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EMP - Ein Survivalroman

Kapitel 25


  
Diesmal waren es keine blutrünstigen Frauen, die Fritz weckten, sondern die kalte Herbstluft, die in sein Zelt kroch und seine Nase kitzelte. Für einen gemütlichen Zeltaufenthalt war eindeutig nicht mehr ganz die richtige Jahreszeit. Dank der Frische war Fritz aber bald hellwach, was er sehr begrüsste. Seine Geräte zeigten an, dass die Nacht ruhig gewesen war; was die unmittelbare Umgebung anging, hätte er für diese Info aber gar keine Geräte benötigt.

Sein Haus lag nach wie vor einsam und verlassen da, wie seine Webcam anzeigte. Eine Spährunde auf seinem Lieblingsbaum zeigte ihm, dass es in den Strassen der Stadt allmählich wieder bevölkerter zuging. Er sah etliche Leute mit schweren Taschen oder Handwagen rumlaufen. Anscheinend hatte es aber jeder eilig, wieder nach Hause zu kommen, denn alle bewegten sich zielstrebig vorwärts. Die Gruppe der Plünderer näherten sich ganz eindeutig seinem Ortsteil. Bald würde er sich für ein gutes Stück Wegs nicht sehen können, weil der Weg im toten Winkel seiner Kameras lag. Erst wenn sie sich seinem Haus näherten, würde er sie wieder verfolgen können. Obwohl es ihm paradox schien, hoffte er, dass sie endlich kommen würden, damit die Zeit des ungewissen Wartens ein Ende hatte.

Wenn er vorher gewusst hätte, dass die neuen Herren der Stadt sich mit einer Abschlagszahlung zufrieden geben würden, hätte seine Plünderungsvorbereitungen vielleicht anders gehandhabt, aber wer weiss, wozu es später noch gut sein könnte, wenn er den Plünderern gar nicht erst unter die Augen kam.

Der Vormittag verging zäh schleichend, sodass Fritz schon fürchtete, er würde nie zuende gehen.

Dann endlich, am frühen Nachmittag, blinkte sein Warnlämpchen aufgeregt, um ihn zu warnen. Im gleichen Moment hatte er die Bewegung jedoch auch schon selber auf dem Bildschirm gesehen. Obwohl er diesen Moment beinahe schon sehnsüchtig erwartet hatte, schlug sein Herz bis zum Hals. Es war die gleiche Gruppe, die er auch schon in der Stadt beobachtet hatte. Sie gingen direkt auf sein Haus zu, ohne irgendwelche Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen, so als hätten sie jedes Recht dazu. Beim Anblick des Sperrmülls vor seinem Haus schüttelten mehrere der Männer den Kopf. Ob sie sich wohl fragten, wer ihnen da zuvorgekommen war. Fritz verwünschte seine an sich gute Idee mit dem Sperrmüll vor dem Haus. Schliesslich hatte er ja unauffällig sein wollen. Aber es hatte ja offensichtlich auch andere Plünderergruppen gegeben, was den Sperrmüll vor seinem Haus erklären könnte.

Die Plünderer vor seinem Haus schienen sich auch nicht länger mit dem Plunder davor aufhalten zu wollen und strebten zielstrebig dem Hauseingang zu. Der Anführer holte mit der Faust aus, um dagegen zu klopfen oder zu schlagen. Welches von beiden gemeint war, war nicht so deutlich zu erkennen. Auf jeden Fall musste er nicht zu härteren Massnahmen greifen, denn die Haustür war absichtlich nur angelehnt, um das Schloss zu schonen.

Einer nach dem anderen betraten die Plünderer dicht an dicht das Haus von Fritz. Im Geist machte Fritz sich Notizen über die Vorgehensweise der Plünderer. Wenn er ihnen hinter der Tür eine Falle gestellt hätte, hätte es sie wohl alle erwischt, so unvorsichtig waren sie in sein Haus gegangen. Wahrscheinlich waren sie auch schon müde vom tagelangen plündern. Fritz stellte sich so eine Tätigkeit sehr öde vor, zumindest wenn man es viele Tage lang machen musste.

Fritz schaute auf seine Uhr, um sich zu merken, wann die Plünderer sein Haus betreten hatten. Ungeduldig sah er, wie die Sekunden hochzählten. Er mahnte sich zur Geduld, denn ein paar Minuten würden die Plünderer im besten Fall brauchen. Die Sekunden zerrannen quälend langsam und wurden nur sehr zögerlich zu Minuten. Fritz fragte sich, was die Plünderer jetzt wohl in seinem Haus anstellten. Unwillkürlich drückte er die Daumen.

