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Peakoil Reloaded

Kapitel 31


  
Nach Weihnachten wurde sehr schnell deutlich, dass Alices Vater mit seiner Hungersnotwarnung Recht behalten sollte. Im Chaos der Inflation und der Weihnachtsvorbereitungen war die Lebensmittelknappheit völlig untergegangen, aber jetzt wurde offenbar, dass kaum noch Lebensmittel angeboten wurden.

Wer keine Vorräte hatte, konnte nicht mehr genug kaufen, um satt zu werden. Es sei denn er besaß ein Vermögen, denn die wenigen Nahrungsmittel, die angeboten wurden, waren horrend teuer, selbst wenn man die Inflationsrate rausrechnete.

Alice Vater hatte ihre Vorräte streng auf die verbleibenden Monate bis zur nächsten Ernte eingeteilt. Dabei war erschreckend klar geworden, dass die vielen eingemachten Gläser kaum für den eigenen Bedarf reichen würden. Auch mit ihren Getreidesäcken würden sie nicht bis zum Sommer durchhalten können. Und die Mühle war restlos ausverkauft.

Immer wieder hämmerte Alices Vater Mutter und Tochter ein, dass erst im Hochsommer Erleichterung zu erhoffen war. Doch Alices Mutter bestand darauf, wenigstens einfache Mahlzeiten weiterhin anzubieten, denn sie befürchtete Ärger mit den Stammkunden.

Nach wiederholten Streits zwischen den sonst so harmonischen Ehepartnern beschloss Alices Vater, ins benachbarte Frankreich zu fahren, um dort nach Lebensmittelangeboten zu suchen. Alice fuhr mit, denn sie konnte leidlich französisch, im Gegensatz zu ihrem Vater.

Jenseits der Grenze klapperten sie einen Bauernhof nach dem anderen ab, aber überall erhielten sie die Auskunft, dass die Bauern ihren Mais für die Kühe bräuchten, die sonst verhungern würden. Mehrmals wurden Vater und Tochter sogar recht harsch des Hofes verwiesen.

Doch dann, schon zwanzig Kilometer im Landesinneren, stießen sie endlich auf einen Landwirt, der die allgemeine Not in bare Münze umsetzte. Er hatte eine Milchkuh geschlachtet und daher gab es nicht nur Rindfleisch zu kaufen, sondern auch den freigewordenen Mais. Das Fleisch schien zäh und war kostspielig und der Mais steinhart. Es war unklar, ob die Mühle auf der deutschen Seite in der Lage war, diese großen Körner zu Mehl zu vermahlen. Dennoch kauften Alice und ihr Vater soviel wie ihr Kombi fassen konnte.

Schwer beladen fuhren sie wieder nach Hause, mit einer Unterbrechung bei der Mühle. Der Müller stöhnte zwar über die Aufgabe, Maismehl zu mahlen, doch dies war nicht sein erster Auftrag dieser Art und nachdem Alices Vater ihm einen Preisaufschlag angeboten hatte, erklärte er sich bereit, den Mais zu mahlen. Als das geklärt war, ging alles recht schnell und das Mehl wurde in Säcke abgefüllt.

Alices Mutter war begeistert über die mitgebrachte Beute. Das Rindfleisch wurde großteils eingefroren, damit es eine Weile halten würde. Dann kochte Alices Mutter einen Maiseintopf mit Fleischstückchen. Obwohl das Fleisch tatsächlich so zäh war, wie befürchtet, trotz langer Kochzeit und der Eintopf in guten Zeiten wohl von keinem der Kunden angerührt worden wäre, strömten die Menschen von allen Seiten herbei, um eine Portion Eintopf zu erstehen.

Angesichts dieses Erfolges machten sich Alice und ihr Vater jetzt regelmäßig auf den Weg nach Frankreich und meistens kamen sie mit Nahrungsmitteln zurück. Doch es gab immer nur Mais und Rindfleisch. Obwohl Alices Mutter sich viele verschiedene Rezepte für Maismehl und Rindfleisch ausdachte und auch ihre Vorräte einsetzte, um mehr Vielfalt in ihr Angebot zu bringen, murrten die Gäste bald über das eintönige Essen. Alice tröstete ihre Mutter und machte ihr klar, dass die Meckerer woanders gar nichts zu essen bekommen würden.

