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EMP - Ein Survivalroman

Kapitel 18


  
Der Zusammenbruch war jetzt schon sechs Tage her. Man könnte aber auch sagen, dass er erst sechs Tage her war, denn ich hatte mich schon fast daran gewöhnt, morgens erstmal ein Feuer im Ofen anzumachen, um Kaffee und Tee zu kochen. Als ich dem Feuer beim Auflodern zusah, wurde mir bewusst, dass ich eigentlich das Gefühl hatte, schon ewig in der veränderten Welt zu leben.

Dabei war Vieles so neu, zum Beispiel die Hühner und Kaninchen. Die wollte ich heute unbedingt mal richtig kennenlernen. Schliesslich hatte ich sie bestellt und Felix hatte bisher den meisten Kontakt und die meiste Arbeit damit gehabt. Also ging ich nach dem Frühstück gleich in den Hof, um den Tieren einen Besuch abzustatten.

Der Hahn war wohl noch nicht in der Blüte seiner Manneskraft, aber er hatte schon schillernde grüne und blaue Federn und sein Kamm schwoll sichtbar rot an. Die drei Hennen sahen aus, wie normale Hennen, wenn auch noch relativ klein. Ich fing gerade an, über Namen nachzudenken, als mir einfiel, dass man Tieren, die man vielleicht schlachten will, besser keine Namen geben sollte. Also liess ich das mit den Namen sein und gab ihnen stattdessen ein paar Handvoll Körner. Ob ich sie wirklich schlachten wollte, würden wir sehen, wenn es soweit war, aber sicherheitshalber besser ohne Namen.

Aufgeregt gackernd stürzten sich alle vier auf die Körner und pickten sie auf. Bald wollten wir einen Futterautomat bauen, bei dem sich die Hühner, immer wenn sie Hunger haben, selbst bedienen können. Aber das hatte bestimmt noch ein paar Tage Zeit.

Die Kaninchen hockten alle in ihrem Haus. Als ich ihnen jedoch etwas Grünfutter ins Gehege legte, kamen sie nach und nach herausgekrochen und knabberten an den grünen Blättern. Sie sahen sehr kuschelig aus und weil der Bauer gesagt hatte, dass es auch Kaninchen, die als Nahrung gehalten werden, gut tut, gestreichelt und herausgenommen zu werden, hielt ich vorsichtig meine Hand in den Stall, damit sie sich daran gewöhnen konnten. Sie kamen an und schnupperten an der Hand und nach einer Weile frassen sie auch Löwenzahnblätter direkt aus der Hand. Am Schluss streichelte ich sie noch ein wenig und das schien ihnen zu behagen.

Felix kam in den Hof und mit vereinten Kräften trugen wir beide Ställe in den Garten, wo wir die Kaninchen auf ein Stück Wiese stellten, das wir noch nicht gemäht hatten. Dort konnten sie das Gras direkt fressen und wir brauchten es nicht extra mähen. Den Hühnerstall stellten wir auf ein kürzlich abgeerntetes Gemüsebeet, wo noch die Pflanzenreste und Unkraut standen. Die Hühner konnten die Pflanzen und eventuelle Schadinsekten fressen und ordentlich auf dem Beet rumscharren. Dadurch sparten wir uns das Unkrautjäten und hatten zudem noch stickstoffhaltigen Dünger auf dem Boden, der über den Winter kompostieren konnte. Auf diese Weise wollten wir die Ställe von Platz zu Platz wandern lassen, solange es draussen noch warm genug war. Den Winter sollten sie dann auf dem geschützten Hof in Hausnähe verbringen.

Weil wir sowieso schon draussen im Garten waren, schnitten wir noch eine Menge Gras an den entfernteren Stellen, um es dann auf dem Hof zu trocknen. Das Heu, das schon auf dem Hof lag, war schon recht gut getrocknet, dafür dass es erst einen Tag dort lag. Wir wendeten das angetrocknete Heu mit den Heugabeln und warfen es dabei auflockernd in die Luft, wie wir es schon oft bei Kleinbauern gesehen hatten. Jetzt freute ich mich, dass wir so einen grossen Hof hatten, denn dadurch war genug Platz für unsere Trocknungs-Aktion. Vorher war mir der Hof oft zu gross vorgekommen. Aber jetzt würde er wohl manchmal sogar knapp werden.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie wir wohl nächstes Jahr um die Zeit leben würden. Wahrscheinlich wären wir dann schon sowas wie Kleinbauern, wenn auch mit immernoch recht wenig Erfahrung. Wieviel von der Technik bis dahin wohl wieder nutzbar war? Unser Notfall-Netz würde bis dahin bestimmt noch ordentlich anwachsen. Und wir würden natürlich auch elektrisches Licht usw. haben. Hatten wir ja schliesslich jetzt schon, wenn wir wollten. Aber für Stadtbewohner sah das bestimmt ganz anders aus. Möglicherweise würden die richtig harten Zeiten sogar erst später kommen, wenn die vorhandenen Nahrungsmittel-Vorräte landesweit verbraucht waren und die Bauern ohne die moderne Technik keine richtigen Ernten einbringen konnten. Die Vorstellung grauste mich und ich dachte lieber wieder daran, dass unser Gemüsegarten bis dahin bestimmt schon zweihundert Quadratmeter gross sein würde, zusätzlich zu den Gewächshäusern, deren zweihundert Quadratmeter wir dann wohl auch voll nutzen würden. Dann hatten wir auch Platz für ausreichend Kartoffeln und Zwiebeln, die bisher mengenmässig immer schwer zu kurz gekommen waren.