Genau zehn Minuten und 34 Sekunden, nachdem sie das Haus betreten hatten, verliessen die Plünderer es wieder, ebenso dicht auf dicht, wie sie hineingegangen waren. Fritz atmete auf und wurde sich bewusst, dass er die ganze Zeit über kaum zu atmen gewagt hatte. Der letzte der Männer gab einem der Sperrmüllstücke vor seinem Haus einen Tritt, bevor er den anderen Männern auf ihrem Weg in Richtung Stadt folgte.

Es war vorbei! War es wirklich vorbei? Fritz wartete lieber noch eine Stunde ab, bevor er sich auf den Weg zu seinem Haus machte. Die Stunde nutzte er, um sein Zelt abzubauen und seine gesamte Lagerausrüstung regengeschützt im Stollen unterzubringen.

Als sich nach der einstündigen Wartezeit im Bereich seines Hauses nichts getan hatte, wagte Fritz endlich den Abstieg. Sein Haus kam ihm irgendwie fremd vor, als er es betrat und sorgfältig die Tür hinter sich schloss. Aber eigentlich konnte er zufrieden sein, denn die Verwüstung hielt sich in Grenzen. Eigentlich war gar nichts verwüstet worden. Auf dem Küchentisch lag umgeworfen seine Kleingeldkasse, die sonst immer auf dem Fensterbrett stand. Die drei Zwanzig-Euro-Scheine, die er als "Plünderer-Futter" reingelegt hatte, waren natürlich weg und auch die meisten grösseren Geldstücke. Auf dem Tisch fand er jedoch noch viele kleine Münzen. Sogar auf dem Fussboden lag das Geld rum, als hätten die Plünderer es nicht nötig, auf Kleingeld zu achten. Im Wohnzimmer war die Buddhafigur auf der Kommode umgeworfen und das Korallenarmband, das der Buddha immer als Kette getragen hatte fehlte. Ansonsten war die Buddhafigur jedoch heile und auch sonst sah seine Wohnung unberührt aus.

Fritz konnte kaum fassen, wie gut er davongekommen war. Um das Armband war es zwar schade, denn es hatte ihm gut gefallen, aber der Verlust hielt sich in Grenzen. Um sein wiedergewonnenes Haus zu feiern, kochte er sich als erstes einen Kaffee und machte es sich in der Küche bequem. Beim Blick auf die Kücheneinrichtung schien es ihm, als wäre er auf einer langen Reise gewesen, so fremd und gleichzeitig vertraut kam ihm alles vor. In aller Ruhe überlegte er sich, was es jetzt alles für ihn zu tun gab. Die Wintervorbereitungen konnten beginnen.

Kaum hatte er seinen Kaffee ausgetrunken, trieb es ihn in den Keller, um dort nach dem Rechten zu sehen und Bestandsaufnahme zu machen. Der Keller sah noch genauso aus, wie er ihn verlassen hatte. Seinen Brunnen hatte er schnell wieder freigeräumt und die Pumpe wieder aufgebaut, sodass er seinen Wasservorrat unterm Dach auffüllen konnte. Dann räumte er das meiste Gerümpel vor dem Eingang zum zweiten Keller frei und leerte den schweren Schrank soweit, dass er ihn von der Tür wegschieben konnte. Jetzt hatte er wieder Zugriff auf seine ganzen Überlebensschätze, was seine Stimmung schlagartig steigerte. Sein Windrad wieder zu sehen, seine ganzen Handwerkzeuge, die Vorräte - das alles bedeutete ihm wohl mehr, als ihm vorher klar gewesen war. Die vom EMP-Schlag zerstörten Photovoltaik-Module für die Elektroversorgung lagen sorgfältig aufgestapelt neben den Sonnenkollektoren für die Heisswasserbereitung, die eigentlich noch funktionieren müssten. Diese zweiten wollte er möglichst bald wieder auf dem rückseitigen Dach montieren, um in den Genuss von warmen Duschen und ein wenig Heizung zu kommen.

Zuerst wollte er jedoch sein kleines Windrad wieder aufstellen, denn ein bisschen Strom wollte er gerne zur Verfügung haben. Da der Mast und die Verkabelung noch an Ort und Stelle waren, war Fritz mit der Montage schon nach kurzer Zeit fertig und wie auf Wunsch hatte der Wind etwas aufgefrischt und drehte das Windrad fröhlich im Kreis. Der Ladeanzeige im Keller konnte man auch entnehmen, dass die Aufladung der Autobatterien, die mit dem Windrad verbunden waren, zügig vor sich ging. Beim nächsten Besuch im Keller würde er schon die elektrische Deckenfunzel anstelle einer Taschenlampe oder Kerze nehmen können, um genug sehen zu können.

