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Vollautomatisch

Kapitel 24


  
"Nein danke, ein Bier brauch ich jetzt nicht. Aber was meinst du mit Dorfmagier? Von einem Magier hier im Dorf habe ich ja noch nie gehört."

"Kein Wunder, unser Magier lebt ja auch sehr zurückgezogen. Und wir erzählen nicht jedem, dass es ihn gibt. Nur so fleißigen Mädels wie dir."

"Wie kann ich diesen Magier denn finden? Und glaubst du wirklich, dass er mir weiterhelfen kann."

"Er kann dir bestimmt weiterhelfen, denn er ist im Besitz des großen Buches. Oberhalb der Kuhweide führt ein schmaler Weg in den Wald hinein. Folge dort bei jeder Weggabelung dem blauen Schimmer."

"Dem blauen Schimmer?"

"Du wirst schon sehen. Nur zu! Der Magier wird sich übrigens sehr über einen Schluck Bier freuen. Umso mehr, wenn du ihn selbst gebraut hast."

"Gut, aber wie transportiere ich das Bier am besten?"

"Ach Mädel, was bist du manchmal zaghaft. Aber immerhin eifrig bei der Sache und verlässlich; so liebe ich das. Hier hast du ein Fässchen. Im Netz, damit du es auch tragen kannst. Grüß ihn schön von mir, den Magier!"

"Ok, werde ich machen."

Julia machte sich auf den Weg zur Kuhweide. Sie begrüßte Berta, die sich ihr in den Weg stellte und anscheinend erwartete, wieder von Julia gemolken zu werden.

"Tut mir leid Berta, diesmal bin ich nicht gekommen, um dich zu melken. Du musst noch ein bisschen warten, dann wird dich bestimmt bald jemand melken."

Fast wäre Julia an dem engen Spalt zwischen dem Unterholz vorbeigelaufen. Nur weil sie einen Weg erwartete, fiel ihr auf, dass die Weißdornbüsche an einer Stelle eine Lücke ließen und die Erde in dieser Lücke ausgetreten wirkte. Sie zwängte sich durch den Schlitz und fand sich dahinter auf einem richtigen Pfad wieder. Nach wenigen Metern tauchte Julia in das Halbdunkel des Waldes ein. Das Licht der Sonne erreichte den Boden nur grünlich gedämpft.

Wie verzaubert ist es hier. Ob ich wohl den blauen Schimmer finden werde, wenn sich der Weg gabelt? Naja, noch ist der Weg ja eindeutig.

Zweige knackten unter Julias Füßen und über ihren Köpfen krakelten die Vögel ihr ausgelassenes Lied. Als sich Juliane gerade an das Wandern im Wald gewöhnte hatte, kam sie an eine Abzweigung.

Tja, und wo soll jetzt dieses blaue Schimmern sein? Überhaupt: wie soll das Schimmern beschaffen sein? Ich sehe hier erstmal nix schimmern. Streng dich an, Mädel, du wirst das schon herausfinden.

Julia blickte zweifelnd zwischen den beiden Pfaden hin und her. Sie wirkten fast gleich. Beide führten tiefer ins Dunkel des Waldes hinein. Von dem Haus des Magiers war keine Spur.

Sowas Blödes aber auch. Kein Schimmern weit und breit. Dann versuche ich einfach mal den Pfad, wo wenigstens ein Stück Himmel durchscheint. Sie setzte ihre Füße auf den Pfad mit dem Himmel, schaute nach oben und schlug sich gegen die Stirn. Was bin ich doch für ein Esel. Bestimmt ist das Durchscheinen des Himmels mit "blauem Schimmer" gemeint. Na gut, jetzt weiß ich ja Bescheid.

Bei der nächsten Abzweigung schimmerte jedoch kein Himmel durch die dichten Baumkronen. Stattdessen hing an einem der Bäume ein blaues Schild mit der kaum noch zu entziffernden Aufschrift "Rehe füttern verboten!" Julia wählte diesen Weg und drang immer tiefer in den Wald vor.

Als Julia wieder bei einer Weggabelung ankam, leuchtete der Himmel auf beiden Seiten etwa gleichstark, Schilder waren keine zu sehen. Das ist ja wirklich nicht einfach mit dem Weg. Jedes Mal schimmert es auf andere Art und Weise. Was ist denn bloß diesmal gemeint? Ah, dahinten fließt ein Bächlein und der Himmel spiegelt sich im Wasser. Das dürfte der richtige Weg sein, obwohl er sehr viel schmaler ist als der andere.

Nach einer Weile wurde es heller und Julia näherte sich einer Lichtung. Dort stand ein Haus, das vor lauter Efeubewuchs kaum zu erkennen war. Julia erkannte es zuerst nur an seinem Turm, der windzerzaust über das Dach hinausragte. Sie ging auf das Haus zu und suchte nach einer Tür. Nachdem sie das Haus halb umrundet hatte, stieß sie auf eine Holztür, die in verwittertem Blau schimmerte.

Julia wollte gerade klopfen, da öffnete sich die Tür ohne ihr Zutun. Ein barhäuptiger Greis mit Rauschebart nickte ihr einladend zu und forderte sie auf, sein Haus zu betreten.

