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Jenseits des Ölgipfels

Kapitel 11


  
Obwohl er kaum noch Geld hatte, ging Jens am nächsten Morgen in ein Geschäft, das Bettdecken verkaufte. Er wollte sich einfach mal informieren, wieviel man für eine brauchbare Decke hinblättern musste. Der Laden hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, das zeigte schon die abgesplitterte Farbe an der Eingangstür. Drinnen stapelten sich jedoch neu aussehende Decken und eine junge Verkäuferin machte ein Geschäft nach dem anderen.

Die Decken auf dem grossen Stapel waren zwar eigentlich nicht sehr teuer, überstiegen Jens Budget jedoch bei weitem. Er streifte im Laden umher, um vielleicht billigere Angebote zu finden. Insgesamt schien ihm die Produktpalette ziemlich schmal. Viele Regale sahen so aus, als wären sie normalerweise gefüllter. Wahrscheinlich waren Decken in letzter Zeit sehr begehrt, dachte sich Jens, der ja auch erst jetzt auf die Idee gekommen war, sich eine Zusatzdecke zu kaufen.

"Suchen Sie etwas Bestimmtes?", schreckte ihn eine männliche Stimme auf. Ein untersetzter Mann mit Halbglatze schaute Jens fragend an.

"Äh ja, ich suche eine Decke. Haben Sie auch was sehr preiswertes?", sagte Jens.

"Die Sonderangebote von letzter Woche sind leider ausverkauft. Da hätte ich aber noch diese hier, die könnte ich Ihnen etwas herabsetzen.", er zeigte Jens eine Decke, die leicht fleckig aussah, ansonsten aber akzeptabel schien. Doch der Preis, den der Mann nannte, war Jens immernoch zu hoch.

Jens zuckte bedauernd mit den Achseln: "Leider ist mir das momentan immer noch zu kostspielig. Da werde ich wohl ein andermal wiederkommen.".

"Tja, schade,..", sagte der Mann und schien zu überlegen, ob er noch etwas hinzufügen sollte. "Da gäbe es eventuell noch eine andere Möglichkeit. Sie sehen kräftig aus und ich könnte jemand gebrauchen, der den Lagerraum entrümpelt. Damit könnten Sie sich die Decke erarbeiten. Wie wärs damit?", schlug er vor.

Jens überlegte nicht lange und schlug ein: "Gerne, das wär mir eine Decke wert. Wann und wie soll denn das stattfinden?".

Der Mann führte ihn durch einen schmalen Gang in einen grossen Raum, der voller Gerümpel stand. Am hinteren Ende konnte man ein Garagentor erahnen, doch es war von verschiedenen Gegenständen verstellt.

"Schauen Sie junger Mann, das muss alles mal aufgeräumt werden. Und zwar soll alles, was nach Decke aussieht, geordnet werden, damit ich es als Sonderposten verkaufen kann. Decken gehen zur Zeit weg wie nie. Das ist mein letzter Boom und den sollte ich mitnehmen, wenn ich schon noch mal die Chance hab, viel zu verkaufen. Die Lieferanten können gar nicht genug liefern, wie Decken verkauft werden. Darum jetzt das alte Lager. Hier liegen bestimmt noch hunderte von Decken rum. Und irgendwo müssten auch noch Heizkissen sein, die könnte ich zu Höchstpreisen verkaufen, ich musste schon drei Kundinnen wegschicken, denn bis zu den Heizkissen kann ich mich nicht mehr durcharbeiten.", dabei schmunzelte der Mann und schaukelte seinen runden Bauch, um zu demonstrieren, warum er nicht an die versteckten Heizkissen dran kam.

Er fuhr fort: "Mein Name ist übrigens Schmidtbauer. Also, alle Decken sortieren und der Rest kann weg. Mein Vetter hat eine Entrümplungsfirma und stellt mir eine kleine Mulde hin. Ich muss ihn nur anrufen. Schauen Sie sich nur mal um, ich werd es gleich mal versuchen, einen Termin zu vereinbaren.". Herr Schmidtbauer fischte ein Handy aus einer Jackentasche und telefonierte kurz.

"Heute?", sprach er ins Telefon. An Jens gewandt fragte er: "Passt Ihnen heute nachmittag?". Jens nickte und Herr Schmidtbauer beendete zügig sein Gespräch.

