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Peakoil Reloaded

Kapitel 26


  
Der Vater war sehr erfreut darüber, dass die Solaranlage wieder Strom produzierte und klopfte seiner Tochter anerkennend auf die Schulter. Beiden war klar, dass die Solarzellen nur einen Bruchteil des benötigten Stroms produzieren konnten, aber das schien ihnen immer noch deutlich besser, als gar keinen Strom selbst herstellen zu können. Und im Frühling baue ich dann solche Scheffler-Spiegel. Platz haben wir hier auf dem Hof genug. Jetzt übe ich das Werkeln schon mal bei der vollständigen Wiederherstellung der Photovoltaikanlage.

"Was meinst du", unterbrach der Vater Alices Gedankengänge, "ob es Sinn macht, die alte Zapfsäule hier wieder in Betrieb zu nehmen? Gründlich entrosten, anstreichen und einen neuen Schlauch, dann müsste sie eigentlich wieder einsatzfähig sein. Der Tank da hinten dürfte auch noch in Ordnung sein."

"Du meinst für den Treibstoff aus der Biogasanlage?"

"Genau, denn den kann ich ja nicht einfach über unsere Dieselzapfsäule ausgeben, auch wenn wir nur selten echten Diesel haben. Ich werde mal den Techniker kommen lassen, der Anlagen für Biotreibstoffe überprüft und freigibt. Aber erst, wenn die Zapfsäule wieder propper aussieht."

"Das würde mir gefallen, wenn das alte Ding wieder arbeiten würde. Es sieht einfach cool aus, so altmodisch wie es ist."

"Wie ein echter Oldtimer."

"Wenn du willst, helfe ich dir beim Anstreichen."

"Oh, das mache ich sehr gerne selbst. Reparier du mal deine Solaranlage."

"Stimmt. Und der Garten wartet auch ganz dringend auf meinen Einsatz. Ich werde mich mal an die Arbeit machen."

Vom Garten aus konnte Alice sehen, wie ihr Vater in die Werkstatt ging und mit einem Schleifpapier wieder zur Zapfsäule ging. Zumindest vermutete sie, dass es ein Schleifpapier war, denn anschließend rieb ihr Vater intensiv an der Zapfsäule. Sie selbst widmete sich dem nächsten Beet auf dem das Unkraut wucherte. Dann pflückte sie die reif gewordenen Früchte und brachte sie ins Haus. Abends saßen Mutter und Tochter wieder beim Einkochen, während der Vater sich als Gastronom betätigte.

Nur wenige Tage später sah die alte Zapfsäule aus wie neu und wurde vom Techniker für gut befunden. So wie die Zapfsäule hatte auch Alices Vater sich verjüngt; die Hoffnungslosigkeit war aus seinem Gesicht gewichen.

Alice hatte aus verschiedenen Quellen alte Glasscheiben gefunden, mit denen sie die Solarzellen schützte. Das Modul sah dadurch zwar etwas zusammengeschustert aus, aber es erfüllte seine Arbeit sehr zuverlässig. Alice berichtete Annette ausführlich von ihren Versuchen mit dem Solarmodul und traf auf viel Interesse und Austausch von Tipps bei der ungewohnten handwerklichen Betätigung. Gegenüber Annette traute sich Alice auch eher die peinlichen kleinen Fragen zu stellen, die sie ihren Vater nicht zu fragen wagte, denn sonst hätte er ihr wohl mit mitleidigem Blick den Schraubenzieher aus der Hand genommen und es selbst gemacht. Annette schien große Freude daran zu haben, dass außer ihr auch eine andere Frau selbstständig an einer Solaranlage bastelte, auch wenn es um eine ganz andere Technik ging.

Die Tage vergingen wie im Flug mit Gartenarbeit, Einkochen, Tiere füttern, Dienst im Laden und Basteln. Manchmal fuhr Alice auch mit Lebensmittelspenden nach Eichingen und half dort beim Kochen für die Armen. Ihr Zimmer hatte sie jedoch aus Zeitmangel immer noch nicht umgeräumt. Nur den schlimmsten Kinderkram warf sie eines Abends kurzentschlossen in einen Pappkarton und stellte die Kiste in den Keller. Auch Alices Umzugsgepäck ließ nach wie vor auf sich warten, obwohl die Wochen ins Land gingen. Vor lauter Arbeit hatte sie aber kaum Gelegenheit, ihre Erinnerungen ans Stadtleben zu vermissen.

Der Sommer neigte sich dem Ende zu, aber die Tage waren immer noch warm. Dennoch brachte ein alter Schulfreund von Alices Vater eines Tages Ende August einen ganzen Laster voll Brennholz - abgelagert und in dreißig Zentimeter lange Stücke gesägt. Allein das Aufstapeln der dicken Brocken unter dem Vordach des Hauses dauerte mehrere Tage. Alice war froh darüber, dass sie im Laufe der Erntezeit einen kräftigeren Rücken bekommen hatte, sodass ihr das Holzstapeln einigermaßen leicht von der Hand ging. Um in den Holzofen zu passen, mussten die Holzstücke jedoch noch gehackt werden. Alice hatte noch nie Holz gehackt und der Umgang mit der Axt war ihr anfangs ziemlich unheimlich. Doch sie wollte ihrem Vater die viele Arbeit nicht ganz alleine überlassen, und so wagte sie sich an die neue Aufgabe. Nach wenigen Tagen gelang es ihr, ansehnliche Haufen zu hacken, die anschließend nochmal neu gestapelt werden mussten.

