swimming-Pool zu schwimmen. Und das habe ich im Sommer öfters mal getan." "Was? Und das hast du mir nicht erzählt?" entrüstete sich Ronja. "Ich durfte nichts verraten. Aber jetzt ist ja ein Notfall."

Sie öffnete die Tür und der Blick der drei fiel zuerst auf einen schönen blauen Swimming-Pool. Er war bestimmt zehn Meter lang und enthielt mehr als genug Wasser, um ihr Klo zu spülen und sich mehr als einmal zu waschen. Ronja ging sofort mit ihrer Giesskanne zum Wasser und füllte sie bis zum Rand. "Kommt, lasst uns reingehen. Da drin isses echt cool." schlug Nanni vor, "Die Giesskanne kannst du ja mit reinnehmen, dann können wir uns drinnen waschen." Ronja war ein wenig skeptisch, ob sie einfach bei jemand fremdes eindringen sollten, aber Anna wollte unbedingt und Nanni durfte ja schliesslich ganz offiziell.

Also gingen sie zum langgezogenen Penthouse und Nanni schloss die Tür auf. Hinter einem kleinen Windfang öffnete sich ein grosszügiges Wohnzimmer mit luxuriösen Möbeln. Nanni liess sich gleich aufs Sofa fallen und Anna tat es ihr nach. Ronja stand erst noch unentschlossen mitten im Raum, setzte sich dann aber dazu. Das Sofa war aus weichem weissen Leder. So nobel sass man nichtmal in ihrem Hotel. Vom Sofa aus konnte man durch ein grosses Fenster die Skyline der Stadt sehen. An einigen Stellen stiegen immernoch dicke Rauchwolken auf, aber sonst war die Aussicht einfach herrlich. Die Herbstwolken zauberten haufenweise bizarre Muster in den Himmel und leuchteten im Spiel von Licht und Schatten.

So sassen sie erstmal eine Weile da und genossen sprachlos die Aussicht. Nanni räkelte sich und sprang dann auf. Zielstrebig ging sie auf eine Tür zu und öffnete sie. "Hier schaut mal, was für eine geile Küche der Typ hat." rief sie den anderen beiden zu. Die anderen gingen auch zur Küche und Nanni hatte wirklich nicht übertieben. Die Küche stand dem Wohnzimmer in nichts nach. Nanni öffnete den Kühlschrank, der natürlich dunkel blieb, und etliche Flaschen mit Cola, Bier und Champagner enthielt. Essen war keines drin. Anschliessend öffnete Nanni eine Küchenschranktür nach der anderen. Ein hoher Schrank war voll mit Vorräten. Massenweise Fertig-Nahlzeiten standen neben Müsli, Kochzutaten, Konserven-Dosen, Kondensmilch und Pulverkaffee. Ronja und Anna fielen vor Staunen fast die Augen aus dem Kopf und Nanni präsentierte den Schrank, als hätte sie ihn soeben hergezaubert.

"Das können wir nicht machen." antwortete Ronja auf eine nichtgestellte Frage. "Doch, das ist bestimmt ok. Der Typ hat Geld wie Heu und in jeder Metropole eine schicke Wohnung. Der sitzt bestimmt grad in Sydney und guckt in den Nachrichten, was für ein Chaos hier herrscht. Oder er lässt sich in Rio von einer Schönheit den Rücken massieren. Das mag er nämlich gern. Weil der überall nur so selten ist, hat er überall haltbare Vorräte, ist doch logisch." "Aber..." "Nix aber. Wir brauchen ja nur nehmen, was wir zur Zeit brauchen." "Hm, hm, irgendwie macht das Sinn, was du sagst, aber ich hab dennoch Skrupel." "Mama, schau mal der hat ganz leckeres Schoko-Müsli. Biittte!" "Also gut, aber nur ein paar Sachen. Und wir machen nix unordentlich und dreckig."