"Soweit alles klar?", fragte Herr Schmidtbauer.

"Ja, heute nachmittag. Ich kann gegen drei bei Ihnen sein. Reicht Ihnen das?", sagte Jens. Herr Schmidtbauer stimmte zu und Jens machte sich auf den Weg zum Gemeindezentrum.

Kaum war er dort angekommen, brachte Johanna ihm eine Tasse Kaffee, die Jens sehr gelegen kam. Der Kaffee schmeckte kräftiger als sonst und hatte einen Hauch Kakaoaroma, etwa wie Capuccino. Jens sagte zu Johanna: "Das ist ne neue Sorte, oder? So ähnlichen Kaffee kenn ich vom Bund, da haben wir den immer vor langen Manövern bekommen, weil der ordentlich Power gibt.".

Johanna antwortete: "Ja, da steht ein neues Glas bei der Kaffeemaschine. Schmeckt er dir?".

"Ja, schmeckt gut.", sagte Jens und ging zur Kaffeemaschine, um sich das Glas anzusehen.

"Power-Kaffee - extra stark", stand auf der Packung. Der Zutatenbeschreibung konnte er entnehmen, dass es sich um ein coffeinhaltiges Kaffeesurrogat mit naturidentischem Kaffee-Aroma handelte. Ausserdem waren Lecithin, Taurin und körpereigene Proteine als Zutaten angegeben. Das mochte ein Teufelszeug sein, dachte sich Jens.

Die Arbeit ging ihm leicht von der Hand und er freute sich sogar auf die Entrümpelungsaktion am Nachmittag. Die Ausgabe der Tagesrationen wurde allmählich zur Routine, da kam ihm ein wenig Abwechslung gerade recht. Die Regelung mit der dünnen Suppe für die Rations-Empfänger und der zusätzlichen Brotscheibe für die Anderen hatte sich einigermaßen gut eingespielt. Die Anzahl der Armen, die nicht durch die Grundsicherung versorgt wurden, nahm allmählich ab, was bestimmt auch daran lag, dass Silke den Bedürftigen nachmittags beim Ausfüllen ihrer Grundsicherungsanträge half. Wenn Silke dazuschrieb, dass sie beim Antrag geholfen hatte, verlief die Genehmigung der Anträge meistens ohne Probleme.

Punkt drei stand Jens im Bettwarengeschäft. Herr Schmidtbauer führte ihn ins Lager. Das Garagentor war inzwischen von aussen geöffnet worden und Jens sah einen mittelgrossen Container davorstehen, der oben offen war, die sogenannte Mulde.

"Alles klar?", fragte Herr Schmidtbauer jovial.

"Ja, im Prinzip schon. Soll der Raum danach leer sein, oder wollen Sie ihn als Lager nutzen?", fagte Jens.

"Ah, ich seh schon, Sie denken mit. Er soll als Lager dienen. Die brauchbaren der alten Regale können Sie an die Wand stellen oder so in den Raum, dass man von allen Seiten drankommt. Ok, Sie können loslegen.", sagte Herr Schmidtbauer und ging wieder in den Verkaufsraum.

Jens bahnte sich zuerst einen Weg zum Tor und begutachtete die Lage von der anderen Seite. Hier war wohl jahrelang einfach immer alles reingestellt worden, bis man kaum noch den Raum betreten konnte. Auch als Auffanglager für eine alte Ladeneinrichtung hatte das Lager herhalten müssen. Daher standen etliche Regale kreuz und quer.

Um sich Platz zu schaffen, räumte Jens zuerst einige der sperrigen Regale in den Hof und fing dann an, unbrauchbar aussehende Gegenstände in die Mulde zu werfen. Decken und ähnliche nützliche Artikel schüttelte er aus und sortierte sie je nach Beschaffenheit. Wie Herr Schmidtbauer gehofft hatte, verbargen sich in dem Chaos noch wahre Kostbarkeiten, die sich in diesem kalten Herbst bestimmt zu viel Geld machen ließen.

Schon nach kurzer Zeit war Jens über und über staubbedeckt, aber es machte ihm Freude, Luft in die drangvolle Enge zu bringen und ungeahnte Schätze zu bergen. Er merkte kaum, wie die Zeit verging.

