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EMP - Ein Survivalroman

Kapitel 13


  
Die Unruhe trieb Fritz schon im Morgengrauen aus dem Bett. Eigentlich hatte er ausser der Antennenverstärkung kaum noch was zu tun, aber er wollte unbedingt sehen, wie draussen die Lage stand. Er griff sich seinen Feldstecher und schaute zuallererst aus dem Schlafzimmerfenster, denn von dort hatte er einen recht guten Ausblick über die Stadt.

Im grossen und Ganzen sah es recht ruhig aus; aus vielen Schornsteinen stieg Rauch empor; deutlich mehr als sonst. Fritz dachte sich, dass wohl viele angesichts des Stromausfalls ihre alten Holzöfen wieder hervorgeholt hätten. Wohl dem, der sowas noch sein Eigen nennen konnte. Es war zwar ein frischer Morgen, aber er persönlich hätte bei diesen Temperaturen noch nicht ans Heizen gedacht und sich seinen kostbaren Brennholz-Vorrat lieber für wirklich kalte Tage aufgehoben. Wahrscheinlich war den meisten gar nicht klar, wielange der Strom wegbleiben würde.

Bei genauem Hinschauen konnte man einige Menschengruppen sehen, die durch die Stadt zogen. An einer Stelle konnte er verfolgen, wie eine solche Gruppe anfing auf die vernagelten Fenster eines Hauses einzuschlagen. Vermutlich hatten sie Äxte oder ähnlich wirksame Werkzeuge in den Händen, denn bald waren sie im Haus verschwunden. "Es ist also mitten im Gange mit der Plünderei", dachte sich Fritz. "Fragt sich nur, wann sie hier draussen ankommen." In Richtung seines Dorfes konnte er jedoch niemanden sehen, ausser ein paar verängstigt wirkenden Einzelpersonen, die eilig über die Strassen huschten.

Sein Blicke schweiften an der Flanke des Schwarzwalds entlang quer über die ganze Stadt,
wo in der Mulde eines Seitentals das Neubau-Viertel lag. Er dachte sich, dass dieses Viertel bestimmt sehr geeignet erscheinen mochte, um als Stützpunkt für Plünderergruppen oder Warlords zu dienen. Es gab Wasser, Sportanlagen, ein Einkaufszentrum und jede Menge orientierungslose Jugendliche, die nur darauf warteten, in einer gefährlichen Bande Mitglied zu werden. Fritz hoffte, dass die Plünderer eher von der neuen schicken Gegend als von seinem alten Dorf angezogen wären.

Er selbst hielt sein Dorf natürlich für viel besser. Vor allem lag es nicht in einer Mulde, sondern man konnte gut sehen, wer sich so den Hang hinaufbewegte, ausser an den Stellen, die von Bäumen verdeckt waren. Und es gab jede Menge Wiesen im Umfeld, die sich bei Bedarf gut in Felder verwandeln liessen.

Vorerst beruhigt von der Erkenntnissen beim Anblick der Stadt, setzte Fritz seinen Feldstecher ab und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Die Verlängerung der Antenne ging ihm durch den Kopf. Bei einer normalen Antenne hätte er zur Not einen metallenen Bettrahmen zur Verstärkung nehmen können, aber ob das Prinzip bei der WiFi-Anlage auch funktionieren würde?

Er suchte das passende Werkzeug und ein paar Drähte zusammen und machte sich an die Arbeit. Als ersten Versuch befestigte er die Verlängerung erstmal provisorisch, überprüfte dann die Webcams und ging zu seinem Lager im Wald, um zu überprüfen, ob er von dort Empfang hatte. Irgendwas kam an, aber die Qualität war miserabel. Also ging er wieder zum Haus und probierte weiter.

Bis er mit der Empfangsqualität einigermassen zufrieden war, musste er zehnmal den Berg rauf und runter marschieren, obwohl er seine neuen Einstellungen natürlich auch immer direkt vom Haus aus getestet hatte, um nicht noch öfter den Berg erklimmen zu müssen.

Zwischendrin beobachtete er immer mal wieder von seinem Zimmerfenster aus die Stadt. Auch die eine seiner Webcams zeigte ihm von Test zu Test deutlicher, dass in der Nähe alles ruhig war.

Inzwischen war es schon Mittag vorbei und Fritz hatte einen Bärenhunger vom vielen hin- und herlaufen. Da in seinem wärmer werdenden Kühlschrank noch Käse, Wurst und andere Dinge auf ihn warteten, wusste er auch schnell, wie er sein Loch im Bauch stopfen konnte. Beim Essen des Käses und später des Erdbeer-Jogurts fragte er sich, wann man wohl wieder Milchprodukte im Laden kaufen können würde. Er ass Milchprodukte sehr gern, aber auf die Haltung von Milchvieh hatte er sich bisher noch nicht eingestellt. Vielleicht ein paar Ziegen, wenn der Frühling kommt, dachte er sich. Einer seiner Onkel hielt mit grosser Begeisterung Ziegen, daher hatte er schon viel von den Höhen und Tiefen der Ziegenhaltung gehört und bei Besuchen auch gesehen.