Eines Tages war es dann soweit: die Biogasanlage produzierte erstmals soviel Treibstoff, dass die Tankstelle beliefert werden konnte. Alices Vater spannte den extra für diesen Zweck hergerichteten Anhänger hinter sein Auto. Auf dem Anhänger stand ein voluminöses Fass für das Biodiesel. Alice durfte zu diesem besonderen Ereignis mitfahren und war schon ganz aufgeregt.

Es hatte sich rumgesprochen, dass die Bauern aus Eichingen seit ein paar Tagen wieder regelmäßig mit ihren Traktoren auf ihren Feldern unterwegs waren. Die ganze Region genoss die Aufbruchstimmung.

Nach kurzer Fahrt kamen Alice und ihr Vater bei der Biogasanlage an. Die Männer des Trautmann-Hofes halfen Alices Vater mit dem Anhänger so dicht an den Tank der Anlage zu manövrieren, dass der Treibstoff umgefüllt werden konnte. Alice war schon vorher ausgestiegen und holte die Sektflaschen aus ihrem Korb, denn dieses denkwürdige Ereignis sollte angemessen begossen werden. Der Sekt stammte natürlich aus dem Anbau eines entfernten Verwandten und war günstig gegen Diesel eingetauscht worden. Vor allem schmeckte er ganz hervorragend, fand Alice.

Als das Fass des Anhängers vollständig gefüllt und der Gegenwert in Geld übergeben war, begann Alice, die erste Flasche zu öffnen. Das Angebot zu dieser kleinen Feier ließen sich die Männer nicht zweimal sagen, nahmen sich von den mitgebrachten Gläsern und kamen zu Alice, um sich einschenken zu lassen. Als Alice Achim das Glas füllte, berührten sich kurz ihre Hände. Wie ein Stromstoß durchfuhr es Alice. Was habe ich nur mit diesem Mann? Immer wenn ich ihn sehe, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Ich habe doch gar keine Zeit für Männer. Und er ist zwar nett und interessant, aber so gut sieht er eigentlich nicht aus und er ist auch ein bisschen zu alt für mich. Aber nur ein bisschen, eigentlich kaum zu alt und er ist zwar keine Schönheit, sieht aber markant aus. Alice! Konzentrier dich auf das Sektausschenken! Da warten noch andere! Eine neue Flasche musst du aufmachen! Wie er mich angelächelt hat. Jetzt ist aber Schluss mit diesen romantischen Spinnereien!

Alle stießen miteinander an und beschworen gute Geschäfte jetzt und in Zukunft. Hoffentlich hat niemand was gemerkt. Ob ich rot geworden bin? Jetzt schaut er in meine Richtung - und lächelt. Na ja, zurücklächeln ist bestimmt in Ordnung. Das ist ja völlig unverbindlich.

Schon nach kurzer Zeit war der Sekt ausgetrunken und Alices Vater drängte darauf, den Treibstoff seiner Bestimmung zuzuführen. Alice sammelte die Gläser wieder ein und bestieg mit ihrem Vater den Kombi. Zum Abschied winkte sie den Männern zu.

"Der junge Mann gefällt dir wohl ausnehmend gut", bemerkte ihr Vater auf dem Rückweg zu Alice.

"Der junge Mann? Äh, wen meinst du? Da waren doch mehrere junge Männer."

"Du weißt schon, wen ich meine. Den, bei dem du immer rot wirst. Der mit dem Fahrrad aus dem Norden gekommen ist."

"Du meinst wohl den Achim. Ach ne, für Männer habe ich doch gar keine Zeit. Vor allem nicht für die Scherereien, die man damit hat. Der ist sehr nett der Achim, aber das ist auch schon alles."

"Wie du meinst", Alices Vater schmunzelte jedoch rätselhaft, als er dies sagte.

Zu Hause warteten schon etliche befreundete Kunden mit ihren Autos. Schnell gluckerte der Treibstoff in den renovierten Tank und von dort aus über die schmucke Zapfsäule, die wieder in triumphierendem Rot leuchtete, in die Autos der Kunden. Wieder gab es Sekt und außerdem Kuchen, den Alice Mutter zur Feier des Tages gebacken hatte. Einige der Kunden blieben bis spät in die Nacht und ließen ihre Autos auf dem Hof, um später zu Fuß nach Hause zu gehen, weil sie zuviel getrunken hatten, um noch fahren zu können.

Was für gute Laune Vater heute hat. Endlich darf er wieder ein richtiger Tankstellenbesitzer sein und morgen kann er schon eine neue Lieferung abholen. Jetzt wird auch so richtig deutlich, wie sehr er darunter gelitten hat, nicht liefern zu können. Wenn er so weiter macht, müssen wir ihm nachher ins Bett helfen und morgen hat er einen Kater. Vielleicht sollte ich mal einen Kaffee kochen, damit das Gelage sich einem Ende nähert.

Später lag Alice im Bett und musste immer wieder an Achim denken. Nein, vergiss es! Bleib lieber für dich! Als wenn dir das letzte Debakel in Stuttgart nicht gereicht hätte. Wirbt um dich, bis du endlich nachgibst und dann lässt er dich eiskalt sitzen. Wegen einer Blondine! Ne, ne, Alice, lass mal besser die Finger von den Männern! Die sind doch alle gleich. Aber der Achim ist wirklich nett. Pah, nett sind sie alle am Anfang, bis sie einen um den Finger gewickelt haben und dann peng. Außerdem scheint dieser Achim gar nicht wirklich interessiert an mir. Der ist einfach nur unverbindlich freundlich. Aber wie er lächelt! Und was für ein zupackender Typ er ist. So richtig verlässlich. Was weißt du denn von seiner Verlässlichkeit? Jetzt schlaf endlich ein, morgen wartet wieder viel Arbeit!

Peakoil Reloaded

Peak Oil
von Jeremy Leggett

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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