Irgendwann war die erste Wand freigeräumt und Jens konnte passende Regale hinstellen und die Decken darin aufstapeln. Nach und nach füllte sich die Mulde mit kaputten oder vergammelten Dingen aller Art. Bei vielen Gegenständen war aber auch nicht klar, ob sie weggeworfen oder aufgehoben werden sollten. Diese Sachen stellte Jens in eine extra Ecke. Unter diesen Gegenständen befand sich eine alte Tret-Nähmaschine, ein Holzofen, ein Schaukelpferd und eine Kommode.

Als Jens fertig war, ging er in den Verkaufsraum, um Herrn Schmidtbauer Bescheid zu sagen. Herr Schmidtbauer folgte ihm ins Lager und stiess ein erstauntes "Oh" aus.

Dann sagte er: "Sehr gut junger Mann. So ähnlich habe ich mir das vorgestellt. Dann werde ich doch gleich mal meinen Vetter anrufen, dass er die Sachen abholen kann.". Er telefonierte kurz. Dann ging er mit gewichtigen Schritten auf die Tret-Nähmaschine zu und sagte: "Ach, die alte Nähmaschine meiner Mutter. Fast hätte ich sie vergessen. Wie schön, dass sie noch da ist. Den alten Ofen hier, und die Kommode, die können Sie noch wegwerfen, die brauch ich nicht. Aber das Schaukelpferd soll hierbleiben, das hat mal meinem Sohn gehört. Vielleicht kommt ja doch noch mal ein Enkel, der darauf reiten will.".

Jens betrachtete den Ofen und schaltete blitzschnell: "Wenn Sie den Ofen nicht mehr brauchen, könnte ich den vielleicht gebrauchen. Wäre doch schade, ihn wegzuwerfen.".

"Nur zu, junger Mann, Sie können die Sackkarre dort hinten benutzen, um ihn nach Hause zu bringen. Haben Sie denn einen Schornstein im Haus?", fragte Herr Schmidtbauer.

"Danke, vielen Dank!", sagte Jens. "Ja, ich glaube, ich habe einen Schornstein in der Wohnung. Eine Dame, die über mir wohnt, heizt mit einem Ofen, soviel ich weiss."

"Wenn Sie doch keinen Schornstein haben, können Sie auch einen Abzug durch ein Fenster bauen, aber das macht Arbeit und zieht nicht so gut. Schornsteine sind besser. Irgendwo müsste ich auch noch passende Rohre haben. Vielleicht im Keller, da können wir anschließend mal schauen. Ah ja, und hier sehe ich die Heizkissen und sogar ein paar von den Heizdecken, wunderbar", Herr Schmidtbauer rieb sich die Hände. "Oh, und warum liegt diese Heizdecke neben all den anderen? Ah ja, ich sehe schon, sie ist fleckig. Schade, schade. Wissen Sie was, junger Mann? Sie haben das hier so schön hingekriegt, dass ich bereit wäre, Ihnen außer der versprochenen Decke noch diese fleckige Heizdecke zu geben. Was halten sie davon?"

Jens war zunächst sprachlos, denn er war es gar nicht gewöhnt, ungefragt mehr zu bekommen, als er gewünscht hatte. So eine Heizdecke konnte sehr praktisch sein, denn damit konnte man die Raumtemperatur stark runterfahren und musste trotzdem nicht frieren. Eigentlich war es ja mehr was für Omas, aber in solchen Zeiten sollte man sich auch als junger Mann nicht zieren.

"Ja, sehr gerne nehme ich die Heizdecke. Das ist sehr großzügig von Ihnen. Vielen Dank!", sagte Jens schließlich.

Inzwischen war der Vetter von Herrn Schmidtbauer eingetroffen und gesellte sich zu ihnen.

"Wacker, wacker", sagte er an Jens gerichtet. "Und das haben Sie alles seit heute mittag um drei entrümpelt?"

Jens nickte und der Vetter fuhr fort: "Na Armin, da hast du ja mal ausnahmsweise Glück gehabt, mit einer deiner Spontanentscheidungen". Er wandte sich wieder an Jens: "Wissen Sie, so einen kräftigen jungen Mann wie Sie, der sich nicht scheut anzupacken, könnte ich zur Zeit öfter mal gebrauchen. Das Entrümpelungsgeschäft läuft gut, weil die ganzen Grundsicherungsleute umgesiedelt werden. Wir haben Arbeit in Hülle und Fülle. Wenn Sie wollen, rufen Sie mich morgen tagsüber in meinem Büro an. Hier ist meine Karte. Ich habs eilig, mach mich gleich wieder auf den Weg - Armin, grüss Lotte von mir". Der Vetter winkte noch kurz zum Abschied, schwang sich dann in seinen LKW, lud die Mulde auf und fuhr davon.