Nach dem Essen gab es nichts mehr zu tun. Ausser warten, wie sich die Situation entwickeln würde. Fritz stieg wieder in sein Zimmer, um mal wieder die Stadt zu beobachten. Vielleicht sollte er hier auch eine Webcam installieren, dann hätte er einen Blickwinkel mehr. Da er noch zwei Webcams ausserhalb des hinteren Kellers hatte, war dies kein Problem.

Froh, doch noch etwas sinnvolles zu tun zu haben, widmete sich Fritz der neuen Aufgabe. Doch die war schnell erledigt.

Die andere Webcam packte er ein, um sie auf einem Baum bei seinem Lager zu montieren, denn von dort aus könnte er noch einen grösseren Bereich einsehen. Am Lager angekommen, suchte er einen geeigneten Baum aus. Eigentlich war der Baum der Wahl schon seit Jahren klar, denn auf den grössten der Bäume im Umfeld des Lagers war er schon als Junge geklettert und hatte sich über die gute Aussicht gefreut. Dennoch liess Fritz sich bei seinen Überlegungen viel Zeit, denn die anderen Bäume waren teilweise auch nicht schlecht und für den aktuellen Einsatz-Zweck vielleicht besser geeignet. Am Ende war es aber doch der alte Lieblingsbaum, den Fritz auswählte.

Bevor er den Baum bestieg, um die Webcam zu montieren, überprüfte er zunächst nochmal, ob die WiFi-Anlage immernoch ein gutes Bild lieferte. Sie tat es. Also griff er sich ein Seil zum Absichern, die Webcam und das mobile Empfangsgerät und steckte die nötigen Werkzeuge in seine Gürtel-Tasche. So bestieg er den Baum, was ihm immernoch erstaunlich leicht fiel, obwohl der Baum ihm kleiner als früher erschien. An einem geeigneten Ast befestigte er die Webcam erst provisorisch und testete den Empfang. Da war anscheinend was im Weg, denn das Bild war schlecht. Den Zweig, der das Bild störte, hatte er auch schnell entdeckt. Also suchte er eine andere Stelle aus, aber auch dort waren Zweige im Weg.

Diese Zweige (oder ihre Vorgänger) hatten beim menschlichen Beobachten natürlich nie gestört, was sie auch jetzt nicht taten, aber Elektronik war bei sowas leider empfindlicher. Ob er den störenden Zweig absägen sollte? Er war weit verzweigt, also eigentlich eher schon ein Ast und irgendetwas in Fritz sträubte sich, dem Baum einen Teil abzuschneiden. Dabei hatte er schon viele Bäume beschnitten und gefällt. Bei diesem Baum war es aber was anderes. Er war fast wie ein alter Freund.

Etwas ratlos setzte Fritz sich so bequem wie möglich auf den Astansatz und umfasste den Stamm des Baumes mit seinem Arm. Da sass er nun, wie viele Jahre zuvor und schaute auf die Stadt, die sich vor ihm ausbreitete. Erst von hier aus wurde ihm klar, wie sehr die Stadt in den letzten Jahren in die Breite gegangen war. Das Neubauviertel war in seiner Kindheit noch Wiese mit weidenden Kühen gewesen. Von seinem Platz aus konnte er sogar den Kran seiner Baustelle erahnen.

Lange liess er seine Blicke schweifen, bis ihm irgendwann der Hintern vom Sitzen auf dem Ast wehtat. Sein Gefühl sagte ihm inzwischen, dass der Baum es mochte, wenn jemand von ihm Ausschau hielt. Also waren Fritz Skrupel wegen des abzusägenden Astes auch geringer geworden. Er montierte die Webcam diesmal stabiler, nachdem er sie überprüft hatte und machte sich dann auf den Weg nach unten, um seine Klapp-Baumsäge zu holen, die noch am Boden lag.

Unten angekommen suchte er einen langen geraden Ast und band den Griff der Säge daran fest. Dann stieg er wieder auf den Baum und zog die Säge an einem Seil mit nach oben.

Kurz erklärte er dem Baum, warum er den Ast absägen müsse und bat ihn um Verzeihung. Dann atmete er ein paarmal tief durch. Nach kurzer Zeit schon war der Ast durchgesägt und fiel nach unten. Das war fast zu schnell gegangen.

Der Empfang und das Bild der Webcam waren jetzt aber ausgezeichnet. Auch die anderen Webcams konnte Fritz gut empfangen. Er blieb noch eine Weile sitzen, bis er sich wieder auf den Weg nach unten machte. Unterwegs musste er mehrmals den abgesägten Ast mit seinem langen Sägen-Stiel aus den anderen Ästen und Zweigen befreien, in die er sich beim Fallen verheddert hatte. Dieses Befreien dauerte jedesmal erheblich länger, als die eigentliche Sägeaktion. Endlich fiel der Ast bis auf die Erde und kurz darauf hatte auch Fritz wieder festen Boden unter den Füssen.

