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EMP - Ein Survivalroman

Kapitel 5


  
Diese Schalung für das Randstück war besonders fummelig einzurichten. Fritz mühte sich schon eine ganze Weile damit ab. Es war auch das erste Mal, dass Fritz eine so komplizierte Schalung für ein Randstück eigenverantwortlich aufbaute. Schliesslich sassen aber alle Schalbretter, so wie sie sollten und Fritz lehnte sich zufrieden zurück.

Mauern hatte ihm eigentlich mehr Spass gemacht, weil man dadurch so einen direkten Bezug zur jeweiligen Wand bekam. Aber Betonbau war auch sehr interessant und die Ergebnisse hatten diese unvergleichliche Robustheit, die Beton nunmal zu eigen war. Am Anfang seines einjährigen Praktikums auf dem Bau wussten seine Kollegen nicht so recht, was sie mit ihm anfangen sollten, denn er war eindeutig kein Lehrling aber auch nicht ausgelernt. Anders als sonstige Studenten im Praktikum packte Fritz jedoch ordentlich zu, schwätzte nicht überheblich rum und trank auch gern mal ein Bierchen mit ihnen und nach ein paar Tagen hatten sie Fritz als einen der ihren akzeptiert.

Nach einer kurzen Verschnaufpause am Boden stieg Fritz in den Lastenaufzug, um neues Material nach oben zu bringen. Langsam setzte sich der Aufzug in Bewegung und erklomm Stockwerk für Stockwerk. Fritz genoss die zunehmende Aussicht. Zwischen sechstem und siebtem Stockwerk blieb der Aufzug plötzlich stehen.

Bevor er noch Zeit fand, sich um die Elektrik des Aufzugs zu kümmern, sah er am Horizont ein Flugzeug mit der Spitze nach unten sacken und dann verlor es rapide an Höhe. Man sah kein Feuer, keinen Rauch, hörte nichts, konnte nur mitansehen, wie das Flugzeug sich dem Boden näherte. Und zwar nicht weit weg. Natürlich nicht in direkter Nähe, aber wahrscheinlich fand das Ganze über der Stadt statt. Es dauerte nur wenige Sekunden und dann versank das Flugzeug in einer riesigen Staubwolke in der Stadt. Kurz darauf hörte man auch einen lauten Knall.

Fritz starrte entsetzt in die Richtung der Staub- und Rauchsäule und es dauerte eine Weile, bis ihm wieder einfiel, dass er ja im Aufzug steckengeblieben war. Die Elektrik des Aufzugs schien in Ordnung zu sein, zumindest sah man keine verschmorten Stellen oder losen Kabel.

Nachdem er den Aufzug einige Minuten lang untersucht hatte, entschloss er sich, den Aufzug durch den Notausstieg und über das Gerüst zu verlassen. Zuerst sicherte er den Aufzug, damit dieser nicht unvermittelt wieder losfahren würde, wenn der Strom zurückkehren würde. Kurze Zeit später hatte er die Klappe im Dach des Aufzugs geöffnet und sich nach oben gezogen. Sich aufs Gerüst zu schwingen, war eine Kleinigkeit.

Statt nach unten zu klettern, entschloss sich Fritz jedoch spontan, bis aufs Dach zu steigen, um sich umschauen zu können. Bis zum Dach waren es nur noch drei Stockwerke, darum war Fritz ziemlich bald oben angekommen.

Zuerst schaute er in Richtung Flugzeug-Absturz. An der Absturzstelle stieg inzwischen eine Flammensäule auf. Fritz vermutete, dass der Absturz sehr nahe der Innenstadt stattgefunden haben musste. Die Lage der Flammen- und Rauchsäule bestätigte diese Vermutung. In der anderen Richtung hatte Fritz freien Blick auf die Umgehungsstrasse. Auch dort stieg an etlichen Stellen Rauch auf und zwischen den Rauchwolken konnte man sehen, dass die Autos sich in eine grosse Unfall-Landschaft verwandelt hatten. Alle Autos waren stehengeblieben. In beiden Richtungen fuhr kein einziges Auto mehr. Weil auf der Umgehungsstrasse gerne gerast wurde, selbst von braven Hausfrauen, vermutete Fritz, dass die Unfälle viele Tote und Verletzte gefordert hatten. Rettungswagen waren nicht in Sicht. Auch auf allen anderen Strassen, die er sah, war der Verkehr vollständig zum Erliegen gekommen.