"Ja ja, der Nobby, immer auf Achse", sagte Herr Schmidtbauer schmunzelnd.

Jens warf einen gründlichen Blick auf die Visitenkarte, die der Entrümplungsspezialist ihm gegeben hatte. "Norbert Lorenz" stand dort als Name. Wenn er Herrn Lorenz recht verstanden hatte, war ihm gerade ein Job angeboten worden.

Heute war anscheinend sein Glückstag. Nicht nur eine Decke, sondern auch einen Ofen, eine Heizdecke und einen Job hatte er bekommen. Und das alles, weil er sich ein paar Stunden in einem vollgestopften Lager ausgetobt hatte. Er verabschiedete sich hochzufrieden von Herrn Schmidtbauer und versprach, die Sackkarre in Kürze wieder zurückzubringen.

Der Transport des Ofens bis zu seiner Wohnung war eine echte Plackerei. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass ein Ofen so schwer sein konnte. Dabei war der Ofen nicht einmal gross. Irgendwann stand der Ofen jedoch in seinem Zimmer und Jens lehnte sich schweissüberströmt an die Sackkarre. Jetzt musste er noch einmal zu Fuss zurück zum Laden und dann mit dem Fahrrad wieder heim. Aber im Vergleich zur Ofenschlepperei war das ein Kinderspiel und Herr Schmidtbauer freute sich, als Jens an seiner Privatklingel läutete, um die Sackkarre wieder abzuliefern.

Zuhause belohnte er sich mit einer warmen Dusche, um sich den Staub und Schweiss vom Körper zu waschen. Dann kochte er sich eine ordentliche Portion Spaghetti, denn die Lageraktion hatte ihn wieder richtig hungrig gemacht. Wie gut, dass er jetzt immer einen ausreichenden Vorrat Kochzutaten im Haus hatte, um für eventuelle Versorgungsengpässe gerüstet zu sein.

Die Heizdecke legte er schon mal in sein Bett, damit sie es aufheizen konnte und die neue Bettdecke bezog er mit seinem letzten Bettbezug. Das würde eine mollig warme Nacht werden.

Während er seine Spaghettis verschlang, setzte sich Jens vor den Fernseher, um mal wieder das Neueste aus der Welt zu erfahren.

Das beherrschende Thema des Tages war Lagos in Nigeria.

Schon seit Monaten herrschte Bürgerkrieg in Nigeria. Etwa hundert ethnische Konflikte waren zwischen den gut dreihundert Völkern des Vielvölkerstaates ausgebrochen. Drei dieser Völker waren im letzten halben Jahr anscheinend vollständig ausgerottet worden. Besonders gross war die Kluft zwischen christlichen und islamischen Völkern. Die Kämpfe drehten sich vorwiegend um die knappen Nahrungsmittel und um territoriale Ansprüche. Weil Nigeria stark auf Nahrungsmittel-Importe angewiesen war, gab es landesweit eine grosse Hungersnot, denn die Lebensmittel-Lieferungen waren ausgeblieben.

Die Regierung, für ihre Korruption bekannt, war vor zwei Wochen durch Attentate von Rebellen gestürzt worden. Bisher war keinerlei funktionierende neue Regierung an ihre Stelle getreten.

Das Öl war zwar Nigerias Haupteinnahmequelle, und die nachlassende Förderrate wurde durch den hohen Ölpreis mehr als ausgeglichen, aber von den Gewinnen aus dem Ölexport kam kaum etwas bei der Bevölkerung an. Die Bewohner des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas hungerten seit Jahren. Durch die ausbleibenden Nahrungsimporte war die gewohnte Armut einem Massensterben gewichen.

Insgesamt wurden die bisherigen Toten durch Hunger und kriegerische Handlungen auf etwa sechs Millionen geschätzt. Das waren etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Ein Ende des Massensterbens war nicht abzusehen.