Der Topinambur wucherte sowieso wild und fröhlich vor sich hin. Wir sollten dennoch im Laufe des Herbstes die Knollen noch etwas verbreiten, damit nächstes Jahr doppelt soviel plünderfestes Knollengemüse wachsen würde, als normalerweise der Fall gewesen wäre. Sowieso war bald Topinambur-Ernte und diesmal würden wir ihn wohl auch richtig ernten. In anderen Jahren waren wir nicht so wild auf die süsslichen Knollen und daher ernteten wir immer nur ein paar davon und liessen den Topinambur ansonsten wild wachsen. Aber dieses Jahr war alles anders.

Je länger ich über den Garten nachdachte, desto klarer wurde mir, dass wir in den nächsten Tagen unbedingt eine neue Gartenplanung machen mussten, denn unsere bisherigen Pläne mit der allmählichen Eroberung des Terrains waren jetzt ja weitgehend unbrauchbar.

Als nächstes war erstmal wieder Zeit für unser Netz. Seit vorgestern hatte ich nicht mehr reingeschaut, aber Felix hatte es natürlich die ganze Zeit über im Auge. Obwohl ein guter Tag für die Arbeit an frischer Luft war, waren ausser uns fünf Leute im Chat. Diese fünf waren inzwischen schon fast sowas wie Stammgäste, zusammen mit etwa zehn anderen, die zur Zeit wohl woanders am arbeiten waren. Fast alle lebten in mehr oder weniger grossen Häusern in eher ländlicher Gegend, also ähnlich wie wir. Natürlich waren sie unterschiedlich gut vorbereitet, aber gemeinsam war allen, dass sie soweit vorgesorgt hatten, dass sie noch funktionierende Computer, Funk und eine kleine Stromversorgung hatten. Da das ja schon eine ganze Menge ist, und nur wenige besonders Verrückte soweit gingen, hatten die meisten natürlich auch einiges an Nahrungsvorräten und eigene Gemüse-Gärten. Manche lebten sogar schon seit Jahren vollständig als Selbstversorger. Von denen konnten wir anderen noch einiges lernen.

Die Foren kamen auch allmählich in Bewegung, denn gerade wenn man nicht ständig online ist, ist es sehr praktisch, wenn man zeitversetzte Kommunikation betreiben kann. Im Tierhaltungs-Forum erzählte ich von unseren neuen Kleintieren und bat um weitere Tipps für junge Hühner und Kaninchen. Natürlich standen die wichtigsten Infos schon lange in unserer Datenbank und in mehreren unserer Bücher, aber Tipps von lebenden Menschen sind immer wieder Gold wert.

Im Chat kamen wir ins Gespräch über Plünderer. Bei den meisten war es bisher ruhig. Nur einer, der Franzl, der am Rand einer Kleinstadt lebte, erzählte, dass bei ihm schon Plünderer gewesen waren, aber dass es reichlich glimpflich abgegangen sei. Sie hatten natürlich die wichtigsten Sachen versteckt und ein paar unwichtige Dinge, wie kaputte, aber neu aussehende Hifi-Geräte als Lockangebot in erreichbare Nähe gestellt. Die Plünderer waren wohl schon ermüdet von ihrem Beutezug gewesen, auf jeden Fall hatten sie sich anstandslos mit ein paar rumliegenden Geldscheinen und den kaputten Geräten begnügt und waren wieder abgezogen. Die Frau des Hauses hatte vor lauter Angst jedoch fast einen Nervenzusammenbruch erlitten und die Kinder hatten auch sehr darunter gelitten, stundenlang ganz leise im Keller zu hocken. Mit Grausen stellte ich mir so eine Situation vor und auch wenn es gut ausgegangen war, war ich alles andere als scharf darauf, sowas auch zu erleben.