Als er nach unten auf die Baustelle blickte, sah er, dass an vielen Stellen, der Baubetrieb ganz normal weiterlief. Die Rüttler und Pressluftgeräte lärmten wie eh und je. Am Betonmischer gestikulierte der Fahrer aufgeregt mit dem Polier und rund um den Bierkasten beim Bauwagen hatte sich eine kleine Gruppe Männer gebildet. Der Kasten mit dem Baustrom wurde von mehreren Männern umlagert, die Fritz von oben als die Elektrik-Kenner des Teams erkannte. Da unten war wohl nur zur Hälfte alles in Ordnung.

Nachdem er sich gründlich umgeschaut hatte, winkte Fritz dem Kranführer zu, der sich etwa auf gleicher Höhe befand und kletterte allmählich wieder vom Dach herunter. Unten angekommen wurde er von der Gruppe am Bierkasten mit Fragen bestürmt, was er denn alles gesehen hätte. Er erzählte ihnen von dem Flugzeug-Absturz und den Massenkarambolagen. Die Männer erzählten ihm in wenigen Worten, dass der gesamte Baustrom ausgefallen sei, aber auch die Steuerung des Betonmischers. Der Fahrer sei deshalb sehr aufgebracht, denn wenn der Beton erstmal erhärtet, könne man den kompletten Betonmischer wegschmeissen. Sie hätten versucht, die Bauleitung und die Stadtwerke zu erreichen, aber alle Telefone und Handies seien kaputt. Sogar der Fernseher im Bauwagen würde nicht mehr funktionieren, obwohl er mit einer unabhängigen Autobatterie betrieben wurde. Das gleiche würde für die Radios gelten. Keiner konnte sich einen Reim darauf machen, was wohl geschehen war.

Fritz dachte über die Kombination von Ereignissen nach und konnte sich nur einen Grund dafür vorstellen, warum alles gleichzeitig ausgefallen war, die benzinbetriebenen Geräte aber funktionierten. Er konnte sich aber nicht vorstellen, dass es einen solchen Anschlag ausgerechnet hier, in einer etwas grösseren Kleinstadt gegeben hatte. Wozu? Hier gab es doch nichts, was für Terroristen interessant sein könnte. Er überlegte, wie man wohl an Nachrichten rankommen könnte, jetzt wo alle Radios kaputt waren.

Da fiel ihm sein fussballbegeisterter Kollege ein, der immer noch ein Reserveradio in seinem altmodischen Blech-Werkzeugkasten mit rumschleppte, um jederzeit wichtige Fussballübertragungen hören zu können. Vielleicht würde dieses Radio noch funktionieren. Also ging er zu seinem Kollegen und schlug vor, das Radio hervorzuholen.

Und tatsächlich: Das staubige verdreckte Radio funktionierte problemlos und sie erfuhren nach kurzer Sendersuche von den weltweiten dramatischen Ereignissen. Danach waren erstmal noch ein paar Biere fällig. Die Männer schüttelten ihre Köpfe über das Ausmass der Katastrophe und als sie sich von dem Schrecken erholt hatten, ging jeder wieder an seine Arbeit.

Diejenigen, die vorher mit Elektrogeräten gearbeitet hatten, wurden woanders eingeteilt, und so kam es, dass Fritz den Rest des Tages mit Mörtelmischen im grossen Kübel verbrachte, denn die Mörtelmischmaschine funktionierte natürlich auch nicht. Die harte Arbeit machte Fritz aber kaum etwas aus, denn bei seinem eigenen Häuschen hatte er auch oft den Mörtel von Hand angemischt und war es also gewöhnt, in grossen Töpfen zu rühren.