Die Überprüfung der WiFi-Anlage ergab gute Bilder von allen Webcams. Also hatte alles gut geklappt.

Was gab es jetzt noch zu tun? Abwarten. Abwarten und Beobachten.

Fritz war eigentlich viel zu unruhig, um still rumzusitzen; viel lieber hätte er noch etwas getan. Fritz dachte nach. Ob er noch was vergessen hatte? Ihm fiel nichts ein. Er hatte jetzt die Wahl, ob er den Rest des Tages hier oben im Lager oder unten im Haus verbringen wollte. Und auch für die Nacht hatte er im Prinzip die Wahl. Eigentlich konnte er noch eine Weile hier sitzen bleiben. Die Situation hatte er voll im Blick.

Also blieb er einfach sitzen und behielt die Umgebung, die Stadt und sein Empfangsgerät im Blick. Immernoch war alles ziemlich ruhig. In der Stadt mochte es Ärger geben, denn er sah immer mal wieder Gruppen von Menschen über die Strassen eilen und dann wieder verschwinden. Auch beim Neubauviertel tat sich nichts nennenswertes. Die Strasse zu seinem Dorf lag wie ausgestorben. Und vor seinem Haus wehten lose Teile des Sperrmülls im Wind.

Und so sass er und liess seinen Blick schweifen.

Bevor ihn seine innere Unruhe aufspringen liess, erinnerte er sich an den Jagdausflug, bei dem er Mal teilgenommen hatte. Sein Grossvater hatte mit dem hiesigen Jäger ausgemacht, dass Fritz mal zur Jagd mitkommen durfte, um so eine Jagd kennenzulernen. Fritz hatte in der Nacht davor vor lauter Aufregung kaum schlafen können, und dann war es ihm sehr schwer gefallen, lange Zeit ganz still im Hochsitz zu sitzen und zu warten. Doch er wollte den Jäger nicht enttäuschen und darum hatte er sich grösste Mühe gegeben, so still wie irgend möglich zu sein. Das war ihm damals auch mehr oder weniger gut gelungen, zumindest war der Jäger zufrieden gewesen und hatte ihn vor seinem Grossvater gelobt.

Als er daran denken musste, fiel ihm das Stillsitzen plötzlich viel leichter und er verspürte den gleichen Willen wie damals durchzuhalten und nicht in überflüssige Aktivität zu verfallen. Das entlockte ihm ein Schmunzeln, denn eigentlich hatte er sich inzwischen dem kleinen Jungen von damals weit überlegen gefühlt. Aber manche Dinge des Lebens begleiten einen eben über die Kindheit hinaus, dachte Fritz sich.

Allmählich kam er in eine ruhigere Stimmung und liess den sonnigen Herbsttag auf sich wirken. Kaum vorstellbar, dass an einem so schönen friedlichen Tag nicht weit von hier viele persönliche Katastrophen passieren und noch viel mehr in Vorbereitung sind. Angesichts des milden Wetters fand Fritz es eigentlich recht gnädig vom Schicksal oder irgendwelchen Terroristen, dass der EMP-Schlag zu so einer freundlichen Zeit passiert war. Die meisten Ernten waren eingebracht und es war noch warm genug, um ein bisschen Zeit für die Wintervorbereitung zu haben. Das würde aber bestimmt nicht ausreichen; da war Fritz sich sicher.

Kurz bevor die Sonne unterging war die Stadt immernoch wie zuvor und Fritz machte sich auf den Weg zu seinem Haus, denn zumindest diese Nacht wollte er nochmal in seinem Haus verbringen. Als er vor dem Eingang den Sperrmüll sah, kam ihm das Haus schon ein bisschen fremd vor. Aber genau eine solche Wirkung wollte er ja schliesslich erzielen.

Drinnen fühlte er sich aber recht schnell behaglich, denn an das Kerzenlicht hatte er sich inzwischen gewöhnt. Später würde er sich um dauerhaftere Lichtquellen kümmern müssen, denn selbst der grösste Kerzenvorrat ist irgendwann verbraucht, aber das hatte Zeit bis nach der Haupt-Plünderer-Gefahr.

Er machte es sich in seinem Lieblingssessel bequem und las weiter in dem Buch, das er schon wieder fast vergessen hatte. Eine Weile las er recht interessiert und die Geschichte lenkte seine Gedanken etwas ab. Nebenbei warf er immer wieder einen Blick auf sein Empfangsgerät, was aber eigentlich gar nicht unbedingt nötig gewesen wäre, denn er hatte den Bewegungsmelder-Alarm aktiviert.

Irgendwann war er jedoch müde und legte sich ins Bett. Er träumte von Strömen von Leuten, die alle in sein Haus reingingen und über den Sperrmüll vor der Tür lästerten und anschliessend aber alle davontrotteten. In ihrem Trott sahen die Leute aus wie Zombies.

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