"Ok, einverstanden. Also schaun wir mal, was wir so brauchen können." sagte Nanni und griff nach dem Müsli und einem Glas mit Kaffee. "Guck mal, der hat auch Milchpulver und Dosenmilch." rief sie und hielt voller Freude eine Packung mit Milchpulver in die Höhe. "Gib mir mal die Tasche, die du mitgenommen hast." Zügig packte sie verschiedene Packungen in die dargebotene Tasche, die schnell schwerer wurde. "Was wollen wir heute abend essen?" fragte sie und zeigte auf die Fertig-Gerichte. "Linsensuppe wäre prima. Da reicht auch eine Dose für uns alle." schlug Ronja vor. Schwupps landete eine Dose Linsensuppe in der Tasche. "Jetzt reicht es aber." sagte Ronja streng. "Nur noch die Limo da hinten." bettelte Anna. "Na gut. Sonst noch superdringende Wünsche?". "Nein, ok, es reicht für heute." sah Nanni ein und auch Anna nickte zufrieden.

"Und jetzt waschen. Du darfst zuerst, weil du das Wasser geschleppt hast." schlug Nanni vor. Das Bad war ähnlich gut ausgestattet, wie die Küche. Und das Beste war: Es hatte ein Fenster und daher konnte man alles wunderbar sehen. Ronja goss Wasser aus der Giesskanne in das verstöpselte Waschbecken und war froh, sich mal wieder richtig waschen zu können, obwohl das Wasser deutlich nach Chlor roch. Ein heisses Bad wäre jetzt toll gewesen. Am besten in der grossen Badewanne hier. Nach dem Waschen betrachtete Ronja kritisch ihre Haare. Die waren auch längst überfällig. Sie ging ins Wohnzimmer zu den anderen und fragte Nanni, ob sie ihr helfen könnte. Ausserdem füllte sie die Giesskanne wieder nach und holte auch die andere Giesskanne gefüllt nach drinnen, um genug Wasser zum Spülen zu haben. Nanni kam auch ins Bad und goss Ronja das Wasser über den Kopf während diese sich über die Badewanne beugte. Das Shampoo schäumte auch bei der zweiten Wäsche nicht richtig, aber es war besser als gar nicht. Nach dem Spülen fühlten sich die Haare seltsam stumpf an und rochen nach Chlor. Aber immerhin waren sie wieder sauber.

Als nächstes war Nanni an der Reihe und zum Schluss kam Anna dran, die sich aber weigerte, sich die Haare waschen zu lassen. Stattdessen liess sie sich Zöpfe flechten. Inzwischen waren alle hungrig geworden und selbst Ronja liess sich leicht überreden eine Packung Knäckebrot und eine Dose Thunfisch zu öffnen und zu essen. Nach dem Essen machten sie alles wieder sauber und packten die leere Dose sorgfältig in eine Plastiktüte, damit die Küche nicht danach roch, wenn sie im Mülleimer lag. In der Schublade mit den Plastiktüten lagen mehrere Packungen mit Mülltüten und Ronja wog nachdenklich eine davon in der Hand. "Auf komm, trau dich. Das kann er bestimmt verschmerzen, wenn wir uns ein paar Mülltüten ausleihen." ermutigte Nanni sie. Ronja nickte und steckte die Mülltüten in ihre Tasche. Irgendwie fühlte sie sich schuldig. Aber dann stellte sie sich einen braungebrannten Mann am Strand mit Whiskey in der Hand vor und dachte sich, dass so einer ein paar ferne Mülltüten und Vorräte wohl entbehren können würde. Wenn er irgendwann zurückkommen würde, wäre sie auch gerne bereit, ihm ein paar Mal den Rücken zu massieren, um sich zu revanchieren.

Dann drängte sie zum Aufbruch, aber die beiden anderen wollten nochmal genüsslich pinkeln gehen, weil man hier ja fast normal spülen konnte, mit dem Wasser aus dem Swimmingpool. Schliesslich pinkelten sie alle drei nochmal und der Weg vom Swimmingpool durch das Wohnzimmer ins Bad, beladen mit Giesskannen, wurde schon fast zur Gewohnheit.

Endlich waren alle zum Aufbruch bereit und Ronja kontrollierte nochmal alle benutzten Räume, ob alles in Ordnung war, dann schlossen sie die Tür wieder sorgfältig zu. Sie füllten die Gieskannen ein letztes Mal und verliessen das Grundstück, nicht ohne die schwere Eingangstür auch zu verschliessen und den Schlüssel wieder an der alten Stelle gut zu verstecken. Auch die Tür zum Dach schlossen sie mit ihrem eigenen Schlüssel sorgfältig zu, denn sie wollten nicht riskieren, dass jemand fremdes aufs Dach kam.