Nach Dienstschluss lief er mit ein paar der Kollegen zu Fuss zurück zur Baufirma, denn dort stand sein Fahrrad, mit dem er immer zur Arbeit fuhr. Auf den Bürgersteigen war erheblich mehr Fussgänger-Verkehr als sonst, dafür stand der Strassenverkehr immernoch still. An jeder grösseren Strassenecke stand ein Polizist, der dafür sorgte, dass sich alle Passanten anständig verhielten. Die meisten Fussgänger waren daher auch zügig unterwegs und strebten anscheinend ihren Behausungen zu. Bei der Baufirma angekommen, die gut 5 km von der Baustelle entfernt lag, griff sich Fritz sein Fahrrad und fuhr gemütlich nach Hause.

Sein Häuschen war sein ganzer Stolz. Wer hatte schon mit 21 sein eigenes Haus? Und dazu noch vollständig abbezahlt. Schon als kleiner Junge hatte er mit Begeisterung in den Ferien seine Grosseltern besucht und ihnen auch schon früh bei nötigen Renovierungen geholfen. Mit 16 hatte er sogar beim neuen Eindecken des Daches geholfen, und weil sein Grossvater zu diesem Zeitpunkt schon recht alt gewesen war, lag die Hauptverantwortung bei ihm; er war sozusagen der "Jung-Bauherr". So hatte sich keiner gewundert, dass er das Haus erbte, als die Grosseltern vor drei Jahren kurz hintereinander gestorben waren. Seine Eltern hatten damals schon ihre alte Gärtnerei und seine Geschwister lebten weit weg in der Stadt und interessierten sich kein bisschen für alte renovierungsbedürftige Häuser. Sie hatten natürlich auch was von den Grosseltern geerbt, aber aus Fritzens Sicht hatte er mit Abstand das beste Stück vom Kuchen bekommen.

In den letzten drei Jahren hatte er jede freie Minute in den Ausbau des Hauses gesteckt, was vor allem während seiner Zeit beim Bund leider nicht so viel gewesen war, wie er gerne gehabt hätte. Dennoch war inzwischen das Wichtigste geschafft. Er hatte ein neues Stromsystem verlegt, alle Fenster ausgetauscht, mit einer modernen Heizung mit Solarpanelen begonnen und mehrere Zimmer neu tapeziert und dergleichen, um darin leben zu können. Sein Ziel war, das Haus in ein Nullenergie-Haus zu verwandeln. Das war zwar bei einem Altbau alles andere als einfach, aber er war auf dem besten Wege.

Auf den Strassen musste er immer wieder um die stehengebliebenen Autos herumfahren, aber da der Verkehr in der kleinen Stadt nicht sehr stark war, stellte dies kein Problem dar. Als er sich seinem Stadteil näherte, einem ehemaligen Dorf, das eingemeindet worden war, aber seinen dörflichen Charakter bewahrt hatte, gab es kaum noch Probleme auf der Strasse. Alle Leute schienen zuhause zu sein und die wenigen Autos standen mehr oder weniger ordentlich am Rand der Strasse. Also kam er zügig voran und erreichte bald sein Schmuckstück von Haus.

In seinem Kühlschrank warteten zwei umfangreiche Steaks darauf, gebraten zu werden. Eigentlich hätte er das zweite Steak erst morgen essen wollen, aber der Kühlschrank wurde allmählich warm und darum ass er lieber beide aufeinmal. Er warf also seinen Gasherd an und freute sich an dem duftenden Brutzeln. Dazu noch ein Bierchen und fertig war das perfekte Bauarbeiter-Menü.