"Ich ahnte, dass du kommen würdest. Wie ich sehe, hast du mir ein Fässchen Bier mitgebracht. Sehr löblich!"

"Danke, dass Sie mich empfangen. Mein Name ist Julia. Wie soll ich Sie am besten nennen?"

"Merlus reicht völlig aus."

Schmunzelnd nahm Merlus das Bierfässchen entgegen und stellte es mitten auf den Tisch eines Raumes, den Julia als Küche erkannte, denn sie sah kupferglänzende Töpfe von der Decke hängen und einen Ofen, auf dem ein Eintopf köchelte und seinen Thymianduft im ganzen Haus verbreitete. Merlus räumte einen Stapel Wälzer von einem Stuhl und bot Julia den freigewordenen Platz an. Dann kramte er in zahlreichen Schubladen, bis er einen Zapfhahn hervorzog, den er sofort mit Schwung in das Bierfass schlug. Er füllte einen Humpen, der vor lauter Schaum fast überfloss, schlürfte den Schaum soweit runter, dass keine Überlaufgefahr mehr bestand und leerte den Bierkrug in einem Zug.

"Lecker! Selbst gebraut?" fragte Merlus, als er den Krug erneut füllte.

"Ja, gerade erst gelernt", nickte Juliane eifrig.

"Brav! Es gibt viel zu wenige, die heute noch die hohe Kunst des Bierbrauens lernen. Du bist aber bestimmt nicht nur gekommen, um mir diesen Gerstensaft vorbeizubringen. Was ist dein Begehr?"

"Der Wirt im Dorf hat mir empfohlen, zu dir zu gehen. Du könntest mir eventuell weiterhelfen. In einer anderen Welt, in einer anderen Zeit möchte ich von der Stadt aufs Land ziehen, weil ich in der Stadt keine Perspektive für mich sehe. Doch ich kenne mich nicht aus auf dem Land und kann mir die Informationen, die es darüber gibt, nicht leisten."

"In einer anderen Welt, in einem anderen Land, so so!" vergnügt wiegte Merlus seinen Kopf. "Da bist du richtig bei mir, denn ich bin im Besitz des großen Buches."

"Das große Buch? Was ist denn das?"

"Du wirst gleich sehen. Nur Geduld!"

Merlus stand auf und humpelte zu einem Regal, das schwer beladen mit Wälzern war. Dort wählte er ein schmales Bändchen und kehrte grinsend zurück zu Julia.

"Das soll das große Buch sein, wo Sie doch viel dickere Bücher haben?"

"Auf den Inhalt kommt es an, mein liebes Mädchen."

"Das Buch hat doch nur eine Seite."

"Aber was für eine!"

Er wedelte über die Buchseite und prompt sah man das Dorf, in dem Julia die letzten Wochen verbracht hatte, in einer Luftaufnahme.

"Schön! Das gefällt mir! Aber wie soll ich darin Informationen über meine andere Welt bekommen?"

"Ganz einfach. Frag das Buch!"

"Ok, also: Buch, zeig mir Informationen über das Landleben in meiner anderen Welt."

Auf der Buchseite erschien eine Liste, die der Liste aufs Haar glich, in der Juliane vor lauter kostspieligen Informationen fast untergegangen war.

"Oh je, das kostet ein Vermögen, sich diese Informationen anzusehen. Das kann ich mir leider nicht leisten. Schnell wieder ausmachen!"

"Keine Sorge, dies hier kostet dich keinen Cent und auch mich nicht, selbst wenn unten eine Kostenanzeige hochzählt. Das braucht uns nicht zu kümmern."

"Wirklich? Also gut, dann versuchen wir es mal. Buch, gibt es Menschen, die auf dem Land leben und denen ich mich anschließen könnte?"

Im großen Buch erschien eine umfangreiche Liste mit Kommunen, Dorfprojekten, Klöstern und Bio-Bauernhöfen. Julia las einige der Projektbeschreibungen durch und ahnte, dass sie endlich auf die gewünschten Informationen gestoßen war. Da sie skeptisch war, ob die Infos wirklich kostenlos für sie waren, schaltete sie kurz um in die reale Welt und überprüfte dort ihren Kontostand, der sich tatsächlich nicht verändert hatte. Beruhigt kehrte sie zurück in die Küche des Magiers.

"Lass dir ruhig Zeit, meine Liebe. Nicht alle der Informationen sind zuverlässig auf dem neuesten Stand, denn die Dörfler kümmern sich nicht immer perfekt um ihre Infoseiten. Aber im Großen und Ganzen dürftest du einen passenden Eindruck der Möglichkeiten bekommen."

"Oh, danke vielmals. Das ist genau das, was ich gebraucht habe."

Stundenlang las Julia im großen Buch und allmählich kristallisierte sich ein Bild über das Landleben heraus. Die Dorfprojekte, denen man sich anschließen konnte, lagen zwar weit verstreut, aber immerhin gab es welche und die meisten betrieben Landwirtschaft und Gartenbau, so wie Juliane das erhofft hatte.

"Merlus, dein großes Buch ist wunderbar! Darf ich denn mal wiederkommen?"

"Gerne darfst du wieder herkommen. Ich könnte auch hier und da deine Hilfe gebrauchen."

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Vollautomatisch
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208 Seiten
ISBN 3-938764-01-5

Preis: 14.80 Euro

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