Der Weg nach unten mit der schweren Last war lang und Anna sprang fröhlich vor den beiden Erwachsenen her, ihre Limo-Flasche als Beute fest in den Händen. Die beiden Frauen brauchten deutlich länger, um nichts von dem Wasser in den Gieskannen zu verschütten. Irgendwann waren sie aber in ihrem Stockwerk angekommen und trugen ihre Beute in die Wohnung. Ihre Situation wurde eigentlich von Tag zu Tag besser. Wenn nur die nächtlichen Plünderer nicht wären.

Da fiel Ronja wieder die Verstärkung der Tür ein. Sie fragte Nanni, ob sie eine Idee hätte, wie man das am besten bewerkstelligen könnte. Nanni schien auch ratlos. Ronja holte ein Stück Papier und skizzierte eine Tür mit drei Balken, die von grossen eckigen Haken an der Wand gehalten wurden. "So könnte ich mir das vorstellen. Ein paar Schrauben und Dübel hab ich noch. Wir brauchen also nur noch Haken und Balken. Und dann noch irgendwas, womit wir Löcher in die Wand machen können." Nanni schüttelte den Kopf: "Womit willst du denn Löcher in die Wand kriegen? Willst du die etwa reinpulen?". "Ja, sowas wie reinpulen. Oder hast du ne bessere Idee?". "Noe, da fällt mir im Moment auch nix besseres ein. Probier doch aus, ob du ein Loch in die Wand pulen kannst.".

"Ja, das ist vielleicht ein guter Tipp." sagte Ronja und machte sich auf die Suche nach ihrem kleinen Werkzeug-Kasten. Sie fand ein schraubenzieherähnliches Gerät, das wie ein Dorn geformt war. Anscheinend das optimale Werkzeug für ihren Zweck. Sie ging zur Wand neben der Tür und fing etwas oberhalb des Schlosses an zu stochern. Zuerst ging es ganz einfach, die Öffnung wurde nur zu breit. Sie frohlockte. Aber nach etwa einem Zentimeter stiess sie auf harten Widerstand. Da rührte sich nichts mehr, obwohl Ronja stocherte, drehte, hieb und schlug. Nach zehn Minuten gab sie etwas entmutigt auf. "Mist. So geht das nicht." sagte sie, "Aber morgen lass ich mir was einfallen und heute wird wenigstens richtig abgeschlossen. Und vielleicht sollten wir noch was in den Schrank räumen, damit er schwerer ist."

Leicht frustriert ging Ronja zurück ins Wohnzimmer. "Wir sollten ins Penthouse ziehen." schlug Nanni vor. Ronja starrte sie entsetzt an, "Was? Nein! Wir sind doch hier zuhause. Wer soll denn nachts auf unsere Sachen aufpassen?". "Stimmt schon, aber dort wären wir sicherer. Da sind drei Türen zwischen uns und den Plünderern." "Da hast du wohl recht, aber ich häng an meinen Sachen hier. Dort oben würde ich mich schrecklich fühlen." "Na gut, dann lass uns hierbleiben." räumte Nanni ein. Man konnte ihr aber ansehen, dass sie den Gedanken eines Umzugs ins Penthouse noch nicht endgültig aufgegeben hatte.

Ihr heimatliches Klo hatten sie inzwischen auch schon gut durchgespült und daher war das Bad nicht mehr so sehr ein Ort des Schreckens. Weil sie eigentlich genug für einen Tag eingesammelt hatten, beschlossen sie, an diesem Tag nicht mehr im Haus herumzustreifen und schlossen die Tür wie geplant sorgfältig zu, schoben den Schrank davor und beschwerten ihn mit zusätzlichen Dingen, die sie reinräumten.

Beim Kochen der Linsensuppe plagte Ronja wieder ein schlechtes Gewissen, aber zusammen mit einigen der Knäckebrotscheiben schmeckte sie einfach prima. Zum Abschluss des Tages spielten sie wieder einige Runden Skat und waren abgesehen von der Plünderer-Angst ziemlich guter Dinge. Wegen der unterbrochenen Nacht legten sie sich früh ins Bett und hofften, dass diese Nacht friedlicher verlaufen würde.

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