Nach dem Essen konnte er sich kaum noch rühren, aber er wollte noch den Zustand seiner ganzen Geräte überprüfen, bevor er es sich dauerhaft bequem machte. Die Solarpanele auf dem Dach waren hinüber, was ihn sehr betrübte, denn er hatte den Kredit für diese Panele noch nicht abbezahlt. Der normale Strom war natürlich ausgefallen und auch das Leitungswasser floss nicht. Der alte Generator im Gewölbekeller hingegen funktionierte noch, was Fritz ermöglichte, innerhalb weniger Stunden das gesamte neue Stromsystem wieder mit Strom zu versorgen. Der Generator stand hier noch von früher, als es in dem Dorf zuerst noch keinen Strom gegeben hatte und später der Strom immer mal wieder ausfiel. Fritz vermutete, dass der tiefe Gewölbekeller mögicherweise dafür gesorgt hatte, dass hier unten die Geräte noch funktionierten. Er war doppelt froh, dass er die Bauteile und Geräte der alten Stromversorgung hier unten untergebracht hatte, denn er hatte es nicht übers Herz gebracht, funktionierende Teile einfach wegzuschmeissen und Platz hatte er ja genug. Den Trip mit dem Generator ans sein Stromsystem anschliessen wollte er sich aber erst in ein paar Tagen vornehmen, denn eigentlich brauchte er den Strom nicht so dringend und er war eigentlich schon müde genug von der Arbeit.

Der Gewölbekeller war sowieso eine der besten Vorzüge des Hauses. Ganz früher war er als Weinkeller genutzt worden, aber schon die Grosseltern hatten keinen Wein mehr angebaut, weil sich der Weinbau hier nur noch lohnte, wenn man grosse Weinberge hatte. So war der riesige Keller nahezu unbenutzt und nachdem Fritz ihn gründlich entrümpelt hatte (auf freien Flächen sammelt sich schliesslich im Laufe der Jahre immer sehr viel Krempel an), standen ihm grosse kühle Lagerflächen zur Verfügung. In einer der Ecken lagerte also seine gesamte Elektrik und Elektronik. Und alle Geräte, die am Tag zuvor noch in Ordnung gewesen waren, funktionierten auch an diesem Tag, einem Tag wo weltweit die meisten elektronischen Geräte zerstört worden waren. Da stand auch ein leicht verstaubtes Radio und dieses berichtete ihm von den neuesten Katastrophen-Nachrichten aus aller Welt, als er es einschaltete.

Er dachte an seine Eltern, die bestimmt gut mit der Katastrophe klargekommen waren. Ihr Haus war zwar auch noch nicht komplett für ihren Bedarf umgebaut, aber sie hatten sicherlich ausreichend vorgesorgt; schliesslich war das ihr Hobby. Für seine Geschwister hingegen sah er eher schwarz. Beide in Grossstädten - das war bestimmt kein Zuckerschlecken.

Im Keller gab es ausserdem einen Brunnen, dessen Wasser man mit einer Handpumpe in einen Behälter unterm Dach pumpen konnte. Von dort aus konnte man, wenn ein zentraler Hahn umgelegt wurde, das Wasser aus allen Wasserhähnen nutzen. Der Wasserdruck war nicht besonders hoch und man musste jeden Tropfen Wasser zuerst hochpumpen, aber auf diese Weise konnte man sogar duschen, wenn auch kalt. Fritz pumpte also eine grössere Menge Wasser nach oben und verliess den Keller. Dann aktivierte er die eigene Wasserversorgung am zentralen Hahn und ging ins Bad, um sich den Baustellendreck vom Leib zu spülen. Das kalte Wasser war angenehm erfrischend, aber natürlich fiel die Dusche kürzer aus als sonst.

Anschliessend nutzte er das letzte Tageslicht, um vom obersten Fenster aus auf der Kirchturm-Uhr im Nachbardorf die genaue Zeit zu erspähen. Dazu benutzte er seinen Feldstecher, denn mit blossem Auge konnte er die Zeiger nicht erkennen. Seine bevorzugte mechanische Uhr hatte er bereits aufgezogen und stellte sie dann möglichst minutengenau. Am nächsten Tag wollte er früh raus, denn bekanntlich gibt es in Notzeiten viel zu tun.

Den Rest des Abends verbrachte er bei Gaslicht und einem interessanten Buch, das sowieso schon viel zu lange auf ihn hatte warten müssen. Als er müde wurde, legte er sich in sein Bett und schlief tief und fest.


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