Felix ging nach einer Weile in den Hof, um Holz zu hacken, denn wir hatten noch viel Holz, das auf die Axt wartete. Glücklicherweise hatten wir in der Küche den Vielzweck-Ofen, der auch dicke Hölzer schluckte, darum mussten wir nicht alles nochmal nachspalten. Der Holzbauer hatte das Holz schon grob gespalten angeliefert. Wie gut, dass wir schon im Frühling das Holz gekauft hatten. Auf die Weise war es recht billig gewesen und es konnte den Sommer über gut trocknen. Jetzt war Holz bestimmt erheblich teurer und vor allem in trockener Form knapp bis zur Schmerzgrenze.

Ein neuer Chatter betrat den Raum. Bisher hatte ich ihn erst einmal im Chat erlebt. Er war wohl bisher der einzige, der mitten in der Gross-Stadt sass und nicht im eigentlich Sinne ein Survival-Fan war. Sein bisheriges Interesse lag vorwiegend im Bereich Amateur-Funk, Elektronik-Bastelei und Internet und er hatte einen Alukisten-Fimmel. Diesen Alukisten war es zu verdanken, dass die meisten seiner Geräte sowohl den grossen zentralen, als auch die späteren lokalen EMP-Schläge überstanden hatten. Damit war er in Frankfurt vielleicht der einzige Privatmensch, der über die nötige Ausrüstung verfügte, um mit uns in Kontakt zu treten. Die Frequenz über die unser Notfall-Netz lief, hatte er sich irgendwann mal mehr aus Langeweile aufgeschrieben. Das hatte er bei seinem letzten Besuch im Chat erzählt.

CityGuy: hi folks
Eva: Hi CityGuy :-)
Franzl: Hi CG, auch mal wieder im Lande. Was macht das Citylive?
CityGuy: grauslich grauslich sag ich euch. echt nicht zu empfehlen. der pizza-service ist ausgefallen, die speisekammern leer und ich hab einen scheiss-durst. die plünderer werden immer dreister und kommen jetzt auch schon tagsüber in die wohnungen. fast alle hier sind irgendwo hin geflohen. keine ahnung wohin.
Eva: Ohje *troest* Geh doch mal in die geplünderten Wohnungen, wenn es mal ruhig ist. Meistens wird da einiges übersehen, weil Plünderer ja meistens Wertsachen suchen und die gefüllten Giesskannen in Ruhe lassen.
CityGuy: gute idee, werd ich mal machen, wenns wieder ruhig ist.
Franzl: Wenns regnet, kannst du auch das Wasser mit einem aufgespannten Müllsack sammeln und durch ein Loch in der Mitte in einen Topf leiten.
CityGuy: auch gut. leider scheint hier die sonne. ein bisschen regen würde vielleicht auch den plünderern die lust nehmen.
CityGuy: aber die grösste kacke hab ich noch gar nicht erzählt. meine autobatterie mit der ich den krempel hier betreibe, nähert sich ihrem ende. ich hab vielleicht nur noch für ne viertelstunde saft. dann bin ich weg vom fenster.
Eva: Du hasts aber echt schwer. Hast du eine funktionierende lichtmaschine?
CityGuy: ja, hab ich, wieso? mein auto ist natürlich kaputt. aber die lichtmaschine war vorher noch prima. und die batterie auch, bis jetzt.
Eva: Und hast du ein Fahrrad?
CityGuy: klar, hab ich, wenn auch selten benutzt. was hat das jetzt mit meiner batterie zu tun? aaah, mir dämmerts. du meinst, mit dem fahrrad die lichtmaschine antreiben?
Eva: Ja, genau. Verbinde das Fahrrad mit der Lichtmaschine und lade damit deine Autobatterie auf. Einen geeigneten Spannungswandler hast du ja anscheinend, sonst wärst du nicht hier.
Franzl: In der Datenbank gibt es dazu eine Bauanleitung. Müsstest du als Bastler leicht hinkriegen. Einfach unter Fahrradgenerator suchen.
TopiFriend: Is natürlich tierisch ineffektiv so ein fahrrad-generator, aber das kannst du dir bestimmt denken. Is aber besser als nix.
CityGuy: ist ja echt geil eh. das könnte meine rettung sein.
Franzl: Und denk mal über einen Umzug aufs Land nach. Städte sind zur Zeit echt ungünstig.
Eva: Du kannst ja eine Anfrage ins Wohn-Forum stellen. Vielleicht gibts ja jemand in deiner Nähe, der Platz hat.
CityGuy: oh, mist. sie kommen schon wieder. ich geh mal auf tauchstation. vielleicht bis bald.
TopiFriend: Machs gut und halt die ohren steif.
Franzl: Tschaui, ich drück die Daumen.
Eva: Alles Gute, CityGuy. Meld dich wieder. Und besorg dir was zu essen und zu trinken.