Schon Ende Januar begannen sie Gewächshäuser zu bauen, um eine möglichst frühe Gemüseernte erzielen zu können. Für das erste Gewächshaus nahmen sie die alten Fenster, die beim Einbau neuer Isolierfenster übrig geblieben waren. Alices Vater freute sich, dass er damals darauf bestanden hatte, die alten Fenster aufzuheben. Das nächste Gewächshaus musste mit dicker Folie bespannt werden, denn die Fenster reichten nicht mehr. Die Folie kostete ein kleines Vermögen, weil sie aus Erdöl hergestellt worden war. Gibt es eigentlich überhaupt noch etwas, was billig ist? Ein Haarschnitt vielleicht und elektronischer Schnickschnack. Aber alles Lebenswichtige ist fast unbezahlbar geworden. Was waren das für goldene Zeiten, als alle schon wegen der Krise gejammert haben, aber die Supermärkte überquollen und sich mit Niedrigpreisen gegenseitig überboten.

Von Hungertoten wurde kaum berichtet, aber überall munkelte man, dass eine Menge Menschen an normalerweise harmlosen Krankheiten starben. Erkältungen wuchsen sich zu Lungenentzündungen aus, weil die abgemagerten Menschen den Krankheiterregern kaum Widerstand entgegensetzen konnten. Kleine Verletzungen entzündeten sich und streckten die Menschen mit Blutvergiftungen darnieder. Übergewichtige wurden zur Seltenheit. Viele der Menschen, die jahrelang unter ihrem überflüssigen Fett gelitten hatten, schmolzen dahin wie Schnee in der Sonne. Die meisten waren froh darüber, doch Alice ertappte sie immer wieder bei Seitenblicken auf die mageren Leute mit eingefallenen Wangen, die sich immer mehr verbreiteten.

Dabei galten die Zustände im Südwesten noch als paradiesisch. Im Norden und Osten sollten wirklich schlimme Bedingungen herrschen, vor allem in den Großstädten. Auch Annette wusste Schreckliches zu berichten. Für sich selbst hatte sie genügend Vorräte und auch für das kleine Mädchen, das sie durchfütterte. Ihrem Wohnblock ging es besser als benachbarten Häusern, weil Annette viele der Bewohner rechtzeitig ermuntert hatte, sich Vorräte anzulegen, als es noch bezahlbar war. Ihr Häuserblock hatte sich zu einer Festung entwickelt und sie mussten ihre halbwegs günstige Situation mit allen Kräften verteidigen. Als sie davon las, war Alice froh, am Rande einer langweiligen Kleinstadt zu leben.

Doch dann kam die erste Ahnung vom Frühling und brachte wieder neue Hoffnung. Alice säte Radieschen und Möhren im Garten und das ganze Haus stand voller Schalen, in denen die Gemüsesamen keimten. In freien Momenten hatte Alice begonnen, endlich einen Scheffler-Spiegel zu bauen, denn sie wollte die Kraft der Sonne möglichst das ganze Sommerhalbjahr über ausnutzen. Glas gab es plötzlich im Überfluss, denn in der Stadt war ein Häuserblock abgerissen worden. Die verwertbaren Einzelteile wurden relativ günstig verscherbelt. Natürlich nutzten Alice und ihr Vater dieses Glasangebot auch, um ein weiteres Gewächshaus hinzustellen, aber für Alice war es interessanter, den Scheffler-Spiegel zu realisieren.

Alice grübelte gerade über den Schwierigkeiten bei der Konstruktion des Gestells und überlegte, ob sie Achim um Hilfe bitten sollte, als sie sah, dass der Postbote kam. Sie eilte ihm hinterher, denn sie wartete auf ein Bauteil zur Nachführung des Spiegels, damit er immer optimal in der Sonne stand.

Anstelle dieses Bauteils brachte der Postbote jedoch ein Einschreiben, das er Alices Mutter überließ. Diese betrachtete den Umschlag stirnrunzelnd und riss ihn schließlich auf. Sie entfaltete das Schreiben und vertiefte sich in seinen Inhalt.

Als Alice gerade fragen wollte, was in dem Brief stand, schrie Alices Mutter plötzlich auf, griff sich an den Kopf und sank zu Boden.

Peakoil Reloaded

Wenn der Wüste das Öl ausgeht. Der kommende Ölschock in Saudi-Arabien - Chancen und Risiken
von Matthew R. Simmons

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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