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Peakoil Reloaded

Kapitel 20


  
Die Sonne schien herrlich. Die Fahrt fühlte sich auf den ersten zwanzig Kilometern an wie ein Ausflug. Alice war zum Singen zumute, doch es ging streckenweise bergauf, sodass ihr die Puste dazu fehlte. Weil der Autoverkehr so sehr nachgelassen hatte, war selbst das Fahren auf den Bundesstraßen ein Vergnügen. Nur ab und zu kam ein Laster von hinten vorbeigedonnert und noch seltener ein PKW.

Nach einer guten Stunde wurde die Straße schmaler und schlängelte sich durch eine hügelige Landschaft. Das Urlaubsgefühl verstärkte sich. Wie praktisch! Wo ich doch dieses Jahr noch gar keinen richtigen Urlaub gemacht habe. Abgesehen von der Zeit bei meinen Eltern als ich mich nicht in einen Zug gewagt hatte. Damals bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, mit dem Fahrrad zurück zu fahren, aber ich hatte mein Rad ja auch nicht dabei. Wenn ich geahnt hätte, wieviel Spaß so eine Radtour macht, dann hätte ich mir bestimmt ein Fahrrad organisiert. Aber dann hätte ich den Mai in Breisingen verpasst, das wäre auch schade gewesen. Was solls? Jetzt bin ich mit dem Radel unterwegs und habe meine Freude daran.

In Pforzheim endete die romantische Schlängelstraße und Alice musste mitten durch die Stadt radeln. In der Stadtmitte bog sie falsch ab und fuhr eine Viertelstunde lang in die falsche Richtung, bevor sie es merkte. Auf der verkehrten Straße käme sie zwar auch nach Karlsruhe, aber die Fahrt würde erheblich länger dauern. Außerdem, und das war schlimmer, fuhr Alice direkt auf die Strecke zu, die sie im Frühjahr zu Fuß marschiert war. Das wollte sie unbedingt vermeiden. Alice holte ihre Karte aus der Tasche und suchte nach einer Möglichkeit auf die gewünschte Straße zu wechseln.

Kurz bevor sie auf ihre alte Wanderstraße stoßen würde, fand sie eine Abzweigung in die erhoffte Richtung. Die neue Straße war winzig, fast schon ein Feldweg, aber nach Alices Meinung genau das richtige für eine Radtour. Alice musste unter der Autobahn durchfahren und danach stieg die Strecke kräftig an. Als Alice endlich die ursprünglich geplante Straße erreichte, war sie vollständig durchgeschwitzt.

Es wurde ein ausgesprochen warmer Augusttag und in der Mittagszeit wandelte sich die anfängliche Freude am Fahren zur Qual.

Alice war inzwischen sehr froh, ihre Reise auf zwei Tage verteilt zu haben, denn so musste sie nur die Hälfte der Strecke bewältigen. In einem kühlen Wäldchen hielt sie an, um eine Pause zu machen. Sie parkte ihr Fahrrad neben einem Bach, zog Schuh und Strümpfe aus und watete spritzend durch das erfrischende Wasser. Das Urlaubsgefühl kehrte zurück. Dann setzte sie sich ans Ufer und packte ihren Reiseproviant aus. Von der langen Fahrt war sie enorm hungrig geworden, sodass sie sich zurückhalten musste, um für den nächsten Tag noch Proviant übrig zu lassen.

Eigentlich bin ich ja schon ziemlich weit gekommen. Ich könnte ein winziges Nickerchen einlegen und mich ein wenig von der Hitze erholen. Nachher gibt es auch kaum noch Wälder oder Hügel auf der Strecke. Dann gehts nur noch das Oberrheintal entlang, so wie es schon die letzte Stunde über ging. Diese kühle Stelle hier muss man ausnutzen. Außerdem bin ich schon ganz schön erschöpft von der weiten Fahrerei. Solche Strecken bin ich halt doch nicht gewohnt.

Das Gras neben dem Bach lud zum Hinlegen ein und so machte Alice es sich bequem. Das Gluckern des Wassers begleitete sie in einen tiefen Schlaf - viel tiefer als geplant. Sie wurde nicht mal wach, als ein Schmetterling auf ihrer Nase eine Pause machte. Auch die Vorbeifahrt einer Familie, deren Kinder laut herumalberten, riss Alice nicht aus dem Schlaf.

Erst als die Sonne schon deutlich im Westen stand, wenn auch noch ziemlich hoch, öffnete Alice wieder ihre Augen. Als sie sah, wie spät es inzwischen war, erschrak sie fürchterlich und wollte sofort wieder aufbrechen.

Doch beim Zusammenpacken ihrer Siebensachen merkte sie, dass sie noch ganz verschlafen war und ging noch mal zum Bach, um sich mit dem kalten Wasser zu erfrischen. Danach fühlte sie sich munterer und brach auf.

Was bin ich doch für eine Träumerin. Das hätte leicht in die Hose gehen können. Wenn ich noch länger geschlafen hätte, hätte ich im Dunkeln fahren müssen. Noch viel schlimmer wäre es gewesen, wenn ich ausgeraubt worden wäre. Was habe ich doch für ein Glück gehabt. Ach, wenn ich ehrlich bin, war der Schlaf einfach herrlich. Ich sollte öfters mal in der Natur schlafen, aber ohne später noch ein fernes Ziel erreichen zu müssen.