Und dann war CityGuy weg.

Wir unterhielten uns noch eine Weile über die dramatischen Ereignisse und Franzl zündete sogar extra eine Kerze an für den CityGuy und alle anderen, die jetzt in ähnlichen Situationen waren. Das hielt ich für eine gute Idee und zündete auch eine Kerze an. Dann holte ich Felix von draussen und erzählte ihm von CityGuy und zeigte im das Chat-Protokoll. Wir hielten dann mit den anderen Chatteilnehmern eine Art gemeinsamer Daumendrück-Runde, verbunden durch unser dürftiges Netz.

Natürlich dachte ich bei dieser Gelegenheit auch an unsere Kinder, die jetzt weit weg ohne Kontakt zu uns klarkommen mussten. Mir war gar nicht wohl bei dem Gedanken. Nur bei Fritz war ich mir halbwegs sicher, dass er sich erfolgreich durchschlagen würde. Aber die beiden anderen hatten in ihren Grossstädten so viel schlechtere Bedingungen und hatten auch kaum je Interesse für Survival-Dinge gezeigt. Und dann sogar noch mit der kleinen Anna. Mir war gar nicht wohl bei den Gedanken und ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, liefen mir die Tränen aus den Augen.

Den anderen war es wohl ähnlich gegangen, denn nach der Daumendrück-Minute, die in Wirklichkeit fast fünf Minuten gedauert hatte, verabschiedeten sich alle Chatter ziemlich schnell, um sich wieder ihren Arbeiten zu widmen. Auch wir brauchten ein bisschen Bewegung, um die schweren Gedanken zu lockern.

Ich ging in den Garten und fing einfach schon mal an, dem bisherigen Gemüse-Garten ein neues Stück Wildnis hinzuzufügen. Dazu schnitt ich erstmal die wuchernden Pflanzen mit einer grossen Rasenschere und dann schnappte ich mir die Grabgabel, um den störrischen gut durchwurzelten Boden zu beackern. Eigentlich war der Boden zu trocken für diese Art von Wildwurzel-Kampf. Besonders zäh und hartnäckig erwiesen sich in diesem Bereich die Efeuranken und -wurzeln, mit denen ich schon in meinem früheren Garten immer hart zu kämpfen hatte. Aber diese Art von Tätigkeit war in diesem Moment genau das Richtige für mich, denn gegen irgendetwas wollte ich kämpfen. Da bot sich das arme Unkraut als dankbares Opfer an.

Nachdem ich etwa zwei Quadratmeter bezwungen hatte, streckte ich den schmerzenden Rücken und beschloss, dass es genug des Kampfes für einen Tag war. Zur Abkühlung stieg ich in unsere Tauch-Tonne, die ich im letzten Frühjahr endlich aufgestellt hatte, denn ich liebe es, in kaltes Wasser zu tauchen. Nach ein paar Prustern ging es mir schon deutlich besser und ich ging in die Küche, weil ich inzwischen einen Bärenhunger hatte. Dort traf ich auf Felix, der sich auch schon genug ausgetobt hatte und schon dabei war, eines der letzten Gerichte aus der Kühltruhe aufzuwärmen.

Dankbar setzte ich mich an den Tisch und freute mich auf das lecker duftende Essen. Als es dann auf dem Tisch stand, stiegen mir wieder die Tränen in die Augen, denn sofort fielen mir CityGuy, unsere Kinder und all die anderen Menschen in Not ein. Und ich schämte mich fast, so reichlich lecker Essen vor mir zu haben. Aber es war nicht mehr so schlimm, wie vor dem Umgraben.

"Was kann man denn so verlorenen Städtern empfehlen? Würdest du so einen hier aufnehmen? Wohl eher nicht?" fragte ich Felix, nachdem wir das schmackhafte Essen schweigend gegessen hatten. "Ne, ganz bestimmt nicht einfach so. Wir haben äusserstenfalls Platz für unsere Kinder und Anna, und wenn die alle kommen, wird sogar das ein verdammt knappes Rennen. Wir haben ja eigentlich nur für uns genug, um locker durchzukommen. Und jemand hier reinlassen, den wir gar nicht kennen? Kommt gar nicht in Frage. Tipps kann er kriegen und in der Datenbank nachlesen." Ich nickte, denn ich hatte nichts anderen erwartet und es stimmte ja auch, vernünftig betrachtet. Aber dennoch starrte ich ihn wohl so traurig an, dass er noch sagte: "Vielleicht kann man ja mittelfristig in den Dörfern noch Häuser bauen oder umbauen, wenn es dort gut läuft. Die Dörfer werden sowieso Zulauf kriegen ohne Ende."