Auch für den Betrieb seines Notebooks und der Funkanlage müsste er bald genug Strom haben. In der Wartezeit, bis die Autobatterien genug Reserven aufgebaut hatten, räumte er den Sperrmüll vor dem Haus weg und kehrte den Gang und die Küche, wo die Plünderer ziemlich viel Strassendreck hinterlassen hatten. Bald wirkte sein Haus wieder deutlich wohnlicher, wenn es auch teilweise nur Kleinigkeiten waren, die Fritz veränderte. Auf einer kleinen Gartenrunde, die unter anderem der Kontrolle des Windrades diente, pflückte er sich ein paar Küchenkräuter, um damit sein Essen zu würzen, dass er sich zur Feier des Tages kochen wollte. Der Gaskocher kochte nicht nur sein Essen, sondern brachte auch eine wohlige Wärme in seine Küche, die Fritz nach den herbstlichen Tagen im Zelt sehr genoss.

In der Wartezeit bis das Essen gar war, holte Fritz sein geschütztes Radio aus dem Keller, denn er war sehr neugierig, was sich im Rest der Welt getan hatte. Schnell hatte er einen Sender gefunden und erfuhr von Tumulten in allen Grossstädten, aus denen Nachrichten bekannt waren. Ausserdem gab es Nachrichten von überforderten Militärs und Hilfsorganisationen, ferner von toten Regierungspolitikern, die vom aufgebrachten Mob erschlagen worden waren, verzweifelten Technikern, die sich bemühten, die Stromversorgung wieder in die Gänge zu bekommen und dergleichen unerfreuliche Dinge mehr. Keine der Neuigkeiten wunderte Fritz, denn mit sowas hatte er gerechnet. Die einzige überraschende Meldung war, dass aus Afrika Hilfslieferungen unterwegs waren. Fritz schmunzelte bei dem Gedanken, dass Afrika durch den Zusammenbruch der Industrienationen fast zwangsläufig einen enormen Auftrieb erfahren würde und gönnte es den Afrikanern von Herzen.

Beim Essen fühlte sich das Leben schon fast wieder normal an, ungefähr so wie an einem freien Tag. Seine persönliche Situation ging ihm durch den Kopf und er kam zu dem Schluss, dass er eigentlich einen fast normalen Winter verbringen könnte, vorausgesetzt, dass nichts dazwischen kam. Im Laufe der Zeit würden seine Vorräte zwar etwas eintönig werden, aber wozu konnte er schliesslich fantasievoll kochen? Befriedigen würde ihn das auf Dauer aber nicht; einfach so gemütlich in seinen vier Wänden zu sitzen und die Katastrophe draussen ihren Lauf nehmen zu lassen. Bestimmt würde ihm noch einfallen, wie er zum Wiederaufbau der Infrastruktur beitragen könnte. Vielleicht ergab sich in den nächsten Tagen eine günstige Gelegenheit, um in der Stadt die Lage zu peilen.

Gegen Abend waren seine Autobatterien genügend aufgeladen, dass sich der Aufbau der Technik lohnte. Sein funktionierendes Notebook war zwar ein älteres Modell, aber völlig ausreichend, um damit eine Nachricht an seine Eltern zu schreiben. Es dauerte eine Weile, bis alles angeschlossen war und er die Frequenz des Notfallnetzes gut erreichte, aber eigentlich war Fritz erstaunt, wie reibungslos alles lief. Er war erstaunt, wieviel Betrieb schon auf dem Server seiner Eltern herrschte. Beim schnellen Überfliegen der Foren-Beiträge bekam er den Eindruck, dass es seinen Eltern gut genug ging, um sich den Kopf über die Sorgen von Anderen zu zerbrechen. Das konnte man wohl als gutes Zeichen werten.

Im Forum hinterliess er einen allgemeinen Gruss und seinen Eltern schrieb er eine persönliche Nachricht, in der er mitteilte, dass es ihm gutging, dass die Plünderer ihn nahezu verschont hätten und dass die Stadt anscheinend von einer Gangsterbande übernommen worden war, die aber in gewisser Weise auch für Ordnung sorgte. Wegen der Gangsterbande bat er um Tipps, wie man mit sowas am besten umgehen könnte.

Anschliessend las er noch eine Weile und ging später halbwegs zufrieden mit sich und der Welt ins Bett.




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