Während der Fahrt zu ihrem Nachtquartier fing Alice Hintern allmählich an zu schmerzen. Außerdem spannte ihre Gesichtshaut immer mehr und sie merkte, dass sie einen Sonnenbrand entwickelte. In den Orten, durch die sie als nächstes fuhr, hielt sie die Augen offen, ob sie einen Laden fand, in dem sie Sonnenschutzmittel kaufen konnte, doch sie passierte vorwiegend Läden, die leer standen. Die wenigen Geschäfte, in denen man Waren sehen konnte, waren geschlossen.

Schlechte Zeiten für die Wirtschaft! Aber wo kaufen die Leute ihr Essen ein, wenn nicht in diesen Läden? In die größeren Städte fahren ist ja noch schwieriger geworden als vorher. Vor allem für alte Leute.

Ein alter Mann, der im Schneckentempo mit seinem Fahrrad samt Anhänger aus der nächsten Kleinstadt kam, gab Alice die Antwort auf ihre Frage. In der Stadt aus der der Mann gekommen war, fand Alice schließlich auch ein offenes Geschäft und erstand ein Sonnenschutzmittel und eine kühlende Lotion für danach. Die Lotion trug sie sofort auf, denn vor allem brauchte sie jetzt Kühlung. Die Sonne hatte für diesen Tag schon an Kraft verloren.

Eilig schwang sich Alice wieder auf ihr Fahrrad, denn sie hatte noch mehr als eine halbe Stunde Fahrt vor sich, bis sie ihr Nachtquartier erreichen würde.

Dann war es endlich soweit. Die Sonne war schon untergegangen, als Alice im letzten Tageslicht das Gasthaus erreichte, in dem sie ein Zimmer reserviert hatte. Der Gasthof wirkte gepflegt, aber er hatte eindeutig schon bessere Zeiten erlebt. Die Frau des Hauses war wohl eine eifrige Putzerin, oder sie hatte Hilfen, die das für sie erledigten, aber für Renovierungen fehlte offensichtlich das Geld.

Das störte Alice aber nicht besonders, ihr war vor allem wichtig, dass es reichlich zu Essen gab und das war der Fall. Die Portion Pommes war mehr als üppig, das Schnitzel hingegen eher mickrig. Am Schluss war Alice jedoch so satt, dass kein Pfefferminzblättchen mehr hineingepasst hätte. Sie erstieg hundemüde die knarrende Treppe zu ihrem Zimmer. Das Bett war extrem weich und quietschte bei jeder Bewegung, doch Alice war so müde, dass sie trotzdem sofort einschlief und erst am nächsten Morgen wieder aufwachte.

Vor der Fahrt hatte sich Alice davor gegraust, ihre Reise zu unterbrechen und in einem fremden Haus zu übernachten, doch jetzt verstärkte es eher das Urlaubsgefühl, als dass es Alice störte.

Zum Frühstück gab es ein popeliges Buffet, aber Alice war schon wieder so hungrig, dass sie sich über die angebotenen Speisen freute. Sie achtete jedoch darauf, sich nicht all zu sehr voll zu futtern, damit ihr beim Fahrradfahren nicht schlecht werden würde. Als sie reisefertig war, bezahlte sie und machte sich wieder auf die Reise.

Ihr Gesicht hatte sie dick mit Sonnencreme eingerieben, doch für ihren schmerzenden Hintern hatte sie keine geigneten Polster. So hoffte Alice, dass sie die restliche Strecke auch ohne Hilfsmittel für ihr Sitzfleisch durchstehen würde.

In der Morgenkühle kam Alice noch recht zügig vorwärts, doch mittags wurde es wieder so heiß, dass das Fahren in der offenen Ebene zur Qual wurde. Diesmal riskierte sie jedoch keinen Mittagschlaf, denn sie wollte auf keinen Fall zu spät bei ihren Eltern ankommen. Ihre Mutter würde umkommen vor lauter Sorgen, wenn sich die Sonne erstmal gen Horizont neigen würde.

Also quälte sich Alice weiter auf der heißen Straße in Richtung Süden. Die Fahrt durch Freiburg kostete sie deutlich mehr Zeit als erhofft. Einen Teil der Stadt konnte sie jedoch auf einer ehemaligen Schnellstraße passieren, sonst hätte sie wohl alle Stadtteile abklappern müssen.

Hinter Freiburg wurde es dann richtig ermüdend, denn Alices Kraft ließ allmählich nach. Doch sie hatte jetzt ein klares Ziel vor Augen, was ihr in den letzten andertalb Stunden immer wieder einen neuen Schub gab. Außerdem dachte sie mehrmals an Achim, der genau diese Strecke auch gefahren war, auf seiner so viel längeren Tour in den Süden. Dahinter wollte Alice nicht zu sehr zurückstehen.

Dann, endlich, erreichte sie Breisingen. Sie musste noch durch ihre ganze Heimatstadt radeln, bevor sie am Südrand des Ortes bei ihrem Elternhaus ankam.

Kaum hatte Alice ihr Fahrrad auf dem knirschenden Kies des Hofes abgestellt, stürzte ihre Mutter aus dem Haus und schloss ihre Tochter in die Arme.

Peakoil Reloaded

Beyond Oil: The View from Hubbert's Peak
von Kenneth S. Deffeyes

Jenseits des Ölgipfels
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Peakoil Reloaded
Peakoil Reloaded

136 Seiten
ISBN 3-938764-00-7

Preis: 14.80 Euro

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