Das tröstete mich ein wenig, aber nicht so ganz. Am liebsten würde ich die ganze Welt retten, aber wir konnten wohl bestenfalls uns oder die engste Familie retten und selbst das war nicht sicher. Am liebsten hätte ich zu diesem inneren und äusseren Konflikt gleich einen Beitrag ins allgemeine Forum gestellt, aber dann traute ich mich nicht, weil ich nicht die erste sein wollte, die anspricht, dass man niemanden aufnehmen kann und will, um die eigene Haut zu retten.

Eigentlich war mir dieser Zwiespalt schon seit vielen Jahren bewusst und ich hatte mich immer davor gegraust. Aber jetzt war die Situation in greifbare Nähe gerückt. Wir wohnten zwar zu weit weg für den CityGuy, aber wer weiss, wann der nächste kommen würde, der dann zu uns fliehen wollte.

Nach der verspäteten Mittagspause gab es noch viel zu tun und nach dem Versorgen des Gartens und der Tiere gesellte ich mich zum Holzhacken dazu und zusammen schafften wir noch einen ordentlichen Haufen Ofenholz. Felix warf es dann durch das Loch auf den Holzboden, weil er besser werfen konnte als ich, und ich räumte die Haufen, die ich aus der Wurfzone geholt hatte, möglichst ordentlich auf den Holzstapel, wo die Scheite auf ihren Einsatz warteten. Die Stapel waren schon ordentlich angewachsen. Soviel kleingehacktes Holz hatten wir hier vorher noch nie gelagert, denn moderne Heizungen machen in guten Zeiten deutlich weniger Arbeit und unsere Arbeitskraft hatten wir vorher lieber in die Firma gesteckt, denn das war unterm Strich billiger. Gewesen. Jetzt war alles anders.

Beim Holzhacken hat man natürlich auch massig Zeit zum nachdenken, was ich auch notgedrungen tat, denn mein Kopf liess mir sowieso keine Ruhe. Aber das Hacken half dabei, die Gedanken zu bewältigen. Als die Sonne sich dem Untergang näherte, taten mir nicht nur mein Rücken, sondern auch die Hände weh, aber das war ganz gut so, denn dann spürte ich wenigstens, dass ich ordentlich was geschafft hatte im Kampf um das Leben in der neuen Welt.

Noch vor dem Duschen und Essen eilten wir ins Büro, um zu sehen, ob der arme Kerl aus Frankfurt sich wieder gemeldet hatte. Wir hatten Glück. Im allgemeinen Forum stand ein kurzer Beitrag, in dem stand: "alles roger. tretmühle läuft halbwegs. muss noch weiterbasteln. bis bald.". Einer der aktuellen Chatbesucher, der heute mittag nicht dagewesen war, hatte CityGuy auch kurz im Chat erlebt, aber CityGuy war nur wenige Minuten online gewesen. Die Plünderer waren wohl weitergezogen.

Für den Moment war das sehr erleichternd, aber mir war durchaus bewusst, dass das am Grundproblem gar nichts änderte. Ich schrieb noch eine aufmunternde Antwort auf CityGuys Beitrag und Felix steuerte ein paar hilfreiche Links zur Datenbank-Themen bei, die CityGuy dann bei seinem nächsten Besuch auf dem Server finden konnte, auch wenn wir gerade nicht im Büro waren.

Für diesen Tag hatte ich mich genug verausgabt, um, trotz der nagenden Sorgen um die Welt, bald ins Bett zu gehen. Felix ging es wohl nicht anders, denn auch er ging früher als sonst ins Bett. Kurz vor dem Einschlafen fiel mir noch ein, dass ich ja eigentlich an diesem Tag den zukünftigen Garten planen wollte. Und dann dachte ich, dass ich vielleicht besser für sechs Personen, als für zwei Personen planen sollte und der zukünftige Garten blähte sich in meiner Vorstellung ganz enorm auf. Mir wurde klar, wieviel Land da noch der Wildnis entrissen werden musste. Und so sah ich mich umgraben und umgraben und umgraben bis ich in den Schlaf glitt und dort noch viele Stunden weiter umgrub, als wollte ich die ganze Welt umgraben.

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