Besonders grauenvoll stellte sich die Situation in Lagos, der grössten Stadt des Landes dar. Am Meer gelegen, verteilte sie sich auf mehrere Inseln und ein grosses Stück Festland. Lagos war die Stadt, die in den letzten zwanzig Jahren weltweit am schnellsten gewachsen war. Aktuelle Schätzungen beliefen sich auf achtzehn bis zwanzig Millionen Einwohner.

In Lagos kämpfte nahezu jeder gegen jeden. Die Zustände waren apokalyptisch. Geschätzte zwei Millionen Tote lagen unbestattet auf den Straßen oder in ihren Wohnungen. Hingestreckt von den verschiedensten Rebellengruppen. Wer sich auf die Straße wagte, musste in Minutenfrist damit rechnen, von einer Kalaschnikow oder Machete getötet zu werden. Ganze Straßenzüge wurden entvölkert. Die Brücken zu den Inseln waren gesprengt worden und die Einwohner waren von jeder Versorgung abgeschnitten; vor allem an Trinkwasser mangelte es. Anstatt massakriert zu werden, starben die Menschen hier am Durst oder an der Cholera, die ausgebrochen war.

Ein einziger Fernsehsender sendete noch per Satellit und war die einzige Verbindung Lagos zum Rest der Welt. Ausländische Reporter oder Hilfsorganisationen hatten schon vor Monaten das Land verlassen und so stand ein Nigerianer vor der Kamera der BBC, zu der der Sender offiziell gehörte. In makelosem Englisch berichtete er von unvorstellbarem Grauen. Das Teleobjektiv der Kamera fing vom Dach des Senders aus einige Straßenszenen ein, die bei der Ausstrahlung durch optische Verfremdung teilweise zensiert wurden. Aber auch so sah Jens mehr, als ihm lieb war.

Der Sprecher rief die Vereinten Nationen auf, Truppen und Nahrungsmittelhilfen zu schicken, sonst würden weitere Millionen von Menschen sterben müssen.

Ausserdem berichtete er, dass eine Rebellengruppe hundert hochrangige Vertreter der verschiedenen Ölkönzerne, die sich in Nigeria aufhielten, entführt hatte und Waffen für ihre Freilassung forderte. Diese Rebellengruppe hatte es sich zum Ziel gesetzt, ganz Nigeria von Ungläubigen und minderwertigen Völkern zu säubern.

Ein Bildwechsel zeigte mehrere amerikanische Angehörige der entführten Öl-Manager, die verzweifelt weinten und um deren Freilassung baten.

Der Sprecher der Vereinten Nationen bestätigte, dass er die Notwendigkeit eines Eingreifens sehen würde. Am nächsten Tag würde der Sicherheitsrat dazu in einer Sondersitzung tagen, aber die Hoffnung sei gering, dass die Lage ohne weitere Verluste in den Griff zu bekommen sei, weil alle Länder zur Zeit mit eigenen Krisen zu kämpfen hatten.

Jens sass wie betäubt auf seinem Sofa. Da hatte er den Niedergang Deutschlands schon als grauenvoll empfunden und war voller Argwohn gegenüber der Verpflegung und Unterbringung deutscher Armer gewesen, aber im Vergleich zu den Zuständen in Nigeria ging es den Leuten hier noch richtig gut.

Im Container herrschte zwar Stumpfsinn, aber sogar der türkisch wirkende Mitbewohner des Viererzimmers schien sich mit seinen Mitbewohnern gut zu verstehen, was Jens bisher für selbstverständlich genommen hatte. Und was da in Lagos passierte, war im Vergleich dazu so grauenvoll, das Jens es kaum verkraften konnte. Dort ging es ja nicht um ein paar hundert Tote, sondern um Millionen. Die Zahl konnte er sich kaum vorstellen, aber er hatte Leichenberge gesehen, die deutlich machten, dass es wirklich um ein Massensterben ging.

Als Jens dann in seinem vorgeheizten Bett lag, kam ihm sein Leben fast unanständig luxuriös vor. Sogar einen neuen Job hatte er vielleicht gefunden.

Jenseits des Ölgipfels

The Party's Over
von Richard Heinberg

Peakoil Reloaded
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Jenseits des Ölgipfels
Jenseits des Ölgipfels

268 Seiten
ISBN 3-933634-18-0

Preis: 16.90 Euro

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